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„Nur verhandelte Zweistaatenlösung bringt Frieden“: Bundesregierung hält Anerkennung Palästinas aktuell für falsch
Frankreichs Präsident Macron will im September die Anerkennung Palästinas als Staat verkünden. Die Bundesregierung nimmt dabei aber eine andere Haltung ein.
Stand:
Anders als Frankreich wird Deutschland Palästina nicht kurzfristig als Staat anerkennen. Die Bundesregierung sehe die Anerkennung stattdessen „als einen der abschließenden Schritte“ auf dem Weg zu einer Zweistaatenlösung zwischen Israel und den Palästinensern, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius in Berlin. „Die Bundesregierung hält an der Überzeugung fest, dass nur eine verhandelte Zweistaatenlösung dauerhaft Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser bringen wird.“
„Jetzt steht für die Bundesregierung im Vordergrund, überfällige Fortschritte zu den dringendsten Fragen zu erreichen“, sagte Kornelius. Dazu zählte er einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg, die Freilassung der israelischen Geiseln durch die palästinensische Hamas und die Entwaffnung der Hamas.
Kritik an „katastrophaler humanitärer Lage in Gaza“
Der Regierungssprecher forderte Israel erneut auf, „die katastrophale humanitäre Lage in Gaza sofort und drastisch“ zu verbessern. „Sie muss der leidenden Zivilbevölkerung menschenwürdige, dringend notwendige Versorgung zukommen lassen.“
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Zudem sei eine tragfähige politische Perspektive für Gaza notwendig, damit aus einem befristeten Waffenstillstand ein dauerhafter Frieden werden könne. Israel dürfe auch „keine weiteren Schritte hin zu einer Annexion des Westjordanlandes“ unternehmen.
Bundesregierung bereit, den Druck auf Israel zu erhöhen
Hierzu stehe die Bundesregierung in ständigem Austausch mit der Regierung Israels und den internationalen Partnern. „Sie ist bereit, den Druck zu erhöhen, wenn Fortschritte ausbleiben“, sagte Kornelius. Um welche Maßnahmen es sich dabei handeln könnte, ließ er offen. Die Bundesregierung werde ihre Hilfe zur Schaffung der Voraussetzungen palästinensischer Staatlichkeit fortsetzen, sagte Kornelius. Dazu gehöre die Unterstützung der Autonomiebehörde.
Außenminister bekräftigt deutsche Position
Bundesaußenminister Johann Wadephul bekräftigte die deutsche Haltung. Es gehöre zur Politik der Bundesregierung, „dass wir konkrete Schritte unternehmen und Maßnahmen ergreifen, um den Staatsbildungsprozess Palästinas zu fördern“, sagte der CDU-Politiker am Freitag dem ARD-Hauptstadtstudio. Dazu gehöre für Deutschland ebenso wie für Frankreich auch „die Anerkennung eines palästinensischen Staates – wir sehen das aber eher am Ende dieses Prozesses“.
Zugleich kündigte Wadephul eine härtere Gangart im Umgang mit Israel mit Blick auf die Lage in Gaza an. Es sei die Haltung der Bundesregierung, „dass die humanitäre Situation im Gaza-Streifen für uns völlig inakzeptabel ist und dass natürlich Israel eine zentrale Verantwortung dafür hat, dass diese humanitäre Hilfe zu den Menschen gelangt“.
Wadephul deutete dabei auch Konsequenzen für da EU-Assoziierungsabkommen mit Israel an. Deutschland wolle daran festhalten und habe sich bisher dafür eingesetzt, dass dieses Abkommen wichtig sei. „Aber Israel muss auch wissen, dass das auch eine Verpflichtung für seine Seite ist“, sagte der Minister. Bisher habe Israel Vereinbarungen mit der EU zur humanitären Hilfe „nur sehr unzureichend umgesetzt“. Dies müsse sich ändern, sonst werde die EU für das Assoziierungsabkommen „keine hinreichende Unterstützung mehr sehen“.
Für Frankreichs Schritt äußerte Wadephul ausdrücklich Verständnis. „Frankreich sieht die große Gefahr, dass ein palästinensischer Staat unmöglich wird durch einseitige Schritte Israels“, sagte der Bundesaußenminister. „Diese Sorge teilen wir.“ Einen Unterschied zwischen beiden Ländern gebe es nur in „der Verfahrensweise“, was er „nicht für problematisch“ halte.
Israel müsste dann Palästina anerkennen und Palästina Israel.
Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU)
Zur Begründung der deutschen Position sagte Wadephul zudem, die Bundesregierung sehe die Frage der Anerkennung als „einen gegenseitigen Prozess an“. Dies bedeute für ihn: „Israel müsste dann Palästina anerkennen und Palästina Israel“. Dies sei jedoch ein kompliziertes Vorhaben im Rahmen der angestrebten Zweistaatenlösung.
Deutsche Anerkennung Palästinas laut SPD-Fraktion „verfrüht“
Aus der SPD-Fraktion im Bundestag heißt es zu einer Anerkennung Palästinas: „Eine heutige Anerkennung würde (...) an der schrecklichen Situation in Gaza zunächst nichts ändern“, erklärte die stellvertretende Bundestags-Fraktionschefin Siemtje Möller am Freitag. „Sie wäre auch verfrüht mit Blick auf die Entwicklungen in den palästinensischen Gebieten.“ Gleichwohl dürfe eine Anerkennung „kein Tabu“ sein.
Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Möller sieht eine Zwei-Staaten-Lösung als Ziel. „Der Siedlungsbau im Westjordanland und die Vertreibungspläne in Gaza müssen unverzüglich gestoppt werden“, erklärte sie. „Mit ihrer aktuellen Politik isoliert sich die israelische Regierung international immer weiter.“ In Gaza brauche es „ein Ende der Terrorherrschaft der Hamas, die nicht nur Israel bekämpft, sondern auch die eigene Bevölkerung drangsaliert und ihr Elend mutwillig in Kauf nimmt.“
Aus der SPD waren zuletzt erneut ein Stopp der deutschen Rüstungsexporte nach Israel und ein Einfrieren des EU-Assoziierungsabkommen mit Israel gefordert worden.
Die SPD-Bundestagsfraktion hatte in dieser Woche einen schärferen Nahost-Kurs der Bundesregierung gefordert. Sie rief die Regierung auf, eine Erklärung von 28 Staaten und der EU-Kommission zum sofortigen Ende des Krieges im Gazastreifen ebenfalls zu unterzeichnen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) lehnte dies ab, sah aber die Koalition durch die SPD-Forderung nicht beschädigt.
Linke begrüßt Frankreichs Ankündigung
Die Linkspartei begrüßte die durch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron angekündigte Anerkennung eines eigenständigen Palästinenserstaats und forderte die Bundesregierung auf, „dem Schritt Frankreichs sofort folgen und auch Palästina als souveränen Staat anerkennen“, sagte Linken-Chef Jan van Aken der Nachrichtenagentur AFP am Freitag.
Einen dauerhaften Frieden in Nahost könne es nur „mit einer echten Zweistaatenlösung“ geben, betonte van Aken. „Das bedeutet die Anerkennung der Souveränität von beiden Staaten: Israel und Palästina.“ Der Linken-Chef forderte die Bundesregierung auch auf, Frankreich gegen Kritik zu verteidigen. „Frankreich wird nun von den USA und Israel massiv angegriffen“, sagte er. „Deutschland darf Frankreich jetzt nicht allein lassen, sondern muss ein klares Zeichen setzen.“ (dpa/Reuters/AFP)
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