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Der wohl neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und SPD-Chef Lars Klingbeil stellten den Koalitionsvertrag vor.

© Imago/Florian Gaertner

Update

Dissens mit Merz?: Klingbeil will Steuererhöhungen nicht völlig ausschließen

Die Äußerungen des SPD-Chefs dürften für neue Spekulationen sorgen – und lösen Unmut in der Union aus. Zudem zeigen sie: Was im Koalitionsvertrag steht, kommt noch lange nicht sicher.

Stand:

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht eigentlich keine Steuererhöhungen vor – ausgeschlossen sind sie aber nicht. Nun heizt der Co-Chef der Sozialdemokraten die Debatte neu an. In einem Interview sagte Lars Klingbeil: „Das vorderste Ziel bleibt, dass wir Deutschland und Europa stark machen und dass wir dafür auch die finanziellen Mittel haben. In turbulenten Zeiten kann man nichts grundsätzlich ausschließen, sonst legt man sich unnötig Fesseln an“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe auf die Frage, ob er sein Wort geben könnte, dass Union und SPD auf Steuererhöhungen verzichten werden.

Auf eine konkrete Nachfrage, dass die Steuern also durchaus steigen könnten, sagte Klingbeil, der als Finanzminister im Kabinett des wohl künftigen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) gehandelt wird: „Die Vereinbarung lautet: keine Steuererhöhungen. Aber ich habe in der Ampel-Koalition erlebt, was es bedeutet, wenn man sich finanziell festgemauert hat.“ Er erwarte, dass die designierte neue Bundesregierung immer die Offenheit habe, „über die aktuelle Lage zu reden und über die Dinge, die notwendig und sinnvoll sind“. 

Insofern gilt, dass wir die finanzielle Situation immer wieder neu bewerten werden.

Lars Klingbeil, Co-Chef der SPD

Aus der Union, dem wohl künftigen Koalitionspartner der SPD, kommt sogleich Widerspruch. „Die Steuerbelastung in Deutschland ist im internationalen Vergleich bereits auf Rekordniveau“, sagte der für Finanzen zuständige stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Mathias Middelberg dem Tagesspiegel: „Schon jetzt verlieren wir deshalb tausende Arbeitsplätze jeden Monat.“

„Noch höhere Steuersätze“, argumentiert der Merz-Stellvertreter, „würden diese Abwanderung beschleunigen und längerfristig damit nicht zu mehr, sondern zu weniger Steuereinnahmen führen.“

Merz selbst lehnt Steuererhöhungen ebenfalls ab. „Wir haben einen Koalitionsvertrag, und da steht keine Steuererhöhung drin, es wird auch keine geben“, sagte der CDU-Vorsitzende zuletzt in der ARD-Sendung „Caren Miosga“. Aber Merz ließ sich mit Blick auf die Weltlage eine kleine Hintertür offen: „Man soll nie ,nie’ sagen. Wir wissen nicht, was auf dieser Welt noch passiert. Ich denke, wir werden die Krise als das neue Normale erleben.“ 

Klingbeil spielte in dem Interview auf diese Aussage an. Der SPD-Chef sagte: „Ich habe jetzt aber auch zur Kenntnis genommen, dass Friedrich Merz öffentlich gesagt hat, dass man Steuererhöhungen nicht für alle Zeit ausschließen kann. Insofern gilt, dass wir die finanzielle Situation immer wieder neu bewerten werden.“ 

In der Debatte um Steuererhöhungen geht es in der Regel um höhere Belastungen für Reiche und Vermögende, etwa durch eine höhere Erbschaftsteuer oder eine Vermögensteuer. Für kleine und mittlere Einkommen will die Bundesregierung die Einkommensteuer senken – aber auch das gilt nicht als fix, wie Merz jüngst deutlich machte.

Klingbeil äußert sich vage zu Esken und lobt Bas

Klingbeil beharrte auf einer Einkommensteuerreform: „Wir haben politische Verabredungen zwischen den drei Parteien getroffen, und die gelten“, sagte der SPD-Chef.

Merz hatte auch gesagt, die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro erfolge nicht automatisch. Klingbeil sagte dazu, dass der Mindestlohn seiner Ansicht nach schon im kommenden Jahr auf 15 Euro steigen sollte.

„Ein Mindestlohn von 15 Euro wird 2026 erreicht, wenn die Mindestlohnkommission sich selbst ernst nimmt und umsetzt, was in ihrer Geschäftsordnung steht“, sagte Klingbeil. Ziel der Mindestlohnkommission ist, dass sich die Tarifpartner einig werden und nicht die Regierung entscheidet.

Die SPD-Mitglieder rief Klingbeil dazu aus, dem Koalitionsvertrag mit der Union zuzustimmen. Er werbe „aus Überzeugung nach den Verhandlungen für eine Zustimmung“, sagte er.

„Entscheidend ist, dass viele abstimmen. Ein mehrheitliches Ja ist ein gutes Ergebnis.“ Angesprochen auf den Widerstand gerade bei den Jusos gegen ein Bündnis mit CDU und CSU, entgegnete Klingbeil: „Ich erfahre auch viel Zuspruch zum Koalitionsvertrag.“

Nach dem Mitgliederentscheid werde die SPD eine Liste für das Kabinett vorlegen, kündigte der Partei- und Fraktionschef an. Dabei werde „die Parität als selbstverständlich“ angesehen. Zur Zukunft von Co-Parteichefin Saskia Esken äußerte sich Klingbeil vage. „Ich habe immer deutlich gemacht, dass ich gerne mit Saskia Esken zusammenarbeite. Es passt aber nicht ins Jahr 2025 und zu meinem Verständnis, dass Männer in der Öffentlichkeit über die Zukunft von Frauen spekulieren.“

Zugleich lobte er Bärbel Bas, die „als Bundestagspräsidentin einen sehr überzeugenden Job gemacht“ habe. „Sie ist eine starke Verhandlerin. Man wird von ihr noch viel hören“, sagte Klingbeil.

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