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Offener Brief: Grünen-Basis fordert Ablehnung des Sicherheitspakets
Am Freitag wird im Bundestag über das Sicherheitspaket der Ampel abgestimmt. Hunderte Grünen-Mitglieder stören sich an Menschenrechtsverletzungen und rufen zur Blockade auf.
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Kurz vor der Verabschiedung des sogenannten Sicherheitspaketes im Bundestag regt sich Widerstand an der Basis der Grünen-Partei. Mit dem Gesetz will die Ampel-Regierung auf die islamistische Terrorattacken in Mannhein und Solingen reagieren und unter anderem das Waffenrecht verschärfen, mehr Befugnisse für Ermittler ermöglichen und strengere Regeln für Asylbewerber durchsetzen.
Doch wenige Stunden vor der zweiten und finalen dritten Lesung im Bundestag haben mehrere hundert Grünen-Mitglieder einen offenen Brief an die Abgeordneten der Grünen Bundestagsfraktion geschrieben. Darin appellieren sie: „Stimmt gegen das sogenannte Sicherheitspaket!“
Die Unterzeichner befürchten, dass das Sicherheitspaket die Grund- und Menschenrechte verletzen würde. Konkret kritisieren sie den Ampel-Plan, dass ausreisepflichtige Geflüchtete, für deren Asylverfahren ein anderes EU-Land zuständig ist, die Leistungen stark reduziert werden sollen. „Wenn ihr dem zustimmt, setzt ihr Menschen auf die Straße, die nicht selten an ihrer Ausreise gar nicht selbst mitwirken können, weil ihnen das Geld für eine Ausreise fehlt oder die Überstellung staatlich organisiert wird“, heißt es in dem Brief.
Zudem werfen die Initiatoren des Briefes der Ampel-Koalition vor, mit ihrem Gesetz die Genfer Flüchtlingskonvention mehrfach zu brechen. So sei die geplante Umkehr der Beweislast auf den Asylbewerber im Widerrufsverfahren gegen Asylentscheidungen nicht mit der Konvention vereinbar.
Auch am Datenschutz und der Ausweitung digitaler Befugnisse für die Ermittlungsbehörden stören sich die Grünen-Mitglieder massiv: Das Sicherheitspaket „wird Deutschland in einen Überwachungsstaat verwandeln, der für Millionen Menschen alles andere als sicher ist“, heißt es in dem Brief, der innerhalb weniger Stunden mehr als 400 Unterschriften sammelte.
Konkret befürchten die Untersützer des Briefes, die neue „Mega-Datenbank“ des Bundeskriminalamts könne ohne spezifische Zweckbindung zur Fahndung genutzt werden. „Zudem wird die biometrische Fahndung, also Gesichtserkennung und Fotofahndung, für „besonders schwere Straftaten“ erlaubt“, heißt es weiter. Dazu zähle – neben Mord oder Vergewaltigung – auch das „Einschleusen von Ausländern“.
Bei SPD, Grünen und FDP gibt es Kritik
Initiiert haben den Brief unter anderem die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Migration & Flucht, Svenja Borgschulte sowie der Enad Altaweel, der dem Landesvorstand der Berliner Grünen anghört. Unter den Unterstützern finden sich bereits einige prominente Grüne, wie der frührere Grüne-Jugend-Chef Timon Dzienus sowie der desingierte nächste Sprecher der unabhängigen Jugendorganisation, Jakob Blasel.
Auch die frühere Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, der innenpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Vasili Franco, und die scheidende Bundestagsabgeordnete Canan Bayram haben den Brief unterschrieben.
Das Sicherheitspaket ist auch innerhalb der Grünen-Fraktion nicht unumstritten. Dass das Gesetz in seiner finalen Fassung erst am Montagabend vorlag, hat viele Abgeordnete verärgert. In der Fraktionssitzung am Dienstag gab es Tagesspiegel-Informationen zufolge keine Probeabstimmung, jedoch zahlreiche kritische Wortmeldungen. 15 bis 20 Gegenstimmen scheinen denkbar. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, rechnet jedoch damit, dass „die übergroße Mehrheit der Fraktion“ am Freitag dem Paket zustimmen wird.
Das Risiko, dass am Freitag im Zweifel ausversehen die Koalition bricht, scheint zu hoch.
Ein Mitglied der Grünen-Fraktion sieht die Ampel-Mehrheit bedroht.
Auch in den anderen Regierungsfraktionen gibt es Kritik an dem Vorhaben. In der SPD-Fraktion stimmten in einer Probeabstimmung etwa 20 bis 25 Abgeordnete gegen das geplante Gesetz. In der Sitzung ermahnte Kanzler Olaf Scholz (SPD) die eigenen Abgeordneten, dass er notfalls „von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen“ würde. Anschließend wies SPD-Generalsekretär Matthias Miersch die Deutung zurück, dass Scholz damit die Vertrauensfrage gestellt habe.
Doch in der Ampel sorgt man sich inzwischen um die eigene Mehrheit, denn auch bei der FDP gibt es Bedenken beim Waffenrecht und dem Datenschutz. 47 Stimmen Mehrheit hat die Koalition eigentlich, doch ob die steht?
„Das Risiko, dass am Freitag im Zweifel ausversehen die Koalition bricht, scheint zu hoch. Warum zieht Scholz das durch?“, fragt sich ein Mitglied der Grünen-Fraktion und ergänzt: „Er sollte das Sicherheitspaket von sich aus zurück ziehen.“
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