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Kein bisschen Spaß muss sein: Liebe Politiker, die Regierungskrise ist ernst – seid ihr es auch!
Habeck postet ein Gute-Laune-Video, die FDP rächt sich kindisch an Wissing, und Lindner trollt auf X: Im politischen Berlin scheint die Krise noch nicht angekommen zu sein.

Stand:
Die Regierungskoalition: geplatzt. Der Haushalt 2025: ungeklärt. Die Wirtschaft: in der Krise. Die USA: auf Abwegen. Die Demokratie: in Gefahr. Finden Sie auch alles so lustig? Nein? Gut, dann gehen Sie ernsthafter mit der aktuellen Situation um als so manch ein Spitzenpolitiker.
Am Ende einer Woche, die viele Menschen hierzulande verunsichert haben dürfte, stellt sich die Frage: Gehen die Verantwortlichen im politischen Berlin mit der nötigen Ernsthaftigkeit zur Sache? Drei aktuelle Beobachtungen lassen vermuten, dass es nicht so ist.
Nummer eins: Robert Habecks Kanzlerkandidatur. Der Vize-Kanzler und Bundeswirtschaftsminister hat heute offiziell bekanntgegeben, dass er die Grünen als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf führen möchte. Habeck hätte das nüchtern und sachlich angehen können, was der Sache und der allgemeinen Stimmung im Land angemessen gewesen wäre.
Hätte er machen können, hat er aber nicht. Stattdessen meldete er sich gestern – fast sechs Jahre nach seinem Abschied von Twitter und Facebook – auf den Plattformen X und Instagram zurück, um den Hype um die Kandidatur anzuheizen.
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Auf X gab es zunächst ein „Back for good“ („Endgültig zurück“), dann eine recht generisch wirkende Verteidigung des X-Comebacks („Orte wie diesen den Schreihälsen und Populisten zu überlassen ist leicht. Aber es sich leicht zu machen kann nicht die Lösung sein.“) und zum Abschluss ein kryptisches Video mit dem Zusatz: „Von hier an anders.“
Im Video ist zu sehen, wie Habeck ein Textmanuskript redigiert. Im Hintergrund steht ein Kalender, auf dem der 8. November, also der heutige Freitag, rot umrandet ist. Dazu summt er die Melodie des Hits von Herbert Grönemeyer „Zeit, dass sich was dreht“, was dem Musiker offenbar gar nicht gefiel. lIn der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ kam Habeck bei den Fragen nach dem Video aus dem Grinsen nicht mehr heraus.
Schlechte Scherze bei der FDP
Nummer zwei: die FDP-Wut auf Volker Wissing. Am Donnerstagmorgen gab der Bundesverkehrsminister bekannt, womit viele gerechnet hatten. Der 54-Jährige bleibt bis zur geplanten Neuwahl im Amt. Gleichzeitig kündigte er an, aus Protest gegen den Kurs der FDP in der Ampel-Koalition aus der Partei auszutreten. Wissing übernimmt in der rot-grünen Minderheitsregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ab sofort auch das Justizressort.
„Ich möchte keine Belastung für meine Partei sein.“ Daher habe er FDP-Chef Christian Lindner seinen Austritt mitgeteilt. „Ich distanziere mich damit nicht von den Grundwerten meiner Partei und möchte nicht in eine andere Partei eintreten.“ Dies sei eine persönliche Entscheidung, die seiner Vorstellung von Verantwortung gerecht werde. „Ich möchte mir selbst treu bleiben.“
Was bleibt hier unter dem Strich? Doch das: Ein Mann stiehlt sich nicht aus der Verantwortung und tritt dafür sogar aus der Partei aus. Und was macht die FDP? Sie kapert Wissings Webseite und wirbt dort dafür, Mitglied zu werden. Der Frust und die Wut bei den Liberalen müssen tief sitzen.
Die spitzen Finger von Christian Lindner
Beispiel drei: Lindners Auftritte nach dem Ampel-Aus. Ist Ihnen aufgefallen, wie der entlassene Bundesfinanzminister seine von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreichte Entlassungsurkunde bei der Verabschiedung hielt? Mit spitzen Fingern. Glauben Sie nicht? Schauen Sie hier mal ab Minute 1:10 genauer hin. Wer macht so etwas in so einer Situation?
Überhaupt Lindner: Wie ernst können die Deutschen den FDP-Chef nach seinem kalkulierten Ampelbruch noch nehmen? Lindner überraschte gestern mit der Aussage, die FDP als Spitzenkandidat in die Wahl zu führen und kündigte nebenbei an, ins Amt des Bundesfinanzministers zurückkehren zu wollen. „Davor stehen allerdings ein paar Hürden. Und eine heißt erstmal fünf Prozent bei einer nächsten Wahl“, sagte die ZDF-Journalistin Bettina Schausten abends im Gespräch mit dem FDP-Chef. Da war selbst Lindner kurz sprachlos.
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Auf X ist der Mann dagegen um keine Nachricht verlegen. Ein Selfie mit dem französischen Finanzminister Antoine Armand, ein bisschen Trollerei bei Habecks Video: Auf X scheint Lindners Laune hervorragend zu sein, von Krise keine Spur.
Nun müssen Politikerinnen und Politiker nicht grundsätzlich ernst sein, etwas Fröhlichkeit kann helfen, schwere Zeiten zu überstehen. Mit etwas Leichtigkeit durchs Leben gehen: Wer möchte das nicht? Nur sind die aktuellen Zeiten leider nicht leicht. Im Gegenteil: Sie sind schwer und fordern uns heraus. Ein angemessener und vor allem ernsthafter Umgang der Spitzenpolitikerinnen und -politikern mit den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung wäre angemessen. Das kann nicht zu viel verlangt sein.
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