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„Scholz hat leider gezeigt, dass er keine Kraft hat“: Lindner wirft Kanzler „kalkulierten Koalitionsbruch“ vor – SPD und Grüne widersprechen
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Christian Lindner als Finanzminister entlassen. Damit ist das vorzeitige Ende der Ampel besiegelt. Die Reaktionen aus SPD, Grünen und FDP sowie der Opposition.
Stand:
Monatelang stand der Fortbestand der Ampel auf der Kippe. Am Mittwochabend hat die bisher erste Koalition aus SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene nach drei Jahren Regierungszeit ihr vorzeitiges Ende gefunden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den FDP-Parteichef Christian Lindner als Finanzminister entlassen. Zuvor soll Lindner Scholz Neuwahlen vorgeschlagen haben. Dies habe der Kanzler allerdings abgelehnt.
„Olaf Scholz hat leider gezeigt, dass er keine Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen“, sagte Lindner am Mittwochabend auf der Fraktionsebene im Deutschen Bundestag. Der scheidende Finanzminister warf dem Kanzler vor, es sei ihm „um einen kalkulierten Bruch der Koalition“ gegangen. Die FDP will nun alle ihre Minister aus der Ampel-Regierung abziehen, kündigte Fraktionschef Christian Dürr nach der einer Sitzung der Liberalen an.
Die Grünen wollen nach dem Ampel-Bruch zunächst Teil einer Minderheitsregierung mit der SPD bleiben. „Vor SPD und Grünen, die zusammen 25 Prozent haben, müssen wir uns nicht fürchten“, sagte der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki dem Tagesspiegel. Das sei Realsatire. „Immer noch dieselbe falsche Haltung, von der sie denken, dass sie dafür geliebt werden“, so der Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Dem Bundeskanzler warf er vor, sich als Helmut Schmidt zu inszenieren. „Nur hat er nicht das Format“, sagte Kubicki.
Habeck und Lauterbach sehen Verantwortung bei FDP
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) widersprach der Darstellung Lindners. Vor dem Kanzleramt sagte der Wirtschaftsminister, man habe die Lücke im Haushalt nicht schließen können. „Die FDP war nicht bereit, diese Wege zu gehen“, so Habeck. Die Entlassung Lindners bezeichnete der Grünen-Politiker als folgerichtig sowie unnötig.
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Auch in der SPD gab man Lindner die Schuld für den Bruch der Ampel. „Wenn Christian Lindner gewollt hätte, wäre es gegangen“, schrieb Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Mittwochabend auf X. SPD und Grünen seien bereit gewesen, die Krise zu meistern. „Wir scheitern an einem FDP-Ideenpapier, Spiegelstrichen und der mangelnden Bereitschaft, den Haushalt dem Krieg in der Ukraine anzupassen“, so Lauterbach weiter.
Der SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich warf Lindner zudem vor, mit dem Durchstechen der Neuwahlforderung an die Medien „einen schwerwiegenden Vertrauensbruch und eine grobe Indiskretion“ begangen zu haben. Scholz habe daraufhin keine andere Wahl gehabt als Lindner zu entlassen.
„Offenbar konnte Lindner es nicht ertragen, dass die mediale Aufmerksamkeit heute mal einem anderen Mann mit Geltungsdrang galt“, schrieb der Grünen-Politiker Michael Bloss auf X. Der Abgeordnete des EU-Parlaments warf Lindner vor, die Demokratie für die eigene Selbstdarstellung geopfert zu haben.
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Union fordert Neuwahlen im Januar – AfD spricht von „Befreiung“
„Diese Trümmer-Ampel hat fertig“, schrieb der CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Ziemiak auf X. Der Generalsekretär der CDU in Nordrhein-Westfalen sprach sich für rasche Neuwahlen aus. Doch wenn der Bundeskanzler wie am Mittwochabend angekündigt im Januar die Vertrauensfrage stellen würde, könnten diese nach Aussage von Scholz erst im März stattfinden. „Warum mutet er dem Land diese lange Zeit überhaupt zu? Klarheit könnte der Kanzler auch schneller haben“, schrieb die wirtschaftspolitische Sprecherin der Union, Julia Klöckner, auf X.
Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich für zügige Neuwahlen aus. „Die Vertrauensfrage muss sofort und nicht erst im nächsten Jahr gestellt werden“, schrieb Söder auf X. So könnten Neuwahlen noch im Januar stattfinden.
Neben der Union kritisierte auch die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht Scholz’ Zeitplan, die Vertrauensfrage im Bundestag erst am 15. Januar zu stellen. Gegenüber dem T-Online sprach die ehemalige Linken-Politikerin von „politische Insolvenzverschleppung“.
Die Co-Vorsitzende der zweitgrößten Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag begrüßte das vorzeitige Aus der Ampelregierung ebenfalls. Auf X sprach Alice Weidel von einer „Befreiung für unser Land“. Die AfD-Politikerin warf den Regierenden vor, Deutschland wirtschaftlich an den Abgrund geführt zu haben.
Seit Montag hatten sich Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner (FDP) mehrere Male im Kanzleramt getroffen, um Streitpunkte etwa zum Haushalt oder der Wirtschaftspolitik auszuräumen. Auch heute es soll es zwei Treffen gegeben haben. Sie galten schon vorab als der vielleicht letzte Versuch, eine Einigung im Koalitionsstreit zu erzielen. (kch, cas)
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