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Unbeliebt, unbeliebter - Steinbrück.

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Update

„Politbarometer“: SPD stützt abgestürzten Steinbrück - Rekordhoch für Union

Statt vorwärts mit Peer Steinbrück geht es für die SPD gerade eher rückwärts. Neue Umfragezahlen sind desaströs. Doch die SPD hält zu ihm, sie will mit Themen wie einer Mietpreisbremse wieder nach vorn kommen. Und sie erinnert an den Zustand der schwarz-gelben Koalition.

Berlin (dpa) - Peer Steinbrück ist in der Wählergunst nach den jüngsten Negativschlagzeilen abgestürzt, doch die SPD steht fest zu ihrem Kanzlerkandidaten. „Die Bundestagswahlen sind noch eine Weile hin“, sagte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier am Freitag zum Abschluss einer dreitägigen Fraktionsklausur. Zugleich mahnte er: „Die Aufgabe ist jetzt, nach vorne hin die Präsentation der SPD deutlich zu verbessern“. Im neuen ZDF-Politbarometer fällt Steinbrück im direkten Vergleich mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf 25 Prozent - Merkel legt im Gegenzug 11 Punkte auf 65 Prozent zu. Die Union kommt in der Umfrage mit 42 Prozent auf den höchsten Wert seit fünf Jahren, während die SPD einen Punkt auf nur noch 28 Prozent verliert. Für Rot-Grün würde es damit weiterhin nicht reichen. Dennoch versicherten auch die Grünen, sie stünden zur SPD und zu Steinbrück. Dieser betonte in der „Bild“-Zeitung: „Wir sind noch nicht im heißen Wahlkampfmodus. Umfrageergebnisse sind keine Wahlergebnisse.“ Die Wähler erreiche man vor allem durch Themen. „Das habe ich jetzt gerade bei der Mietpreisbremse gemerkt“, sagte Steinbrück. Die SPD will bei einem Wahlsieg durchsetzen, dass bei Neuvermietungen die Miete nur noch maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Durchschnitt liegen darf. Bestehende Mieten sollen nur noch um maximal 15 Prozent in vier Jahren erhöht werden dürfen. In der SPD-Fraktion beschönigte Steinbrück nach Angaben von Teilnehmern die Lage nicht. Er habe klar skizziert, wie er mit Themen wie soziale Gerechtigkeit die Partei wieder nach vorn bringen wolle. Wie auch andere Fraktionsmitglieder mahnte er zu Gelassenheit. Zum Abschluss habe es Applaus für ihn gegeben. Bisher stellt die Partei Steinbrück nicht infrage. Wenn es aber am 20. Januar in Niedersachsen nicht mit einem rot-grünen Landtagswahlsieg klappen sollte, wird eine sehr schwierige parteiinterne Debatte befürchtet. Rot-Grün liegt dort Kopf an Kopf mit Union und FDP - die SPD erhofft sich von einem Wahlsieg in Hannover Rückenwind für den Bund. Steinmeier kritisierte, dass einige Sachverhalte wie Steinbrücks Aufsichtsratstätigkeit für den Stahlkonzern ThyssenKrupp unnötig zugespitzt würden. Fraktionsvize Joachim Poß betonte: „Mit Selbstsicherheit und Ruhe kommt man auch aus solchen Situationen wieder raus“. Steinbrück liegt auch dem neuen ARD-Deutschlandtrend zufolge im direkten Vergleich immer weiter hinter Merkel. Sie kommt hier auf 55, Steinbrück auf 30 Prozent. Mit seiner Arbeit sind nur noch 36 Prozent zufrieden - zwölf Punkte weniger im Vergleich zu Dezember. Steinbrück liegt damit 29 Punkte hinter Merkel, die mit 65 Prozent Zustimmung zu ihrer Arbeit (plus 5) Platz eins belegt. Fraktionschef Steinmeier wertete dies als Momentaufnahme. Poß betonte, die Inhalte seien entscheidend, die schwarz-gelbe Koalition sei handwerklich ausgesprochen schlecht. Allerdings sagen in einer repräsentativen N24-Emnid-Umfrage 42 Prozent der Deutschen, Steinbrück verschlechtere die Wahlchancen der SPD bei der Bundestagswahl. Nur 38 Prozent der Deutschen glauben, dass Steinbrück die Wahlchancen der SPD verbessert. Trotz des Umfrage-Absturzes lassen auch die Grünen keine Zweifel am Ziel Rot-Grün aufkommen. Die Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin demonstrierten zum Abschluss ihrer Klausur in Weimar Zuversicht, dass Union und FDP in Niedersachsen und im Herbst im Bund die Mehrheit verfehlen. Auf die Frage, ob Steinbrück als Kanzlerkandidat ersetzt werden solle, sagte Künast: „Mir fällt spontan keiner ein, der mir lieber wäre.“ Am letzten Tag der SPD-Klausur berieten die 146 Abgeordneten in Berlin unter anderem über die Arbeit des Untersuchungsausschusses zur rechtsextremen Terrorgruppe NSU und über die Mietpreisbremse. Zudem will die Partei den sozialen Wohnungsbau wieder mit mehr Geld fördern. Die Zahl der Haushalte, die 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete zahlen müssen, habe sich in den letzten Jahren verdoppelt, sagte Steinmeier und betonte: „Wir haben eine dramatische Entwicklung in den Metropolen, wo bezahlbarer Wohnraum immer knapper wird“. Der Deutsche Mieterbund unterstützte den Vorstoß. Präsident Franz-Georg Rips betonte nach einem Auftritt in der SPD-Fraktion, in Großstädten, Ballungsgebieten und Universitätsstädten fehlten mehr als 250 000 Wohnungen. Drastische Mietpreissteigerungen gerade bei Neuvermietungen seien die Folge. Hier lägen die Mieten vielerorts 30 Prozent und mehr über den Mieten in bestehenden Mietverhältnissen. # dpa

Peer Steinbrück kommt bei den Bürgern nicht gut an. Auch laut ZDF-Politbarometer wollen ihn nur noch 25 Prozent der Wähler als nächsten Regierungschef sehen. Selbst unter den SPD-Anhängern sagten nur noch 63 Prozent, sie sähen den eigenen Kandidaten lieber im Kanzleramt als Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU). Im Dezember waren es noch 79 Prozent. Zuvor hatte bereits der ARD-„Deutschlandtrend“ ergeben, dass derzeit nur 36 Prozent der Deutschen mit der Arbeit Steinbrücks zufrieden sind.
Bei den Grünen setzten nur 47 Prozent auf Steinbrück, meldete das ZDF am Freitag. Bei den Anhängern der Linken wollen demnach sogar mehr als doppelt so viele lieber Merkel (56 Prozent) als Steinbrück (25 Prozent).
Wenn bereits am nächsten Sonntag ein neuer Bundestag gewählt würde, erhielte die Union 42 Prozent (plus 2), sagen die Demoskopen der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen voraus. Das ist der höchste Wert für die Union seit fünf Jahren. Die SPD käme nur noch auf 28 Prozent (minus 2). Die FDP bliebe weiter bei 4 Prozent und wäre damit nicht im Bundestag, die Linke käme auf 6 Prozent (minus 1), die Grünen auf 13 Prozent (unverändert) und die Piraten auf 3 Prozent (unverändert). Damit wären nur vier Parteien im Bundestag vertreten. Neben einer großen Koalition hätte damit nur eine schwarz-grüne oder eine Koalition aus SPD, Linke und Grünen eine Mehrheit.

80 Prozent der Politbarometer-Befragten erwarten, dass die Krise der FDP noch länger anhalten wird. Als Grund sehen 59 Prozent das Spitzenpersonal der Partei, 31 Prozent primär die Politik der FDP. Trotz Skepsis meinten 51 Prozent der Befragten, dass die FDP als Partei noch gebraucht wird. Im März 2012 waren es nur 35 Prozent. Unter den Unions-Anhängern haben die Liberalen besonders viele Freunde: Hier meinen 67 Prozent, dass die FDP noch gebraucht wird. Hintergrund dürften Koalitionsüberlegungen sein: Auch einer starken Union fehlt ohne FDP ein Partner für eine bürgerliche Regierung.

Steinbrück rief die Öffentlichkeit in Deutschland zu einer neuen politischen Diskussionskultur auf. Dazu gehöre auch, dass nicht gezielt Missverständnisse verbreitet würden, sagte Steinbrück, der am Donnerstag 66 Jahre alt wurde, der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Bei seinen Äußerungen zum Kanzlergehalt sei es beispielsweise nur um einen Vergleich der Bezahlung in Bezug auf die Verantwortung gegangen. „Böswillig fand ich, dass mir im Nachhinein unterstellt wurde, ich hätte mich für eine Erhöhung des Kanzlergehalts ausgesprochen. Das ist absurd.“ Angesichts der Debatten über tatsächliche oder vermeintliche Fehler von Politikern frage er sich, welchen Politikertypus man in Zukunft bekomme. „Ich fürchte, am Ende haben wir es mit sehr rundgefeilten Politikern zu tun, die jedes Wort darauf prüfen, bloß nicht anzuecken. Ich werde nie zu den glatten rundgeschliffenen Kieselsteinen gehören.“ Steinbrück hatte wiederholt betont, um ihn zu verstehen, brauche man keinen Decoder.

Die SPD will ab sofort wieder stärker mit Inhalten punkten

Die SPD will ab sofort wieder verstärkt mit Inhalten punkten. Mit einer milliardenschweren Umverteilung will die Partei im Fall eines Wahlsieges Familien mit geringen oder mittleren Einkommen vor einem Abrutschen auf Hartz-IV-Niveau bewahren. „Wir wollen verdeckte Armut gerade bei jungen Eltern bekämpfen“, sagte die SPD-Vizevorsitzende Manuela Schwesig am Donnerstag in Berlin.

Die Partei will ein komplett neues Kindergeld: Freibeträge für Spitzenverdiener sollen abgeschafft sowie Kindergeld und Kinderzuschlag zusammengelegt werden. Die Zusatzkosten werden auf zwei bis drei Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Familien mit einem Bruttoeinkommen bis 3000 Euro im Monat sollen nach den Angaben Schwesigs mit dem bisherigen Kindergeld von 184 Euro und einem Kinderzuschlag von 140 Euro künftig auf maximal 324 Euro im Monat je Kind kommen. Es sei ungerecht, dass in Deutschland Eltern mit hohem Einkommen über die Kinderfreibeträge bei der Steuer monatlich bis zu 100 Euro mehr Unterstützung für ihre Kinder erhielten als Eltern mit weniger Einkommen, sagte Schwesig.

Für Besserverdienende sollen die von Rot-Grün 2002 eingeführten Freibeträge für Betreuung, Erziehung und Ausbildung wegfallen. Dies würde Eltern ab einem Einkommen von 70 000 Euro/Jahr treffen. Das Kindergeld soll je nach Einkommen gestaffelt ausgezahlt werden. Mit höheren Einkommensgrenzen als beim bisherigen Kinderzuschlag soll gewährleistet werden, dass gerade auch alleinerziehende Mütter mit einem mittleren Einkommen profitieren. Höhere Einkommen bekommen weiter das heutige Kindergeld von 184 Euro (1./2. Kind), 190 Euro (3. Kind) und 215 Euro (weitere Kinder) - aber keine Freibeträge mehr.

Die SPD-Bundestagsfraktion setzte ihre Klausurtagung am Donnerstag in Berlin fort. Ein Thema war die schwierige Lage am deutschen Zeitungsmarkt - zuletzt musste die „Frankfurter Rundschau“ Insolvenz anmelden, und die „Financial Times Deutschland“ wurde eingestellt. Als Gast erläuterte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner die Lage. (dpa)

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