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Spitzenkandidaten in der „Wahlarena“: Scholz und Merz wollen nicht gemeinsam in einem Kabinett sitzen
Sechs Tage vor der Wahl stellen sich vier Kanzlerkandidaten live den Fragen von Wählerinnen und Wählern. Einer von ihnen sagt, ohne „Zumutung“ werde es nicht gehen.
Stand:
Die Kanzlerkandidaten haben in der ARD-„Wahlarena“ kritische Bürgerfragen beantworten müssen. Hier die wichtigsten Aussagen der einzelnen Kandidaten.
Olaf Scholz (SPD):
Bundeskanzler Olaf Scholz räumt in der „Wahlarena“ ein, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege jahrelang zu schlecht bezahlt worden seien. Eine Zuschauerin arbeitete 30 Jahre lang in der Pflege, ist nun in Rente und arbeitet trotzdem nebenher weiter.
Scholz sagte, er hätte sich schon sehr für steigende Löhne eingesetzt. „Das, was wir in der Vergangenheit für Pflegeberufe an Gehältern in der Vergangenheit gezahlt haben, das war niemals in Ordnung.“ Man müsse nach einem solchen Arbeitsleben von der Rente leben können. Dass sie einwirft, sie könne das nicht, übergeht er.
Eine angehende afghanische Psychotherapeutin spricht den Anschlag in München an. Den Opfern sei nicht geholfen mit den geforderten Maßnahmen. „Die Migranten sind nicht das Problem, die Afghanen sind nicht das Problem.“ Scholz antwortet, Deutschland sei ein Einwanderungsland. Als bisherige Meilensteine führt er Erleichterungen bei der Erlangung der Staatsbürgerschaft und ein Gesetz, das die Zuwanderung von Arbeitskräften erleichtern soll, an.
Eine Zuschauerin kritisiert, die Ziele zum sozialen Wohnungsbau seien nicht mal zur Hälfte erreicht worden. Scholz kontert, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau seien vom Bund „massiv angehoben“ worden. Statt Luxuswohnungen würden dadurch schon vermehrt Sozialwohnungen gebaut. Auswirkungen des Ukrainekriegs und Zinserhöhungen hätten die Baubranche aber stark getroffen. Als Scholz mehr Wohnungsbau fordert, unterbricht ihn die Zuschauerin und sagt: Scholz habe nicht mal die Hälfte seines Bau-Ziels eingelöst.
Die Beziehungen zu den USA nennt Scholz eine historisch gewachsene „Lebensversicherung“ für Deutschland. Er kritisiert, dass sich der US-Vizepräsident in den Wahlkampf einmischt und sich für „extrem rechte Parteien“ ausspricht. Gleiches gelte für die Wirtschaftsbeziehungen: Diese müssten einheitlich gehandhabt werden. Es sollte das Ziel sein, einen „geraden Rücken“ zu zeigen und einen Zollstreit zu verhindern.
Friedrich Merz (CDU):
Für einen kurzen Moment stehen Olaf Scholz und sein Unions-Herausforderer Friedrich Merz (CDU) gemeinsam auf der Bühne. Dabei machen sie klar, dass sie nach der Wahl nicht in einer gemeinsamen Regierung sitzen wollen. „Das halten wir beide für relativ unwahrscheinlich“, sagt Merz auf die Frage, ob beide gemeinsam dem künftigen Kabinett angehören konnten. Scholz stimmt Merz zu: „Wo er Recht hat, hat er Recht. Ich will Kanzler bleiben, er will es werden.“
Ansonsten versucht Merz mit der Ankündigung von Steuersenkungen und radikalen Änderungen beim Bürgergeld bei den Wählern zu punkten. „Diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten können, werden in Zukunft kein Bürgergeld mehr bekommen“, kündigt Merz für den Fall einer von der Union geführten Regierung nach der Bundestagswahl am 23. Februar an.
Ich fahre hier in Berlin relativ häufig S-Bahn und U-Bahn, meine Sicherheitsleute mögen das mittlerweile nicht mehr, aber ich fahre hier sehr viel.
Friedrich Merz, Unionskanzlerkandidat
Für einen wirtschaftlichen Aufschwung müssten alle die Ärmel aufkrempeln und mit anpacken, betont Merz. Ohne „Zumutung“ werde die Wirtschaftswende nicht zu schaffen sein.
Einer Pflegerin, die nebenher in der Firma ihres Mannes arbeitet und sich über die aus ihrer Sicht zu hohe Steuerlast beklagte, verspricht der CDU-Politiker „mehr Netto vom Brutto“. „Wir haben eine zu hohe Steuerbelastung in Deutschland“, fügt Merz hinzu. Das betreffe auch Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.
Zu einer Nachfrage zum Thema Klima sagt Merz: „Wir haben ein massives Problem“. Er fordert mehr „Innovation“. Merz will „technologieoffen“ damit umgehen. Er will kein Verbrennerverbot, keine Wärmepumpe. „Wenn wir doppelt so hohe CO₂-Emissionen haben wie der Welt-Durchschnitt, müssen wir etwas machen“, sagt Merz.
Merz ist nach eigenen Angaben in Berlin viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. „Ich fahre hier in Berlin relativ häufig S-Bahn und U-Bahn, meine Sicherheitsleute mögen das mittlerweile nicht mehr, aber ich fahre hier sehr viel“, sagt Merz.
Robert Habeck (Grüne):
Robert Habeck räumt Versäumnisse in der Baupolitik ein. Ein Mann aus dem Baugewerbe hatte gefragt, warum auf der Strecke von NRW nach Berlin so viele Schlaglöcher zu finden sind. Habeck erklärt, dass zahlreiche Bauvorhaben entweder verschoben oder sogar gestrichen wurden, was unter anderem an den gestiegenen Energiekosten durch den russischen Angriffskrieg liege.
Er betont, dass Bauen günstiger werden müsse und verweist auf eine Reihe bereits eingeleiteter Maßnahmen. Auf die Frage, warum die Digitalisierung in NRW noch nicht spürbar sei, antwortet Habeck: „Die Digitalisierung ist nirgends angekommen.“ Er räumt ein, dass der Baubranche mit einem großen Konjunkturprogramm hätte geholfen werden müssen.
Ein Mann erkundigt sich nach der Rente. Er sei 57 Jahre alt und werde später 1300 Euro Rente erhalten, von denen 200 Euro an Steuern abgezogen werden. Er fragt sich, wie man mit „1100 Euro zum Leben nach 50 Jahren Arbeit“ auskommen soll.
Habeck antwortet, dass er kein höheres Rentenniveau versprechen könne, da das unrealistisch wäre. Er sichert jedoch zu, dass das aktuelle Niveau gehalten werden soll. Habeck ist grundsätzlich offen dafür, dass Beamte künftig auch in die Rentenkasse einzahlen. Auf die Frage, warum dies nicht so sei, räumt Habeck ein: „Das ist ungerecht.“ Es sei durchaus möglich, das zu ändern. Wegen bestehender Rechtsansprüche wäre dies aber nicht billig zu haben.
Alice Weidel (AfD):
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel stellt in der Sendung klar: „Wir fordern nicht den Austritt aus der EU.“ Vielmehr müsse es eine Rückverlagerung der Kompetenzen aus Brüssel in die nationalen Parlamente geben, sagt Weidel in der ARD-Wahlarena. Entscheidungen wie etwa das Verbrenner-Aus dürften nicht von Institutionen getroffen werden, die demokratisch nicht gewählt und damit nicht legitimiert seien.
Ein Krankenhauspfarrer erkundigt sich nach dem Begriff „Remigration“, der im Wahlprogramm der AfD erwähnt wird. Er fragt, wie er angesichts des dringenden Bedarfs an Pflegekräften junge Menschen für diesen Beruf gewinnen solle. Seine Sorge: „Was werden Sie tun, um zu verhindern, dass Fachkräfte abgeschreckt werden? Damit die Pflege funktioniert. Uns fehlen die Menschen dafür.“
Weidel erklärt, dass es ihr vor allem darum gehe, „illegale Migration zu stoppen“. Gleichzeitig betont sie jedoch: „Wir brauchen eine Zuwanderung“ – und zwar gezielt von qualifizierten Fachkräften. Ihrer Meinung nach werde das derzeit nicht ausreichend differenziert.
In der Sendung „Wahlarena 2025 zur Bundestagswahl“ haben Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, ihre Fragen live auch an die Kanzlerkandidaten Alice Weidel (AfD), Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne) zu richten. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hatte vergeblich versucht, sich auf juristischem Wege einen Platz in der Sendung zu erstreiten. (mit Agenturen)
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