zum Hauptinhalt
Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) muss schnell Lösungen für das Finanzloch bei den Krankenkassen präsentieren

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Gesundheitsministerin unter Druck: Warken schließt Leistungskürzungen der Krankenkassen nicht mehr aus

Bei Pflege- und Krankenversicherung tut sich ein Milliardenloch auf. Im Bundestag grillen die Abgeordneten Gesundheitsministerin Warken. Die verrät unerwartet viel über die Pläne der Koalition.

Stand:

Irgendwann rutscht Nina Warken (CDU) der Satz raus. Gegebenenfalls sei sie auch für Leistungskürzungen, sagt die Gesundheitsministerin am Mittwoch im Bundestag, nachdem sie von den Abgeordneten mehrfach gefragt worden ist, wie sie die Finanzen der Krankenversicherung stabilisieren will.

Am Morgen im Interview beim Fernsehsender ntv hatte sie diesen Satz noch vermieden. Dort sprach sie noch abstrakt von verschiedenen Optionen, die in der Regierung auf dem Tisch lägen, „die kurzfristig zu Einsparungen führen würden“. Um konkrete Maßnahmen gehe es noch nicht, „sondern um eine grundsätzliche Richtung, wie wir vorgehen“.

Im Bundestag weicht sie dem Schreckgespenst „Leistungskürzungen“ nun nicht mehr aus. Warken schließt also nicht mehr aus, dass die Krankenkassen ab dem kommenden Jahr für weniger medizinische Behandlungen die Kosten übernehmen. Ein Ausdruck dafür, wie sehr die CDU-Politikerin unter Druck steht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Vier Milliarden Euro fehlen

Denn das Finanzloch in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist gravierend. Das hatte Warken erst vergangene Woche Freitag erneut eingeräumt. Nach den Schätzungen ihres Ministeriums wird es 2026 in der GKV eine Deckungslücke von vier Milliarden Euro geben, bei der sozialen Pflegeversicherung (SPV) sind es zwei Milliarden Euro.

Reagiert die Bundesregierung nicht, ist die logische Konsequenz eine Beitragserhöhung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die aber hat Unionsfraktionschef Jens Spahn vor kurzem ausgeschlossen, um die strauchelnde Wirtschaft nicht noch stärker zu belasten.

Warken würde Beitragssteigerungen gerne mit einem höheren Steuerzuschuss für die Kassen ausgleichen. Für ihre Forderung hat die Gesundheitsministerin durchaus gute Argumente.

5,9
Milliarden Euro müsste die Soziale Pflegeversicherung vom Bund zurückbekommen.

Aktuell zahlt der Staat etwa pro Jahr rund neun bis zehn Milliarden Euro zu wenig für die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldempfängern. Dafür müssen stattdessen die Beitragszahler aufkommen. Auch die Soziale Pflegeversicherung müsste noch 5,9 Milliarden Euro vom Bund zurückbekommen. Das Geld hatte die SPV vorgeschossen, um die Corona-Pandemie in den Pflegeheimen zu bekämpfen.

Auf Nachfrage der Abgeordneten räumt Warken allerdings ein, dass Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) nicht gewillt ist, ihr mehr als ein bereits zugesagtes Darlehen einzuräumen. Deshalb wird in der Bundesregierung nun über einen Plan B diskutiert, um Beitragssteigerungen im kommenden Jahr zu verhindern.

Unser Ziel bleibt Beitragsstabilität ohne Leistungskürzungen.

Simone Borchardt, gesundheitspolitische Sprecherin der Union

Innerhalb und zwischen den Regierungsfraktionen laufen inzwischen dazu ebenfalls Gespräche, erfuhr der Tagesspiegel aus Kreisen der Unionsfraktion. Denn die Zeit drängt.

Im Oktober wird der sogenannte Schätzerkreis den Finanzbedarf der Kassen im kommenden Jahr ermitteln. Steuert die Regierung bis dahin nicht gegen, muss das Expertengremium auf dieser Basis Beitragserhöhungen empfehlen.

Warkens Staatssekretär prescht vor

Über konkrete Maßnahmen will die Regierung aber lieber noch nicht öffentlich sprechen, damit diese nicht zerredet werden. Dass Warken im Bundestag aber Leistungskürzungen nicht mehr ausschließt, liegt daran, dass sie ein unabgestimmter Vorschlag ihres Parlamentarischen Staatssekretärs Tino Sorge (CDU) unter Druck setzt.

Dieser hatte in der „Bild“ vorgeschlagen, dass die gesetzlichen Krankenkassen künftig im Leistungsumfang reduzierte Basistarife anbieten. Das würde zu niedrigeren Beiträgen führen. Die Versicherten können dann individuell Zusatzpakete dazubuchen.

Für 2026 schloss Warken eine solche Lösung im Bundestag aus, sah sich dann allerdings bemüßigt, zu betonen, dass sie Leistungskürzungen nicht grundsätzlich ablehnt.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Simone Borchardt (CDU), betont hingegen: „Unser Ziel bleibt Beitragsstabilität ohne Leistungskürzungen.“ Dafür reiche es nicht, Löcher zu stopfen. „Was wir brauchen, sind jetzt grundlegende und mutige Reformen.“

Wir sind bei allen konstruktiven Vorschlägen gesprächsbereit – wichtig ist, dass sie nicht einseitig auf dem Rücken der Versicherten lasten.

Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD

Wie die Gesetzliche Krankenversicherung grundlegend neu gestaltet werden kann, soll nun eine Expertenkommission beraten. Ihre Mitglieder will Warken in den kommenden Tagen vorstellen. Allerdings sollen die Wissenschaftler ihren Bericht erst im Frühjahr 2026 vorliegen.

Um die Beiträge 2026 stabil zu halten, muss sich die Koalition also schon selber etwas einfallen lassen. Die SPD will hierfür keinesfalls allein auf Leistungskürzungen setzen.

„Entscheidend ist jetzt, dass tragfähige und solidarische Lösungen gefunden werden, die das System nachhaltig stabilisieren“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher, Christos Pantazis, dem Tagesspiegel. „Wir sind bei allen konstruktiven Vorschlägen gesprächsbereit – wichtig ist, dass sie nicht einseitig auf dem Rücken der Versicherten lasten, sondern auf Ausgleich und Gerechtigkeit setzen“, so Pantazis.

Vorschläge hierfür haben die Krankenkassen schon vor langer Zeit gemacht. Ihr sogenanntes Ausgabenmoratorium sieht unter anderen vor, dass die Ärztehonorare für eine gewisse Zeit nicht weiter steigen dürfen. Außerdem soll die Pharmaindustrie zu stärkeren Rabatten bei Medikamenten gezwungen werden. Was davon die schwarz-rote Koalition umsetzen wird, werden die nächsten Tage zeigen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })