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FDP-Fraktionschef Dürr bei einem Pressetermin (Archivbild).

© Sabina Crisan/dpa

Asyl-Debatte nach Anschlag von Solingen: FDP fordert „keinerlei Sozialleistungen“ mehr für Ausreisepflichtige

Der Fall Solingen heizt die Debatte zum Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern weiter an. Auch die CDU erhöht den Druck auf den Kanzler. BSW-Chefin Wagenknecht fordert ein Ende der Willkommenskultur.

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Nach dem tödlichen Anschlag in Solingen stellen Politiker von FDP und Union Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber infrage. Für Ausreisepflichtige solle es „keinerlei Sozialleistungen“ mehr geben, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr der „Bild“-Zeitung.

FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle bekräftigte im Magazin „Stern“: „Wenn jemand nicht hierbleiben darf, darf er auch keine Sozialleistungen bekommen.“ Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) legte am Nachmittag nach: „Wer nach europäischem Recht ausreisepflichtig ist, sollte nur noch die Rückkehrkosten in den zuständigen Staat erhalten“, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“. Wie das konkret umgesetzt werden soll, ließen alle offen.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach sich für eine Überprüfung der Leistungen für abgelehnte Asylbewerber aus. „Ich bin schon lange dafür, dass wir unseren Katalog von Sozialleistungen überprüfen und an die Regeln anderer EU-Länder anpassen“, sagte der CDU-Politiker dem „Stern“.

26.08.2024

„Wer auszureisen hat, sollte unmittelbar nach einem rechtskräftigen Bescheid unser Land auch verlassen“, so Wüst weiter. Die Phase zwischen dem Beschluss und der tatsächlichen Ausreise müsse kürzer werden.

Deutlichere wählte Sahra Wagenknecht. Die BSW-Vorsitzende und Ex-Linkenpolitikerin verlangte eine „Zeitenwende in der Flüchtlingspolitik“ und forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, ein Stoppsignal an die Welt zu senden: „Die Willkommenskultur ist vorbei. Wir schaffen es nicht. Macht Euch nicht auf den Weg!“, sagte Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur.

Die Messerattacke von Solingen mit drei Toten und acht Verletzten hatte die Debatte über Migrations- und Asylpolitik neu angefacht. Als mutmaßlicher Täter sitzt ein 26-jähriger Syrer in Untersuchungshaft, der 2023 hätte abgeschoben werden sollen, was jedoch scheiterte.

Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen zu haben. Diese reklamierte den Anschlag für sich.

Der Fall von Solingen und die ausbleibende Abschiebung trotz Anordnung ist dabei kein Einzelfall. „Zehntausende solcher Dublin-Fälle haben wir in Deutschland“, sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP) sagt am Dienstag im „Morgenmagazin“ der ARD. Bei Zehntausenden scheitere jedes Jahr die Abschiebung, weil man die Menschen einfach nicht antreffe. Das sei auch bei dem mutmaßlichen Attentäter von Solingen der Fall gewesen. Die Behörden in Nordrhein-Westfalen seien des Mannes nicht habhaft geworden, hätten ihn aber auch nicht zur Fahndung ausgeschrieben.

Scholz und Merz planen offenbar Krisengespräch zur Migrationspolitik

Welche migrationspolitischen Konsequenzen aus der Messerattacke gezogen werden könnten, darum dürfte es auch bei einem Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) gehen, das heute Vormittag stattfinden soll. Über den Termin hatte das „Handelsblatt“ berichtet, offiziell bestätigt wurde er nicht. Aus CDU-Kreisen hieß es, dass das Treffen lange geplant war.

Vor dem Gespräch macht die CDU Druck für eine Verschärfung der Migrationspolitik. „Ich hoffe, dass der Kanzler in die Offensive geht und nicht das sagt, was er seit Monaten und Jahren sagt“, betonte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im Deutschlandfunk. Es müssten Taten folgen. „Wir stehen bereit. Und wenn die Regierung nicht bereitsteht, kann ich ihnen heute sagen, ist das ein historischer Fehler.“

Zum Gespräch mit dem Kanzler bringt CDU-Chef Merz einen Forderungskatalog mit. In seinem E-Mail-Newsletter „MerzMail“ hatte er am Sonntag unter anderem für einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan plädiert und für die generelle Möglichkeit, abgelehnte Asylbewerber wieder in diese beiden Länder abzuschieben.

Wie ein solcher Aufnahmestopp rechtlich umgesetzt werden soll, lässt er in dem Newsletter offen. SPD und Grüne kritisierten Merz' Vorstoß.

Klingbeil lehnt generellen Aufnahmestopp von Syrern und Afghanen ab

SPD-Chef Lars Klingbeil sprach sich angesichts des Anschlags für Kooperationen über Parteigrenzen hinweg aus. Er wünsche sich, „dass wir mit den demokratischen Parteien in diesem Land zusammenarbeiten“, sagte er im Interview mit RTL/ntv. Man dürfe in Zeiten islamistischen Terrors nicht in parteipolitisches Kleinklein verfallen, sondern müsse sehen, wo man zusammenarbeiten und nachbessern könne.

Einen generellen Aufnahmestopp von Syrern und Afghanen, wie ihn Merz fordert, lehnt auch Klingbeil ab. „Ich will Ihnen ganz klar sagen, dass ich große Probleme damit hätte, wenn wir beispielsweise Frauen, die aus Syrien fliehen oder aus Afghanistan fliehen, weil sie vom IS mit dem Leben bedroht werden, dass wir diesen Menschen sagen, ihr kriegt hier keinen Schutz“, sagte der SPD-Chef.

Gefährder und Straftäter müssten aber nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden. „Das ist ein juristisch schwieriger Prozess, aber es ist klar, dass das passieren muss.“

Abschiebung nach Afghanistan und Syrien in Einzelfällen schon möglich

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hält solche Abschiebungen in die beiden Ländern grundsätzlich jetzt schon für möglich. „In Einzelfällen ist das dort möglich, aber es ist offensichtlich nicht trivial“, antwortete Baerbock am Dienstag im Sender rbb auf eine entsprechende Frage. Sie verwies auf die in Afghanistan herrschenden radikalislamischen Taliban und die Assad-Diktatur in Syrien.

„Es ist derzeit schon so, dass es geltendes Recht ist, dass Straftäter und Gefährder keinen subsidiären Schutz bekommen oder ihn verlieren, wenn sie Straftaten begehen“, betonte Baerbock weiter. „Deshalb haben Mörder und Terroristen bei uns keinen Platz“, stellte sie klar. Dies gelte auch für jemanden, der „Islamismus verbreitet, sich gegen unser Grundgesetz, unserer Freiheit, unsere Art zu leben stellt“.

Baerbock mahnte jedoch, Fakten sorgsam zu beachten. So sei es im Fall des mutmaßlichen Attentäters von Solingen gar nicht um eine Abschiebung in sein Heimatland Syrien gegangen, sondern um eine Abschiebung in das EU-Land Bulgarien. Warum diese gescheitert sei, „das muss jetzt aufgearbeitet werden“, forderte aber die Grünen-Politikerin.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht für eine konsequentere Abschiebung von Ausreisepflichtigen die Länder in der Pflicht. „Gesetzlich haben wir bereits umfassende neue Grundlagen für mehr Rückführungen geschaffen, damit sich Ausreisepflichtige der Abschiebung nicht mehr entziehen können“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Entscheidend für den Erfolg ist vor allem, dass die neuen Befugnisse und Regelungen auch vor Ort in den Ländern umgesetzt werden.“ Die Länder hätten dafür „jede Unterstützung des Bundes“.(dpa)

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