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Grenzübergang von Ahlbeck nach Swinemünde in Polen auf der Ostsee-Insel Usedom (Symbolbild).

© dpa/Stefan Sauer

Update

FDP warnt vor Blockade bei Zurückweisungen: Grünen-Politikerin plädiert im Migrationsstreit für Grenzpatrouillen mit Nachbarländern

Als Alternative zu Zurückweisungen regt Irene Mihalic eine internationale Lösung an. Zugleich bekräftigt sie das Nein der Grünen zum Unions-Vorschlag. FDP-Vize Kubicki wirft ihr einen rechtlichen Irrtum vor.

Stand:

Statt Zurückweisungen haben die Grünen gemeinsame Grenzpatrouillen Deutschlands mit Nachbarländern vorgeschlagen, um die Zahl einreisender Flüchtlinge zu begrenzen. „Was wir uns vorstellen können, sind gemeinsame Grenzpatrouillen mit unseren Nachbarländern“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, der „Rheinischen Post“.

„Das ist eine Maßnahme, die geeignet ist, real zu einer Verringerung der Zuwanderung zu führen, aber auf dem Boden des Rechtsstaats“, sagte Mihalic. „Wir hatten sehr konstruktive Gespräche mit der Union, in denen wir unsere Position und Rechtsauffassung auch dargestellt haben“, sagte sie zum Treffen der Ampel-Regierung mit Unionsvertretern am Dienstag in Berlin.

Die Grünen seien „offen für Vorschläge, die auf dem Boden des Grundgesetzes und des EU-Rechts stehen“, bekräftigte Mihalic. „Alle Vorschläge zur Zurückweisung, die mir bisher bekannt sind, erfüllen diese Anforderung jedoch nicht.“

Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic nach dem Migrationsgipfel der Ampel-Regierung mit Unionsvertretern am Dienstag in Berlin.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler

Damit bekräftigte Mihalic ihre Aussagen vom Vortag. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe erklärte sie: „Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze sind nach Europa-Recht nicht zulässig, da hier die Dublin-Verordnung anwendbar ist und im Rahmen des Asylverfahrens der zuständige Mitgliedstaat bestimmt werden muss.“ Es sei praktisch unmöglich, dies an der Grenze durchzuführen“.

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FDP warnt Grüne vor Blockade bei Zurückweisungen

Die FDP indes kritisierte die Haltung des Koalitionspartners. „Die Grünen irren, wenn sie erklären, dass Zurückweisungen an der Grenze rechtlich nicht möglich sind“, sagte Parteivize Wolfgang Kubicki der „Rheinischen Post“.

„Die Grünen dürfen hier nicht blockieren“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der „Bild“. „Wer konstruktive Lösungen bei diesem Thema blockiert, gefährdet die Sicherheit des Landes und ist letztlich nicht regierungsfähig.“

Union sieht Zurückweisungen von deutschem Recht gedeckt

Der Parlamentarische Geschäftsführer von CDU/CSU, Thorsten Frei, hatte zuvor argumentiert, dass Zurückweisungen direkt an der Grenze mit geltendem Recht vereinbar seien. Es gebe „keine Rechtsprechung, die dagegen spricht“, sagte der am Mittwoch in einem Podcast des Nachrichtenportals „Politico“. „Das entspricht dem deutschen Recht.“

Wir müssen die grundlegende Frage klären, ob sich die Bundesregierung durchringen kann, diesen Beitrag zu einer drastischen Reduktion der Migration nach Deutschland zu schaffen.

Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer von CDU/CSU im Bundestag

Frei nahm die Regierung in diesem Punkt in die Pflicht. „Wir müssen die grundlegende Frage klären, ob sich die Bundesregierung durchringen kann, diesen Beitrag zu einer drastischen Reduktion der Migration nach Deutschland zu schaffen“, sagte er.

Unions-Politikerin sieht „Offenheit“ bezüglich Zurückweisung bei der Ampel

CSU-Innenexpertin Andrea Lindholz sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, sie habe „die Offenheit, was das Thema Grenzkontrollen und Zurückweisung angeht, gestern bei einigen Teilnehmern sehr positiv verspürt“.

Es gebe hier „eine große Offenheit“, allerdings „vielleicht nicht bei allen gleichermaßen“, sagte Lindholz. „Deswegen muss die Regierung sich erst mal einig sein, welchen Weg sie beschreiten will.“ Die Gespräche würden nur weitergehen, „wenn die ‚Ampel‘ sich intern klar ist, was sie will“.

Auch Frei urteilte, in der Runde am Dienstag habe es „gute Gespräche“ gegeben. „Aber am Ende des Tages ist für uns entscheidend, dass wir wirklich eine nachhaltige, eine eklatante Verkleinerung der Migration nach Deutschland erreichen“, unterstrich er in dem „Politico“-Podcast.

Pro Asyl kritisiert Unions-Forderung als europarechtswidrig

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hatte die direkte Zurückweisung von Migranten an der deutschen Grenze am Dienstag als europarechtswidrig eingestuft. Deutschland müsse in solchen Fällen „den für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat“ herausfinden – dies könne nicht die Bundespolizei an der Grenze tun, sondern nur das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, erklärte Pro Asyl.

Frei hatte in dieser Sache bereits vor dem Migrationsgipfel auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verwiesen. Dieser sichert den EU-Mitgliedsstaaten die Zuständigkeit „für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit“ zu.

Auch von SPD hagelt es Kritik an CDU-Forderung

SPD-Chef Lars Klingbeil kritisiert die Union dafür, dass sie Zurückweisungen von Migranten an eine Fortsetzung der Beratungen mit Bund und Ländern über Migration knüpft. „Wir haben ein Sicherheitspaket in der Ampel jetzt auf den Weg gebracht, und jetzt gibt es Forderungen der Union, und wir prüfen, ob das zusammenpasst“, sagte Klingbeil im „Frühstart“ von RTL und ntv. „Aber wir sollten diese Verhandlungen jetzt auch nicht von außen mit irgendwelchen Forderungen überlagern, mit Ultimaten überlagern.“

Nach Ansicht von Klingbeil wäre es ein starkes Signal, wenn in der Migrationspolitik ein Kompromiss erzielt werden könnte. Wenn Einzelne jetzt anfingen zu sagen „wenn nicht das passiert, dann sind wir raus“, dann überlagere das diese Gespräche. „Und das wäre nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger“, warnte der Politiker.

Nationaler Notstand „noch nie gerichtlich bestätigt“

Mihalic entgegnete, das Berufen auf diesen Artikel sei „abwegig“. „Der nationale Notstand hat nach der Rechtsprechung des EuGHs sehr enge Grenzen und wurde noch nie gerichtlich bestätigt.“

Rechtlich möglich wäre nach Mihalics Worten nur die Änderung europäischer Gesetze wie der Dublin-Verordnung. Nach den Dublin-Regeln ist normalerweise jenes Land für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein Migrant in Europa angekommen ist.

„Auch wenn die EU-Regelungen nicht zufriedenstellend funktionieren, sind sie immer besser für Deutschland als nationale Alleingänge“, sagte Mihalic.

Vertreter der Ampel-Koalition, der Union und der Länder hatten am Dienstag in Berlin in vertraulichen Gesprächen über die Migrationspolitik beraten. Die Union machte im Anschluss weitere Treffen von einer Zustimmung zu ihrer Forderung nach Zurückweisungen von Migranten an der deutschen Grenze abhängig. (epd, dpa/AFP)

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