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US-Vizepräsidentin Kamala Harris vor ihrem Abflug nach Polen.

© SAUL LOEB/AFP

Update

Bewährungsprobe für Kamala Harris: Mitten in der Konfliktzone

Polen und die USA streiten über die Lieferung von MIG-Flugzeugen an die Ukraine – nun reist US-Vizepräsidentin Kamala Harris nach Europa.

Wenn US-Vizepräsidentin Kamala Harris in Warschau aus dem Regierungsflieger steigt, betritt sie heikles diplomatisches Terrain. Ihre Aufgabe im Auftrag von Präsident Joe Biden ist ohnehin schon von großer Bedeutung: Sie soll den Zusammenhalt der Nato-Partner stärken, hierbei vor allem den besorgten osteuropäischen Staaten den Rückhalt der Supermacht Amerika zusichern, und sie soll verdeutlichen, dass die USA jene Länder unterstützen, die den Großteil der aus der Ukraine Flüchtenden aufnehmen. Dafür besucht sie an diesem Donnerstag erst Polen und dann Rumänien am Freitag.

Enorm aufgeladen wurde Harris’ wichtige Mission nun durch Polens überraschenden Vorschlag, die von Kiew dringend erbetenen MIG-29-Kampfjets nicht direkt in die Ukraine zu liefern, sondern erstmal auf dem US-Stützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein zwischenzuparken und den Rest den Amerikanern zu überlassen. Washington wies diese Idee am Dienstag eher brüsk zurück.

Die USA reagierten brüsk auf den Vorstoß aus Polen

Pentagon-Sprecher John Kirby sprach dem Vorschlag die Rationalität ab und erklärte, er glaube nicht, dass dieser „haltbar“ sei. Die Vorstellung, dass Kampfflieger, die dem US-Militär übergeben worden seien, im Krieg mit Russland von einem US- beziehungsweise Nato-Stützpunkt in Deutschland in den umkämpften ukrainischen Luftraum flögen, werfe „ernsthafte Bedenken für das gesamte Nato-Bündnis auf“.

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Die Geheimdienste seien zu der Einschätzung gekommen, dass der russische Präsident Wladimir Putin die Verlegung von Kampfflugzeugen als Eskalationsschritt missverstehen könnte, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Die USA erteilten damit auch dem Vorschlag Polens eine Absage. Dahinter steckt die Sorge, dass die USA beziehungsweise die Nato plötzlich als aktiver Kriegsteilnehmer gelten. Für diesen Fall hat der russische Präsident Wladimir Putin mit noch nie dagewesenen Konsequenzen gedroht.

Die USA, Deutschland und weitere Nato-Verbündete unterstützen die Ukraine mit der Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung. Polen will die Jets nicht selbst direkt liefern – um zu vermeiden, in Putins Visier zu geraten, wenn es die MiGs von polnischen Stützpunkten in die Ukraine fliegen lässt. Putin hat angedroht, Flugplätze anzugreifen, von denen Waffen in die Ukraine geliefert werden.

Die Angst vor einem Weltkrieg

Polens Premierminister Mateusz Morawiecki forderte am Mittwoch bei einem Besuch in Wien: Die Lieferung „muss eine Entscheidung der ganzen Nato“ sein – so will er den kollektiven Rückhalt sicherstellen. Österreichs Kanzler Karl Nehammer wiederum mahnte: „Das umsichtige Vorgehen der Nato-Staaten und auch der Vereinigten Staaten von Amerika verhindert gerade einen Weltkrieg.“

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Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt den polnischen Vorschlag ab. Deutschland und die westlichen Staaten hätten eine ganze Reihe an Waffen geliefert, sagte er nach einem Treffen mit Kanadas Premier Justin Trudeau in Berlin. „Dazu gehören ganz sicher keine Kampfflugzeuge.“ Deutschland hatte die betreffenden Jets einst an Polen abgegeben, sie stammen noch aus sowjetischer Produktion und können von ukrainischen Piloten ohne Schulung direkt eingesetzt werden. Trudeau, der Harris in Warschau treffen wird, betonte: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zur Eskalation beitragen.“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die westlichen Staaten trotzdem zur Lieferung der Jets auf. „Treffen Sie so schnell wie möglich eine Entscheidung, schicken Sie uns Flugzeuge“, sagte er in einem im Onlinedienst Telegram veröffentlichten Video. Der Vorschlag der polnischen Regierung müsse „sofort bearbeitet“ werden.

Ob Kamala Harris diesen Konflikt lösen kann? In Amerika wird dies genau beobachtet werden – immerhin gilt die Vizepräsidentin als Bidens mögliche Nachfolgerin.

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