
© REUTERS/Toby Melville
Der Brexit wird wohl wieder verschoben: Johnson trifft Oppositionsführer Corbyn
Nach seiner Niederlage im Unterhaus will Premier Johnson in Brüssel verhandeln. Die EU zeigt sich bereit für eine Fristverlängerung. Der Newsblog zum Nachlesen.
- Benjamin Reuter
- Ragnar Vogt
- Sylvia Lundschien
- Anne Diekhoff
- Julia Hoene
Stand:
Der britische Premierminister Boris Johnson beharrte offiziell auch am Mittwoch darauf, dass Großbritannien die EU am 31. Oktober verlassen solle. Das wäre das Beste, sagte Johnson im Unterhaus. Diese Botschaft übermittelte er auch einem rund zehn Minuten langen Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch ist der Termin nächste Woche praktisch nicht mehr zu halten.
- EU-Ratschef Donald Tusk hat für einen Aufschub bis Ende Januar 2020 geworben, weil die Bestätigung des Austrittsvertrags in Großbritannien vorerst auf Eis liegt.
- Das britische Parlament hat sich am Dienstag zunächst mehrheitlich für das Brexit-Gesetz ausgesprochen, anschließend stimmte es gegen den Zeitplan für das Gesetz.
- Boris Johnson machte seine Drohung nicht wahr, das Gesetz zurückzuziehen und Neuwahlen anzustreben. Stattdessen legte er das Gesetz auf Eis und kündigte Verhandlungen mit der EU an.
- Eigentlich sollte bereits am Samstag über das Brexit-Gesetz abgestimmt werden, doch das hatten die Abgeordneten verschoben. Am Montag sagte dann Parlamentssprecher Bercow eine neue Abstimmung ab.
- Im Live-Blog halten wir Sie über die neuesten Brexit-Entwicklungen auf dem Laufenden:
Der Brexit wird wahrscheinlich abermals verschoben. EU-Ratschef Donald Tusk und Parlamentspräsident David Sassoli warben am Mittwoch für einen Aufschub bis Ende Januar 2020, weil die Bestätigung des Austrittsvertrags in Großbritannien vorerst auf Eis liegt. Darüber müssen die 27 bleibenden EU-Länder einstimmig entscheiden. Irland ist klar für die Fristverlängerung. Als direkter Nachbar des britischen Nordirland ist Irland wie kein anderes EU-Land von den Brexit-Entscheidungen in London betroffen. Auch Deutschland zeigt sich offen. Doch nicht nur Frankreich fordert gute Gründe von London.
"An Deutschland wird die Verlängerung nicht scheitern"
An Deutschland werde eine Verlängerung nicht scheitern, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Nachdem sich EU-Ratspräsident Donald Tusk dafür ausgesprochen habe, wolle dieser jetzt die EU-Mitgliedstaaten konsultieren. „Dieses Verfahren des Konsultierens ist jetzt in vollem Gang. Ich kann sein Ergebnis hier nicht vorwegnehmen“, sagte Seibert.
Heute Nachmittag wollen die 27 bleibenden EU-Staaten über eine Verschiebung des britischen EU-Austritts beraten. Der britische Premierminister Boris Johnson hatte am Dienstag im Unterhaus nach einer Abstimmungsniederlage das Brexit-Verfahren auf Eis gelegt. (AFP)
Bevor die EU eine Entscheidung über eine Brexit-Verlängerung treffen könne, müsse sie wissen, „was die Briten vorhaben und was Johnson vorhat". „Das ist zum heutigen Tage wieder einmal sehr unklar", kritisierte Maas.
Die Möglichkeit von Neuwahlen wollte Maas nicht kommentieren. Großbritannien müsse entscheiden, ob ein neuer Urnengang hilfreich sei oder nicht. Mit Blick auf das Vereinigte Königreich habe er sich aber „ohnehin abgewöhnt zu verstehen, was da alles so geschieht", sagte Maas. (AFP)
Johnson ist bei seinem weiteren Vorgehen im Brexit-Tauziehen in jedem Fall auf fremde Hilfe angewiesen. Sollte er eine Neuwahl ausrufen wollen, benötigt er Stimmen von Labour im Parlament. Corbyn hatte aber bereits am Dienstag auch angeboten, einen Brexit-Zeitplan auszuarbeiten und den von Johnson mit der EU vereinbarten Deal somit ohne Neuwahlen durchs Parlament zu bringen.
Johnson sagte, er finde es bemerkenswert, dass Corbyn das Gesetz im Parlament weiter behandeln wolle, nachdem er am Vortag dagegen gestimmt habe. Es müsse nun endlich der Volkswille berücksichtigt werden: „Lasst uns den Brexit erledigen.“ (dpa)
Tusk will Brexit-Verlängerung
EU-Ratspräsident Donald Tusk will den EU-Mitgliedsstaaten empfehlen, die von Großbritannien erbetene Verlängerung der Brexit-Frist anzunehmen. Dies sollte geschehen, um einen ungeregelten EU-Austritt zu verhindern, erklärte Tusk am Dienstagabend. (Reuters)Wer hat für den Brexit-Deal gestimmt?
EU zeigt sich zurückhaltend
Wie wird die EU reagieren? Wird sie einer kurzfristigen Brexit-Verschiebung zustimmen? Dazu war zunächst nichts aus Brüssel zu erfahren. Eine Sprecherin von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte lediglich auf Twitter, man nehme die Ergebnisse zur Kenntnis und erwarte Informationen von der britischen Regierung über die nächsten Schritte. EU-Ratschef Donald Tusk spreche weiter mit EU-Staats-und Regierungschefs über eine Verlängerung der Brexit-Frist bis 31. Januar, erklärte die Sprecherin.Kurzfristige Verlängerung wäre denkbar
Erste Einschätzung von unserem Brexit-Experten Albrecht Meier: Es hatte sich schon vorher abgezeichnet, dass Johnson mit seinem Eilverfahren größere Probleme im Unterhaus haben würde als mit dem Ratifizierungsgesetz. Es steht nun so gut wie fest, dass die Brexit-Deadline zum 31. Oktober nicht mehr zu schaffen ist. Denkbar ist indes immer noch eine kurzfristige Verlängerung über den 31. Oktober hinaus.Johnson will mit EU verhandeln
Kurz nach der Abstimmungsniederlage hat Boris Johnson angekündigt, dass er mit den EU-Mitgliedern Konsultationen führen wird über das Ergebnis. Er lege das Austrittsgesetz auf Eis, bis er die Intentionen der EU kenne.Zeitplan ist abgelehnt
Der Zeitplan ist abgelehnt worden: 308 Abgeordnete stimmten dafür, 322 dagegenAbstimmung über Zeitplan hat begonnen
Die zweite wichtige Abstimmung hat begonnen: Die über den Zeitplan für das Brexit-Gesetzgebungsverfahren. Johnson will das Gesetz bis Donnerstag durchpauken, das Parlament könnte aber dieses Eilverfahren ablehnen. Sollte das passieren, dann droht Boris Johnson, das Gesetz zurückzuziehen und Neuwahlen anzustreben.Ergebnis überraschend deutlich
Unser Brexit-Experte Albrecht Meier liefert eine erste Einschätzung zum Abstimmungsergebnis: Das Votum für das Ratifizierungsgesetz (in zweiter Lesung) fiel überraschend deutlich aus. Es ist das erste Mal, dass sich das Unterhaus beim Brexit FÜR eine Gesetzgebung im Zusammenhang mit einem Austrittsvertrag ausgesprochen hat. Den Ausschlag für Johnson dürften auch Abgeordnete der oppositionellen Labour-Partei gegeben haben, die Leave-Wahlkreise vertreten.Unterhaus stimmt für Brexit-Gesetz
Die britischen Abgeordneten haben für das Brexit-Gesetz gestimmt: 329 Parlamentarier stimmten dafür, 299 dagegenAbstimmung beginnt gleich
Die Debatte ist vorbei. In den Parlamentssaal strömen wieder die Abgeordneten. Bald dürfte die Abstimmung über die 2. Lesung des Brexit-Gesetzes beginnen.Entscheidend wird sein, wie Johnson gegen 21 Uhr entscheidet
Unser Brexit-Experte Albrecht Meier schickt folgende Einschätzung vor den Abstimmungen: „Es wäre nicht überraschend, wenn Johnson zwar für das Ratifizierungsgesetz (ist ja erst die zweite Lesung) eine Zustimmung erhält, aber gleichzeitig sein Express-Zeitplan niedergestimmt wird. Entscheidend wird sein, wie die Regierung gegen 21 Uhr auf jedwedes Abstimmungsergebnis reagiert.“Labour will mit Tories einen eigenen Zeitplan beschließen
In einem unüblichen Schritt hat die oppositionelle Labour-Fraktionsführung der Tory-Fraktionsführung angeboten, gemeinsam einen Zeitplan für die Brexit-Gesetzgebung auszuarbeiten. Damit will Labour das straffe Zeitplan-Vorhaben der Regierung umgehen.Prognose: Mehrheit von drei Stimmen wird Zeitplan ablehnen
Die „Financial Times“ hat eine Analyse veröffentlicht, wie die Abgeordneten nach ihrer Einschätzung abstimmen werden. Bei der Abstimmung über die zweite Lesung des Brexit-Gesetzes wird es demnach eine knappe Mehrheit dafür geben.Nicht alle wissen schon, wie sie stimmen werden
Ein unabhängiger Konservativer ist wohl noch unentschieden, ob er dem Zeitplan zum Brexit-Gesetz zustimmen will.Europaparlament beschließt Vorkehrungen für harten Brexit
Das Europaparlament hat für den Fall eines Austritt Großbritanniens ohne Abkommen aus der EU mehrere Maßnahmen zur Hilfe davon betroffener Bürger gebilligt. Die Abgeordneten stimmten mit großer Mehrheit dafür, dass beispielsweise britische Wissenschaftler, Studenten und Landwirte weiterhin EU-Gelder erhalten können, sollte es zu einem No-Deal-Brexit kommen. Ein bisheriger Entwurf für eine entsprechende Regulierung wurde damit bis Ende 2020 verlängert. Die Maßnahme umfasst Programme wie Horizon 2020, Erasmus sowie Agrar- und Regionalprogramme. Voraussetzung ist jedoch, dass das Vereinigte Königreich weiterhin seine Beiträge bezahlt und die erforderlichen Kontrollen akzeptiert.Die Abgeordneten stimmten zudem dafür, vereinfachte Fanggenehmigungen für britische und EU-Fischereiboote bis Ende 2020 zu verlängern, sollte Großbritannien ohne eine Einigung mit der EU austreten. Auch Arbeitnehmer und Selbstständige, die von einem No-Deal-Brexit getroffen werden, sollen einem Entschluss des EU-Parlaments nach Unterstützung erhalten. Die Abgeordneten billigten eine Änderung des EU-Globalisierungsfonds EGF - Gelder aus diesem können nun auch Menschen zu Gute kommen, die durch einen ungeregelten Brexit ihre Arbeit oder Aufträge verlieren.
Die EGF-Ausweitung muss formal noch vom EU-Rat abgesegnet werden und dann im EU-Amtsblatt erscheinen. Alle Änderungen sollen dann ab dem Tag nach einem No-Deal-Brexit gültig sein. (dpa)
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