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Nur noch ein Schatten seiner selbst - Martin Schulz.

© Tobias Schwarz, AFP

Martin Schulz als Außenminister: Halber Abtritt, schlechter Abtritt

Als Kanzlerkandidat gescheitert, als SPD-Chef zurückgetreten. Woher rührt die Gewissheit, dass Martin Schulz ein guter Außenminister wird? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Geschadet hat das Amt bislang keinem. Auch Klaus Kinkel und Guido Westerwelle waren als Außenminister beliebt. Hans-Dietrich Genscher wiederum war es, der Helmut Kohl die Grundlagen der großen, weiten Politik beibrachte. Und selbst Joschka Fischer hielt sich an das Diktum Gerhard Schröders, demzufolge deutsche Außenpolitik im Kanzleramt gemacht werde. Denn es gilt: Der deutsche Außenminister ist zwar das Gesicht des Landes in der Welt und dessen oberster Diplomat, aber er ist vor allem der treueste Diener seines Chefs, des Bundeskanzlers – oder aktuell: der Bundeskanzlerin. Von Konrad Adenauer bis zu Angela Merkel haben stets die Regierungschefs die außen- und sicherheitspolitischen Grundsatzentscheidungen getroffen, nicht die Minister.

Wird Martin Schulz sich daran halten? Gerühmt wird die europapolitische Kompetenz des ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten, der keine Gelegenheit auslässt, seine engen Bande zu Emmanuel Macron zu erwähnen. Schulz spricht viele Sprachen, und er hat sich in Straßburg einen gewissen Erfahrungsschatz im Umgang mit schwierigen EU-Partnern angeeignet. Das macht ihn freilich nicht fehlerfrei. Seine Rede vor der Knesset in Israel missglückte, sein Donald-Trump-Bashing im Wahlkampf war zu billig, um überzeugen zu können, sein Ton gegenüber kleineren EU-Mitgliedsländern, die nationalkonservativ regiert werden, ist von Härte und Anmaßung nicht immer frei.

Die größte Sorge knüpft sich allerdings an die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Schulz versuchen wird, sich in dem Amt und durch das Amt zu profilieren und zu rehabilitieren. Schneller als sein Glanz ist kaum einer je verblasst. Vor nicht einmal einem Jahr wurde er mit hundert Prozent zum SPD-Vorsitzenden gewählt. Der Schulz-Zug rollte, unaufhörlich, so schien es. Umfragen katapultierten die Partei nach oben. Dann der tiefe Fall, die Schlappe bei der Bundestagswahl. Doch noch im Dezember wurde Schulz von den Genossen mit 82 Prozent als ihr Chef bestätigt. Ehrlich war das damals schon nicht. Parteiintern war seine Autorität längst im Schwinden. Im jüngsten ZDF-Politbarometer fiel die SPD unter 20 Prozent, Schulz landete in der Liste der zehn wichtigsten Politiker mit seiner bislang schlechtesten Bewertung auf dem vorletzten Platz.

„Ist die Stelle, an der ich arbeite, die richtige?“

Folgerichtig verkündete Schulz nun, den SPD-Vorsitz an Andrea Nahles abzugeben. Er habe zwar alles gegeben, „was ich geben konnte“, doch werde er der Erwartungshaltung, die Partei zu erneuern, nicht gerecht. Er habe sich selbst fragen müssen: „Ist die Stelle, an der ich arbeite, die richtige?“ Frei übersetzt heißt das: Ich bin zwar als SPD-Chef und Kanzlerkandidat krachend gescheitert, aber meine Befähigung zum Außenminister tangiert das in keiner Weise. (Randbemerkung: Seinen früheren Freund Sigmar Gabriel, der selbst gerne weiter Außenminister geblieben wäre, serviert Schulz eiskalt ab.)

Wie soll man sich das vorstellen? Wenn einem Metzgermeister die Kunden weglaufen, weil er dazu tendiert, auch alte Ware noch verkaufen zu wollen, wird der dann als Bäckermeister größere Erfolge haben? Lässt sich das Scheitern in Partei und Öffentlichkeit wirklich scharf von den Befähigungen trennen, die ein Außenminister haben muss? Das Auswärtige Amt ist eine oberste Bundesbehörde mit knapp 12.000 Bediensteten und einem Haushaltsvolumen von 4,8 Milliarden Euro. Um diese Behörde zu führen, braucht einer Detailkenntnis, Einfühlungsvermögen, Durchsetzungskraft. Woher rührt die Gewissheit, dass Schulz der richtige dafür sei?

Einsicht sei der erste Weg zur Besserung, heißt es. Wenn aber die Einsicht auf der Hälfte der Strecke stecken bleibt und lediglich der Parteivorsitz abgegeben wird, droht eine Verschlimmbesserung der Lage. Schulz als Außenminister: Das könnte durch dessen Überambitionierung das Amt beschädigen, und es könnte durch den Eindruck, sich verzweifelt an politische Posten klammern zu wollen, das Image der Partei ramponieren. Für das Verhältnis des 62-Jährigen zur SPD gibt es ein treffendes Wort: zerrüttet.

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