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Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser.

© imago/Metodi Popow / IMAGO/M. Popow

Lehren aus Solingen: Bei diesen sechs Sicherheitsgesetzen kommt die Ampel nicht voran

Mehr als zehn Sicherheitsgesetze hängen zwischen dem Innenministerium und anderen Häusern fest. Mal blockiert die FDP, mal bleibt Faeser hart. Was es nach dem Angriff in Solingen braucht. 

Stand:

Wie will die Bundesregierung nach dem Attentat in Solingen für mehr Sicherheit sorgen? Darüber wird in der Politik seit Samstag diskutiert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte eine Arbeitsgruppe an, die sich mit der Rückführung abgelehnter Asylbewerber, dem Kampf gegen islamistischen Terror und dem Waffenrecht beschäftigen soll. 

Man will außerdem „zeitnah ein Maßnahmenpaket vorlegen“, versprach Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch. Was der Inhalt dieses Pakets sein soll, blieb offen. Bei der Bundesregierung liegen seit Monaten zahlreiche Sicherheitsgesetze in der Schublade. Wir geben einen Überblick, woran es hakt.


BKA-Gesetz

Im August legte Bundesinnenministerin Nancy Faeser ein Entwurf für eine Reform des Gesetzes über das Bundeskriminalamt (BKA) vor. Die SPD-Politikerin will dem BKA die Befugnis geben, künftig heimlich Wohnungen zu durchsuchen und zu betreten, etwa für das Anbringen von Spähsoftware auf Desktops oder Smartphones. Diese Instrumente sollten jedoch nur unter sehr hohen Hürden allein zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden können. Für die FDP gehen die Eingriffsmöglichkeiten einen Schritt zu weit.

Auch die Speicherung von IP-Adressen („Vorratsdatenspeicherung“) – ein Vorhaben, bei dem sich die SPD mit der Union einig wäre – ist mit der FDP nicht zu machen. Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte stattdessen das Quick-Freeze-Verfahren vorgeschlagen.

Hier kann bei Verdacht auf bestimmte schwere Straftaten nach Richterbeschluss die Sicherung noch vorhandener und künftig anfallenden IP-Adressen angeordnet werden. Das ist dem BMI und der SPD-Fraktion im Bundestag zu wenig. Aus Regierungskreisen hört man, dass die Ampelkoalition deshalb in diesem Bereich voraussichtlich keine Fortschritte mehr erzielen wird.

26.08.2024

Bundespolizeigesetz

Laut dem Gesetzentwurf soll die Bundespolizei unter anderem zusätzliche Kompetenzen im Kampf gegen Schleuserkriminalität und zur Abwehr von Drohnen erhalten. Außerdem ist für Beamten der Bundespolizei eine individuelle Kennzeichnungspflicht geplant.

Das Kabinett hatte das Gesetz im Dezember 2023 beschlossen, doch das Polizeigesetz wurde zur Verhandlungsmasse im Koalitionsstreit bei Themen der inneren Sicherheit. Einig sind sich die Grünen mit der SPD. Letztere werfen den Liberalen vor, das Polizeigesetz mit dem Gesetz zum Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Leute) zu vermengen.

Kritik kommt hier auch aus der Opposition. Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion warf Faeser vor, bei der Reform des Bundespolizeigesetzes fehlten Befugnisse wie die Quellen-TKÜ.

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz fordert Konsequenzen nach dem Anschlag von Solingen.

© dpa/Kay Nietfeld

Zugleich ließe das BMI den FDP-Justizminister mit „gefährlichen Ideen zur Beschränkung der Arbeit von V-Leuten gewähren“, sagte Andrea Lindholz dem Tagesspiegel. „Dafür sollen die Bundespolizisten künftig mit einer Kennzeichnungspflicht und der absurden Pflicht zur Ausgabe von Kontrollquittungen gegängelt werden“, sagte die CDU-Politikerin.


Abschiebungen

Grundsätzlich zeigen sowohl die CDU/CSU als auch die FDP Bereitschaft, hier noch einmal nachzuschärfen, auch wenn das Rückführungsgesetz gerade ein halbes Jahr alt ist. Abschiebungen, auch nach Afghanistan und Syrien, dürften kein Tabu mehr sein, auch Leistungsstreichungen für Ausreisepflichtige können sich die Parteien vorstellen. Der Kanzler hieß „praktische Vorschläge“ willkommen, blieb aber vage.

Hier machen allerdings die Grünen dicht. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, warf Friedrich Merz vor, mit seinen Äußerungen zur Asylrechtsverschärfung zu zündeln. Sie forderte stattdessen eine bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden.


Waffengesetz

Mitte August kündigte Innenministerin Faeser zum wiederholten Mal an, sie wolle den Umgang mit Messern im öffentlichen Raum weiter einschränken. Dafür soll das Waffenrecht verschärft werden. In der Öffentlichkeit sollen Messer dann nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Für Haushaltsmesser solle es Ausnahmen geben.

Wir dürfen jetzt nicht in blinden Aktionismus verfallen.

Manuel Höferlin, Innenpolitischer Sprecher der FDP im Bundestag

Die FDP kritisierte Faesers Vorschläge damals als „Symbolpolitik“. Nach Solingen äußerte sich Bundesjustizminister Marco Buschmann und deutet ein Umdenken an. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag hält pauschale Messerverbotszonen weiterhin für wenig zielführend. „Die Länder haben bereits jetzt die Möglichkeit, Verbotszonen auf öffentlichen Plätzen oder Verkehrsmitteln einzurichten. Wir dürfen jetzt nicht in blinden Aktionismus verfallen“, sagte Manuel Höferlin dem Tagesspiegel.


Videoüberwachung

Zur Erhöhung der Sicherheit in Deutschland plädierte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz für mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum. „Ich sehe nicht ein, dass die Polizei auf zufällig gemachte Handyvideos und -fotos der Teilnehmer angewiesen sei“, sagte der Oppositionsführer. Möglicherweise hätte man mit einem Täterprofil und künstlicher Intelligenz das Herankommen des Attentäters von Solingen frühzeitig bemerken können. 

Zustimmung bekommt Merz aus der Sicherheitsbranche – allerdings mit Einschränkungen. „Wir sollten zunächst einmal alle gesetzlichen, technischen Möglichkeiten ausschöpfen. In anderen europäischen Ländern gibt es bei Veranstaltungen Metalldetektoren und mehr Kameras, aber intelligente Videoüberwachung kostet Geld und ist in Deutschland umstritten“, sagte Jonas Timm, Sprecher von Securitas, einem der größten deutschen Unternehmen der Sicherheitswirtschaft.

In anderen EU-Ländern gibt es bei Veranstaltungen Metalldetektoren und mehr Kameras, aber intelligente Videoüberwachung ist in Deutschland umstritten.

Jonas Timm, Sprecher der Sicherheitswirtschaft

Mitte August wurde bekannt, dass das Innenministerium an einem Entwurf arbeitet, der die polizeiliche Gesichtserkennung ausweiten soll. Der Abgleich von Bildmaterial soll dann nicht mehr nur gegen polizeiliche Datenbanken, sondern auch mit Daten aus dem Internet erfolgen. Von der FDP und den Grünen kam jedoch heftige Kritik an dem Vorschlag. Unwahrscheinlich, dass sich in dieser Legislatur noch etwas tut.


Sicherheitsgewerbegesetz

Islamisten, die sich als Sicherheitsdienstmitarbeiter für das Taylor-Swift-Konzert in Wien bewerben und ein BVG-Sicherheitsmann, der an rechtsextremen Demonstrationen teilnimmt – die Sicherheitsbranche wartet nach Jahren der politischen Diskussion dringend auf Regulierung. Zwar hatte das BMI vor über einem Jahr einen Entwurf für ein Gesetz zur Regelung des Sicherheitsgewerbes vorgelegt, seitdem ist nicht viel passiert.

Dabei ist es für Securitas-Sprecher Timm nicht trivial, wer für die privaten Sicherheitsdienstleister die Arbeitskleidung überstreift. „In der Praxis wird besonders bei staatlichen Aufträgen am ehesten an den privaten Sicherheitskräften gespart. Dabei werden die Mitarbeiter in so vielen Bereichen, von den Taschen- und Einlasskontrollen, über Ordnungsdienste bis zur Verkehrsleitung eingesetzt“, sagt der Experte aus der Sicherheitswirtschaft.

„Das Sicherheitsgewerbegesetz sollte für Standards bei Zuverlässigkeit und Qualifizierung sorgen, aber unsere Branche wartet immer noch darauf“, sagt der Sicherheitsdienst-Mitarbeiter.

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