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Bundespolizisten am Münchner Hauptbahnhof.

© dpa/Sven Hoppe

„Haben deutlich mehr erwartet“: Polizeigewerkschaft geht Sicherheitspaket der Ampel nicht weit genug

Die GdP vermisst im Ampelpaket vor allem Regelungen zum Speichern von IP-Adressen und mehr Personal. Der Richterbund warnt vor Engpässen an Gerichten durch Verschärfungen des Asylrechts.

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Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hätte sich mehr erhofft vom sogenannten Sicherheitspaket der Ampel-Regierung. „Wir haben mehr Befugnisse erwartet, als hier heute vorgestellt wurden“, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Er vermisste insbesondere Regelungen zum Speichern von IP-Adressen und sofortige Verbesserungen für die Bundespolizei an den Grenzen mit mehr Personal, besserer Ausstattung und moderner Technik. Auch eine generelle Überprüfung des Hintergrunds von Personen, die aus Operationsgebieten von Terrorgruppen einreisten, sei nötig.

Als Fortschritt wertete die GdP hingegen die Pläne, der Polizei die Nutzung biometrischer Gesichtserkennungssoftware zu erlauben. Die Fahndung nach der RAF-Terroristin Daniela Klette habe gezeigt, wie sehr der Polizei hier die Hände gebunden gewesen seien.

Darüber hinaus bräuchten Polizei und Verfassungsschutz aber mehr Personal und Befugnisse im Internet. „Andere Länder machen uns vor, dass die Behörden mit eigenen Online-Ermittlungen potenzielle Radikalisierungen erkennen, bevor es zu einer Tat kommt“, sagte Kopelke. „Das geben unsere Gesetze jedoch nicht her. An dieser Stelle wird dem Datenschutz ein zu hoher Standard eingeräumt, der hinsichtlich des unfassbaren Leids, das Terrorattacken auslösen, nicht gerechtfertigt ist.“

Wenn die demokratischen Parteien im Bund zusammenarbeiteten, seien deutlich mehr Maßnahmen und eine bessere finanzielle Ausstattung möglich, sagte Kopelke. „Wir Polizistinnen und Polizisten sehen jedoch zurzeit viel Streit im gesamten politischen Raum. Hören Sie uns an: Wir zeigen in aller Deutlichkeit auf, welche konkreten Bedarfe wir Polizisten in Deutschland haben. Wir benötigen viel mehr für diese gegenwärtige Sicherheitslage.“

Verbesserung der Gefahrenlage an den Bahnhöfen

Es gab aber auch Lob für die Maßnahmen aus der Gewerkschaft der Polizei. Der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, rechnet durch das neue Sicherheitspaket der Ampel mit einer Verbesserung der Gefahrenlage an den Bahnhöfen. „Die Möglichkeiten, stichpunktartig und anlasslos kontrollieren zu können, sind ein wichtiges Instrument“, sagte der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, der „Rheinischen Post“ vom Freitag. Insgesamt würden die geplanten Verschärfungen „die Kontrollen gerade an Bahnhöfen um ein Vielfaches erleichtern“.

Der SPD-Politiker Sebastian Fiedler ist Kriminalbeamter und Bundestagsabgeordneter.

© imago/Horst Galuschka/imago/Horst Galuschka

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler kritisierte die Koalitionspartner von Grünen und FDP scharf. „Die bittere Wahrheit lautet: Es müssen offenbar erst Tote auf der Straße liegen, damit die Koalitionspartner sich bewegen“, sagte Fiedler am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“. Es sei ein „offenes Geheimnis“, dass die FDP eine Verschärfung des Waffenrechts und die Grünen Rückführungen blockiert hätten, argumentierte der ehemalige Chef des Bundes deutscher Kriminalbeamter.

Im öffentlichen Raum hätten Messer „generell gar nichts verloren“, betonte Fiedler vor dem Hintergrund einer hohen Anzahl von „Messertaten“ in Deutschland. Einwände hinsichtlich schwieriger Kontrollen wies er zurück. „Würden Sie die Frage stellen, ob wir Schusswaffen im Hosenbund kontrollieren? Trotzdem wären wir hoffentlich der Meinung, dass sie verboten bleiben sollen.“

Erneute Kritik von der Union

Kritik an dem Maßnahmenpaket kam erneut auch von der Union. . „In dem Papier steht wenig Falsches drin, aber eben auch viel zu wenig, um der aktuellen Herausforderung gerecht zu werden“, hatte Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei, der kommende Woche in dem Gespräch zwischen Bundesregierung und größter Oppositionsfraktion CDU und CSU vertreten wird, dem Tagesspiegel am Donnerstag gesagt: „Es ist zwingend, dass wir am Dienstag über andere Themen sprechen.“

Der Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei.

© dpa/Hannes P Albert

„Entscheidend“ sind aus seiner Sicht Zurückweisungen an den deutschen Grenzen: „Das ist aus unserer Sicht europarechtlich möglich, auch wenn uns bewusst ist, dass das mit den europäischen Partnern zu harten Diskussionen führen kann.“ Leistungskürzungen für ausreisepflichtige Dublin-Fälle bezeichnete er als einen ersten Schritt, der aber die Probleme nicht lösen werde.

„Das Problem sind die Überstellungen, die uns unmöglich gemacht werden – so hat es nach Italien beispielsweise im gesamten ersten Halbjahr gerade einmal zwei Dublin-Rücküberstellungen gegeben“, sagte Frei.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der Zeitung, „offensichtlich werden jetzt Dinge möglich, die die “Ampel’ bisher immer abgelehnt hat. Wenn die ‘Ampel’ jetzt einen Kurswechsel vollzieht und inhaltlich auf die Union zugeht, werden wir uns die Inhalte genau anschauen.“

FDP an Union: Sicherheitspaket schnell umsetzen

Die FDP fordert die Union auf, das als Reaktion auf den Terroranschlag von Solingen soeben beschlossene Sicherheitspaket schnell gemeinsam umzusetzen. „Wichtig ist jetzt, dass die demokratischen Parteien auf allen staatlichen Ebenen eng miteinander kooperieren“, sagte der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Das Attentat von Solingen und die Fehler, die in NRW passiert seien, hätten gezeigt, dass es ohne die Länder nicht gehe. „Ich appelliere daher an CDU und CSU, mit uns an einem Strang zu ziehen und konstruktiv an der schnellen Umsetzung des Sicherheitspakets mitzuarbeiten.“

Richterbund ruft nach mehr Personal

Der Deutsche Richterbund warnte bei einer Verschärfung des Asylrechts vor Personalengpässen. „Allein in den Staatsanwaltschaften fehlen wegen stark gestiegener Verfahrenszahlen bundesweit inzwischen rund 2000 Ermittler“, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Und um das von der Politik ausgerufene Ziel zu erreichen, Asylklagen innerhalb weniger Monate abzuschließen, braucht es 500 zusätzliche Richterinnen und Richter für die Verwaltungsgerichte.“

Rebehn forderte einen „großen Wurf, um den Rechtsstaat wehrhafter aufzustellen und die innere Sicherheit zu stärken“. Bund und Länder sollten sich rasch auf einen „föderalen Pakt“ verständigen, „mit dem sie massiv in zusätzliches Personal und in modernste Technik für die Sicherheitsbehörden, die Strafjustiz und die Verwaltungsgerichte investieren“.

Zur Situation der Richter und Richterinnen an Verwaltungsgerichten sagte Rebehn, diese hätten „immer noch mit hohen Aktenbergen zu kämpfen, die bis in die Jahre 2016 und 2017 zurückreichen und im Zuge der damaligen Flüchtlingsbewegung aufgelaufen sind“. Die Verwaltungsgerichte kämen „erst allmählich wieder vor die Welle“.

Grüne Jugend: „Statt Islamismus werden Geflüchtete bekämpft“

Die Bundesregierung hatte sich am Donnerstag in Reaktion auf den mutmaßlich islamistisch motivierten Messerangriff in Solingen mit drei Toten auf ein Maßnahmenpaket zur Sicherheitspolitik verständigt. Es umfasst unter anderem eine Ausweitung von Messerverboten und zusätzliche Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, insbesondere auch an Bahnhöfen. Die Bundespolizei, die für die Sicherheit an Bahnhöfen zuständig ist, soll zudem flächendeckend mit sogenannten Tasern ausgestattet werden.

Katharina Stolla, Co-Chefin der Nachwuchsorganisation der Grünen, kritisiert die Asylrechtsverschärfungen.

© dpa/Kay Nietfeld

Grünen-Politiker und deren Jugendorganisation hatten das „Sicherheitspaket“ der Ampel-Regierung am Donnerstag scharf kritisiert. „Dass die Ampel auf den schrecklichen Terroranschlag von Solingen mit weiteren Asylrechtsverschärfungen reagiert, ist ein Armutszeugnis“, sagte die Co-Chefin der Nachwuchsorganisation, Katharina Stolla, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

„Statt Islamismus zu bekämpfen, werden Geflüchtete bekämpft“, kritisierte Stolla. „Islamismus lässt sich nicht einfach abschieben, denn er hat längst eine eigene Traditionslinie in Europa und zielt auf Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind.“

„Aus Angst vor Rechten lässt sich die Ampel mal wieder nach rechts treiben“, beklagte die Co-Chefin der Grünen Jugend. Die Regierung stärke die Rechten und stachle zu mehr Gewalt gegen Geflüchtete und migrantische Menschen an. (dpa, AFP)

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