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Kanzler Olaf Scholz ist schon ganz im SPD-Wahlkampfmodus – auch in der Regierungsarbeit.

© dpa/Michael Kappeler

Kanzleramt, Kabinett und ihre Gesetzesinitiativen: Schluss mit dem Regierungswahlkampf!

Rot-Grün hat keine Mehrheit mehr und bringt doch Lieblingsprojekte in den Bundestag ein. Statt Wahlkampf zu machen, sollte sich die Regierung auf Aufgaben jenseits von Gesetzesinitiativen konzentrieren.

Christopher Ziedler
Ein Kommentar von Christopher Ziedler

Stand:

Endlich ist der liberale Klotz am Bein weg! Der Kanzler und die Ministerriege von SPD und Grünen scheinen derzeit regelrecht aufzublühen – ohne die FDP, von der nun mit gewissem Recht angenommen werden darf, dass sie sich in der Ampelregierung irgendwann nicht mehr nur als ökonomisch-freiheitliches Korrektiv verstand, sondern die Blockade selbst zum Ziel erkor. Aber das ist vorbei, jetzt lautet das Motto: Lieber zum Schein regieren, als falsch zu regieren.

An diesem Mittwoch tagt wieder das Kabinett. Zwar stehen dieses Mal keine neuen Gesetzentwürfe auf der Tagesordnung, dafür neben der nötigen Verlängerung einiger Bundeswehreinsätze im Ausland mehrere neue Aktionspläne und Strategien, deren Umsetzung vollkommen chancenlos ist. Bekanntlich streiten sich die Fraktionen im Bundestag derzeit darüber, was im kurzen Rest dieser Wahlperiode überhaupt noch an bereits parlamentarisch beratenen Gesetzen beschlossen werden kann. Die rot-grüne Regierung ohne Mehrheit packt aber trotzdem noch immer weitere Dinge obendrauf.

Tariftreue und Mietpreisbremse

Kostprobe gefällig? Vergangene Woche beschloss das Kabinett das Tariftreuegesetz, und nicht nur SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil lobte es als Fortschritt, dass eine Firma, die Aufträge des Bundes will, anständig zahlen muss. Carsten Schneider, Ostbeauftragter im Kanzleramt, bezeichnete das als „gute Nachricht für Ostdeutschland“, da die Tarifbindung dort bisher niedriger liegt als im Westen. Das wäre auch wirklich eine schöne Sache, wenn es denn so käme – tut es aber nicht.

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Der Regierungsentwurf, für den es in der Ampel kein „Ja“ gab und sich auch im koalitionslosen Bundestag keine Mehrheit findet, wird der sogenannten „Diskontinuität“ anheimfallen: Gesetzentwürfe, die in dieser Wahlperiode nicht mehr angenommen werden, spielen in der nächsten keine Rolle mehr. Das weiß auch Wohnungsministerin Klara Geywitz, die im Kabinett noch die Mietpreisbremse verlängern lassen will.

Olaf Scholz ist vorn dabei, wenn es darum geht, die Regierung als Wahlkampfmaschine einzusetzen: Da gibt es die angekündigte Lösung des kommunalen Altschuldenproblems und natürlich jede Menge öffentlicher Aufforderungen an die oppositionelle Union, diesem und jenem Sinnvollen noch zuzustimmen. Kanzleramt und Kabinett werden so zur „Kampa“, wie die legendäre SPD-Wahlkampfzentrale einst genannt wurde.

Vorgegaukelte Handlungsfähigkeit

Es wäre naiv zu glauben, dass sich Partei- und Regierungsarbeit in unserem politischen System vollständig voneinander trennen ließen. Nicht umsonst ist von einem „Amtsbonus“ im Wahlkampf und bei Wahlen die Rede – den Regierenden bieten sich automatisch mehr Anlässe und Gelegenheiten, um politisch initiativ zu werden, als der Opposition. Nur übertreibt es die rot-grüne Minderheitsregierung mit ihrer Flut neuer Gesetzentwürfe auf fast schon groteske Weise.

Statt Bürgerinnen und Bürgern nicht existente Handlungsfähigkeit vorzugaukeln, sollte sie sich in ihrer Restlaufzeit auf ihre exekutiven Aufgaben jenseits von Gesetzesinitiativen konzentrieren. Davon gibt es genug: Militärhilfe für die Ukraine organisieren, sich mit anderen EU-Staaten zur amerikanischen Trump-Administration absprechen oder das eigene Land darauf vorbereiten, dass es locker ein halbes Jahr lang nur eine vorläufige Haushaltsführung geben wird. Und natürlich sollte abseits eigener Lieblingsprojekte auch geschaut werden, was parteiübergreifend noch geht.

Höheres Kindergeld, Abbau der kalten Progression, bessere Konditionen für deutsche Soldaten in Litauen oder niedrigere Netzentgelte für einen industriefreundlicheren Strompreis – all das sind Dinge, für die es Mehrheiten geben könnte. Die Union hat auch Gespräche über sinnvolle Last-Minute-Kooperationen zugesagt, wenn nach dem 16. Dezember das Prozedere hin zu Neuwahlen auch wirklich offiziell eingeleitet ist.

Ginge es Rot-Grün in diesen Fragen wirklich um die Sache, ließe sich das schon diskret vorbereiten. Das Gegenteil ist der Fall: Es wird skandalisiert und an der Wahlkampferzählung vom blockierenden Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz gefeilt. Es wird höchste Zeit, dass mit diesem Regierungswahlkampf endlich Schluss ist.

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