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Heftige Kritik an Merz-Manöver im Bundestag: Habeck spricht von „Erpressungssituation“, Scholz hält Koalition von Union und AfD für möglich
Erneut stimmt der Bundestag am Freitag über Migrationspläne der Union ab, doch diesmal geht es um ein Gesetz. Der Kanzler und sein Vize kündigen wegen möglicher AfD-Zustimmung rot-grünen Widerstand an.
Stand:
Vor der hochumstrittenen Abstimmung am heutigen Freitag im Bundestag über einen Gesetzentwurf der Unionsfraktion zur Eindämmung der Migration haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) betont, dass ihre Parteien den Plänen von Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) nicht zustimmen werden.
Merz habe mit Blick auf den Entwurf für das „Zustrombegrenzungsgesetz“ gesagt, ihm sei egal, wer zustimme, sagte Scholz dem Sender RTL.
„Das ist eine Politik, die nicht auf Konsens und Kooperation ausgerichtet ist, sondern die genau das will, nämlich die Zustimmung der AfD“, sagte Scholz.
„Das ist etwas, was ein Tabubruch ist, mit der AfD zu stimmen, dafür gibt es keinen Grund, und Friedrich Merz hat im Deutschen Bundestag selbst ausführlich dargelegt, warum das nicht passieren soll“, sagte der Kanzler weiter.
„Und wer hat’s gebrochen? Friedrich Merz. Ihm kann man in der Frage, ob er mit der AfD zusammenarbeitet oder nicht, nicht mehr trauen – das ist die bittere Wahrheit für unser Land“, sagte Scholz.
Er hält es auch für möglich, dass die Union schon im Herbst mit der AfD koalieren könnte. „Nach Pro-forma-Koalitionsgesprächen“ mit anderen Parteien könne dies passieren, sagte Scholz im ZEIT-Podcast „Alles gesagt?“. Danach gefragt, wann er dies für denkbar halte, sagte Scholz: „Im Oktober zum Beispiel.“
Er verwies dabei auch auf Österreich, wo die konservative ÖVP zunächst eine Koalition mit der in Teilen rechtsextremen FPÖ ausgeschlossen hat – mittlerweile wird eine gemeinsame Regierung verhandelt.
Zudem griff der Kanzler die aufsehenerregende Mahnung seiner Amtsvorgängerin Angela Merkel vom Donnerstag auf. Die frühere CDU-Vorsitzende, die sich nach ihrem Ausscheiden aus dem Kanzleramt eigentlich nicht zur Tagespolitik äußert, hatte es als „falsch“ bezeichnet, dass am Mittwoch eine Mehrheit für einen Unionsantrag mit AfD-Stimmen ermöglicht worden sei.
Merkel warf Merz überdies vor, damit frühere Zusagen zu brechen. Noch im November habe dieser zugesichert, dass es zu einem solchen Vorgehen nicht komme.
Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz, um dessen Entwurf es am Freitag geht, soll unter anderem den Familiennachzug bei Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus aussetzen.
Habeck wirft Merz „Erpressung“ vor
Auch Vizekanzler Robert Habeck hat eine Zustimmung seiner Grünen-Fraktion zu dem Unionsvorhaben ausgeschlossen. „Nein, das können wir nicht machen, weil die Situation, die hier hergestellt wurde, eine Erpressungssituation ist. Entweder ihr stimmt mit uns, oder ich stimme mit der AfD“, sagte er den Sendern RTL und ntv.
Zwar habe man jüngst gemeinsam mit der Unionsfraktion mehrere Gesetzesvorhaben durchgebracht. „Man kann schon gut miteinander reden, wenn man will“, sagte der Grünen-Politiker.
Mit Blick auf das Manöver von Unionsfraktionschef Merz wiederholte Habeck jedoch: „Er hat in diesem Fall eine Situation hergestellt, die nicht akzeptiert werden kann. Sonst ist die Demokratie erpressbar durch die AfD.“
Dass die Bundeskanzlerin a.D. sich jetzt äußert, ist garantiert kein Zufall. Sie wird beunruhigt sein, wie wir es sind, dass jetzt an der Stelle falsch abgebogen wird
Robert Habeck (Grüne), Vizekanzler und Wirtschaftsminister
Mit Blick auf die Rolle der AfD sagte Habeck in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“, nachdem die Partei nun bereits einmal einem Unionsvorstoß mit anderen zusammen zur Mehrheit verholfen habe, sei es naheliegend, „dass das endlos weitergeht“.
Zudem wies der Wirtschaftsminister die Darstellung der Union und von Merz zurück, sie hätten mit den rot-grünen Regierungsparteien ernsthaft eine Verständigung über den Gesetzentwurf gesucht.
„Ich bin auf ihn zugegangen und habe gesagt: ‚Herr Merz, finden wir einen Weg daraus. Finden wir eine Möglichkeit, dass es nicht zur Abstimmung kommt?‘“, sagte Habeck. Merz habe dies abgelehnt.
Anders als sein Regierungschef äußerte sich der Vizekanzler zudem direkt zur Einmischung von Angela Merkel in die Debatte. „Dass die Bundeskanzlerin a.D., die sich ja lange aus allem rausgehalten hat, sich jetzt äußert, ist garantiert kein Zufall“, erklärte Habeck.
„Sie wird beunruhigt sein, wie wir es sind, dass jetzt an der Stelle falsch abgebogen wird“, sagte er und lobte die CDU-Politikerin: „Deswegen Hut ab, Angela Merkel. Und danke für die Geradlinigkeit und Standhaftigkeit.“
CDU-Generalsekretär Linnemann „ist völlig egal, was AfD macht“
Den Aufruf von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, bei dem Unionsgesetz zur Migration gemeinsam mit der Union vorzugehen, wies Habeck zurück. Die CDU versuche hier, eine Methode nach dem Motto „Friss oder stirb“ anzuwenden, so Habeck.
Unterdessen verteidigte Linnemann das Vorgehen seiner Partei. „Wir stimmen nicht gemeinsam mit der AfD. Mir ist völlig egal, was sie machen“, sagte Linnemann bei „Maybrit Illner“.
Wenn man aus Angst, „dass irgendjemand zustimmen könnte“, nicht nach seiner Überzeugung handele, so Linnemann, „dann ist das kein Parlament mehr, kein demokratisches Parlament“.
Auf die Frage von Habeck, ob sich Merz im Bundestag auch mit AfD-Stimmen zum Kanzler wählen lassen würde, entgegnete Linnemann: „Beim Kanzler wird er eine stabile Mehrheit aus der Mitte haben.“ (cst, dpa, Reuters)
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