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Omid Nouripour beim ARD-Sommerinterview.

© dpa/Paul Zinken

Grünen-Chef glaubt nicht mehr an die Ampel: So will Nouripour seine Partei aus der Krise führen

Ampel-Streit, schlechte Umfragen, drohende Schlappen bei den Ostwahlen: Bei den Grünen gibt es gerade wenig zu feiern, doch Parteichef Omid Nouripour hat einen Plan.

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Die Feierlichkeiten des Vorabends sind Omid Nouripour nicht anzusehen. Am Samstagabend hatte der Grünen-Chef noch auf der Hochzeit seiner Co-Vorsitzenden Ricarda Lang gefeiert, am Sonntag steht für den 49-Jährige schon wieder das Tagesgeschäft auf dem Programm: das Sommerinterview in der ARD.

Doch auch da geht es erst einmal um Nouripours Party-Fähigkeiten, schließlich legt der Grünen-Politiker bei Parteitagen gerne mal abends als DJ Musik auf. Seine Leidenschaft sei nun einmal Hip-Hop, erklärt Nouripour und kündigt an, auch beim nächsten Parteitag im November wieder für Stimmung zu sorgen.

Doch zum Feiern gibt es – außer private Hochzeiten – für die Grünen eigentlich gerade nicht viel. Die letzten Wahlen gingen in Serie verloren, die Umfragen sind schwach, bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen droht nicht nur der Rauswurf aus der Regierung, sondern sogar aus dem Landtag. Doch Nouripour hat vier Punkte mitgebracht, um die Grünen wieder aus der Krise zu führen.

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1. Die Angst vor AfD und BSW

Vor den Ostwahlen setzen die Grünen auf die Angst in der Bevölkerung vor den radikalen Randparteien. Nouripour erinnert an eine Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz, der gesagt hatte, wer AfD und BSW nicht wolle, müsse die Konservativen wählen. „Das ist einfach bewiesenermaßen falsch“, sagt Nouripour.

Sein Schreckensszenario, das die Partei auch auf allen sozialen Medien seit Tagen befeuert: nach der Wahl könnten nur noch CDU, AfD und BSW im Parlament sitzen. Eine „brandgefährliche Konstellation“, sagt Nouripour. „Das führt dazu, dass die AfD vielleicht kein Drittel der Stimmen hat, aber ein Drittel oder mehr der Sitze.“ Die AfD könne dann Richterwahlen blockieren. Eine Stimme für die Grünen, so das Kalkül der Parteistrategen, ist also eine für die Demokratie.

18.08.2024

2. Die Unterstützung der Ukraine als Alleinstellungsmerkmal

„Wir werden schauen müssen, dass wir die Unterscheidbarkeiten jetzt deutlicher machen“, sagt Nouripour schon zu Beginn des Gesprächs. Besonders beim Umgang der Unterstützung für die Ukraine macht der Grünen-Chef ein Alleinstellungsmerkmal seiner Partei deutlich.

Anders als in der SPD (Woidke, Mützenich, Stegner) und bei der CDU (Kretschmer) wollen die Grünen nicht auf die Vorbehalte gegen die Ukraine im Osten der Republik eingehen. „Wenn die Ukraine aufhört, zu kämpfen, existiert sie nicht mehr. Wenn die Russen aufhören zu kämpfen, dann gibt es Frieden“, sagt Nouripour.

Er kritisiert auch das Vorhaben der Bundesregierung, militärische Hilfe für Kiew nicht mehr aus dem Haushalt finanzieren zu wollen. „Das ist kein gutes Signal, erst recht nicht an die Ukrainer und erst recht nicht an unsere Partnerstaaten, die alle beteiligt sind“, sagt Nouripour. Deutschland dürfe nicht wackeln. Dass man mit dem Thema Wahlkampf betreibe, kritisiert er, „weil Frieden ein unglaublich hohes Gut ist.“ Die Strategie der Grünen: wer im Osten zur Ukraine steht, muss die Grünen wählen.

3. Abgrenzung zur Ampel

Aus dem Haushaltsstreit der vergangenen Tage haben sich die Grünen weitgehend herausgehalten. Doch dahinter steckt nicht das Kalkül, die Regierung besser dastehen zu lassen, sondern sich von den Koalitionspartnern abzusetzen. So deutlich wie noch nie, sagt Nouripour, dass die Tage der Ampel gezählt sind.

Wir kommen in der Konstellation, in der wir sind, aber an Grenzen dessen, was möglich ist.

Grünen-Chef Omid Nouripour verabschiedet sich schon von der Ampel.

SPD, Grüne und FDP seien nur eine „Übergangsregierung“ für die Zeit nach der Ära von Kanzlerin Angela Merkel. „Es ist ja offensichtlich, dass Vertrauen an Grenzen gekommen ist“, sagt Nouripour.

Die Ampel sei nur eine „Übergangsregierung“ nach der Ära Merkel, findet Omid Nouripour.

© dpa/Britta Pedersen

Er schaltet bereits in den Wahlkampfmodus für die Zeit nach der FDP: „Das, was dieses Land braucht, ist eine Modernisierung.“ Die werde aber nicht vom Himmel fallen, sondern werde Geld kosten, sagt Nouripour ohne das Wort Schuldenbremse in den Mund zu nehmen. Mit den Liberalen werden die Grünen da jedoch nicht mehr vorankommen und so klingt es bei Nouripour mehr als ein Jahr vor der Bundestagswahl schon nach Abschied von der Ampel: „Wir kommen in der Konstellation, in der wir sind, aber an Grenzen dessen, was möglich ist.“

4. Ein Kanzlerkandidat – trotz allem

Auf die Frage zur Kanzlerkandidatur ist Nouripour vorbereitet, schließlich hat Vizekanzler Robert Habeck erst vor wenigen Tagen ziemlich direkt seine Bereitschaft erklärt. Der Grünen-Chef legt sich im Interview (natürlich) nicht fest, doch er erklärt schon einmal, warum die Grünen trotz mieser Umfragen und drohender Wahlschlappen einen Kanzlerkandidaten brauchen.

„Wir haben eine massiv veränderte Parteienlandschaft“, sagt er und verweist auf die AfD, die mit einem Kanzlerkandidaten in die Bundestagswahl ziehen will. „Die SPD hat einen Kanzler – die sind bei 14 Prozent oder so. Oder drunter“, sagt Nouripour. Selbst Markus Söder, der mit der CSU ja nur bundesweit auf vier bis sechs Prozent komme, habe Ambitionen, sagt der Grünen-Chef.

Der Vergleich hinkt zwar, doch Nouripour will seine Botschaft platzieren: „Die Leute sehen, das Merkel-Vakuum ist weiterhin nicht gefüllt. Und brauchen dafür Alternativen. Und wir wollen welche liefern.“ Ob die Strategie aufgeht? Bei den Grünen herrscht wohl das Prinzip Hoffnung.

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