zum Hauptinhalt
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) droht mit einer Blockade des Verbrenner-Aus in Brüssel. Das kann nicht im Interesse von Kanzler Olaf Scholz (SPD) sein.

© IMAGO/Fotostand

Streit um Verbrenner-Aus: Grüne fordern Kanzler-Machtwort gegen Wissing

Der Koalitionsstreit um Neuzulassungen von Fahrzeugen mit Verbrenner-Motor nach 2035 schwelt weiter. Der Grüne Hofreiter verlangt, dass Kanzler Scholz eine Blockade in Brüssel verhindert.

Das „Nein“ von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zum Verbrenner-Aus ab 2035 schlägt in Brüssel hohe Wellen. In der EU-Kommission, im Europaparlament und unter den Mitgliedstaaten gibt es die Sorge, dass ein „Nein“ aus Berlin auch eine wesentliche Säule des Klimapaketes kippen würde, mit dem die Treibhausgas-Emissionen in der EU bis 2030 wesentlich gesenkt werden sollen.

Am Dienstag hatte Wissing erklärt, dass Fahrzeuge mit Verbrenner-Motoren in der EU auch über 2035 hinaus neu zugelassen werden müssten – unter der Voraussetzung, dass sie mit synthetischen Kraftstoffen, den sogenannten E-Fuels, betrieben werden. In Berlin bringt der FDP-Vorstoß vor allem die Grünen auf die Palme. „Für die nationalen und europäischen Klimaziele ist es dringend notwendig, dass wir uns bis 2035 vom Verbrennungsmotor verabschieden“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), dem Tagesspiegel.

Die FDP schade nicht nur dem Klima, sondern auch der deutschen Automobilindustrie, kritisierte Hofreiter weiter. „Die Zukunft des Automobils wird batterieelektrisch sein“, zeigte sich der Grünen-Politiker überzeugt. Jede weitere Verzögerung koste hierzulande Jobs. „Ich erwarte auch vom Kanzleramt, dass es sich im Interesse der Arbeitsplätze und des Klimaschutzes mit aller Kraft dafür einsetzt, dass Deutschland in Brüssel nicht blockiert“, forderte er.

Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses, fordert ein Machtwort aus dem Kanzleramt.
Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses, fordert ein Machtwort aus dem Kanzleramt.

© picture alliance/dpa/Uncredited

Wissing will indes erreichen, dass die EU-Kommission in naher Zukunft einen Regulierungsvorschlag vorlegt, der die Verwendung von E-Fuels auch über 2035 hinaus ermöglicht. Der Verkehrsminister hatte dazu auch das Gespräch mit Frans Timmermans, dem zuständigen Vizepräsidenten der EU-Kommission, gesucht – bislang aber erfolglos. Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte am Mittwoch, dass die EU-Kommission „zügig aktiv“ werden solle.

Während Wissing also in erster Linie eine Lösung für die E-Fuels anstrebt und keineswegs das gesamte Brüsseler Gesetzgebungspaket zur Minderung der C02-Werte bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen neu verhandeln will, wird in Brüssel dennoch ein klimapolitischer Stillstand befürchtet.

Denn eigentlich war das Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2035 in Brüssel schon mehr oder weniger eine beschlossene Sache. Die abschließende Abstimmung unter den Mitgliedstaaten, die für den 7. März vorgesehen ist und eigentlich als Formsache galt, könnte angesichts des Schwenks in der Bundesregierung nach Angaben aus EU-Diplomatenkreisen noch einmal verschoben werden. „Der Fall, dass man einen Last-Minute-Rückzieher macht, ist völlig ungewöhnlich“, sagte eine Brüsseler Insiderin mit Blick auf Wissings Vorstoß.

Der Fall, dass man einen Last-Minute-Rückzieher macht, ist völlig ungewöhnlich

Eine Brüsseler Insiderin mit Blick auf Wissings Vorstoß

Im Detail geht es bei dem Gesetzespaket, über das die EU-Mitgliedstaaten demnächst abstimmen müssen, nicht nur um ein Zurückfahren der C02-Emissionen auf Null bei Pkws und leichten Nutzfahrzeugen ab 2035. Auch Minderungsziele für die Jahre 2025 und 2030 werden festgelegt.

Das Paket kann aber nur beschlossen werden, wenn eine qualifizierte Mehrheit unter den Mitgliedstaaten zustimmt. Anders gesagt: 55 Prozent der Mitgliedstaaten müssen zustimmen, die wiederum 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung ausmachen müssen. Sollte sich Wissing innerhalb der Ampel-Koalition mit der Forderung durchsetzen, dem Verbrenner-Aus in der vorliegenden Form nicht zuzustimmen, dann könnte das wegen des Bevölkerungsgewichts Deutschlands die notwendige Mehrheit in Brüssel gefährden. Polen, Bulgarien und Italien, die nach gegenwärtigem Stand ebenfalls nicht zustimmen wollen, könnten dann gemeinsam mit Deutschland eine Sperrminorität bilden.

Manfred Weber, der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, kritisierte das Vorgehen der Liberalen scharf. „Leider fällt der FDP erst auf den letzten Metern der Gesetzgebung plötzlich ein, für den Verbrennermotor als wichtige deutsche und europäische Technologie zu kämpfen“, sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende dem Tagesspiegel. „Die FDP hat die vergangenen Monate völlig verschlafen“, sagte er weiter. Nach seinen Worten hätten die Liberalen über die Bundesregierung „in den EU-Verhandlungen nichts erreicht“. Insbesondere dem FDP-Chef Christian Lindner sei es „nicht gelungen, seine liberale Parteienfamilie im Europäischen Parlament vom Verbrenner zu überzeugen“.

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, wirft der Ampel-Koalition ein „Hin und Her“ auf EU-Ebene vor.
Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, wirft der Ampel-Koalition ein „Hin und Her“ auf EU-Ebene vor.

© dpa/AP/Jean-Francois Badias

„Durch ihr Hin und Her verstört die Ampel auch die EU-Partner und verspielt so jede Glaubwürdigkeit als seriöser Verhandlungspartner“, sagte Weber weiter. Wochenlang habe die Bundesregierung Zustimmung signalisiert, jetzt streite sie aber auf offener Bühne. Laut Weber sei es allerdings „fahrlässig und falsch“, die Verbrenner-Technologie zu verbieten. „Wir schenken damit China eine nach wie vor starke Technologie und schwächen Europas Wettbewerbsfähigkeit“, sagte er zur Begründung. „Wir als EVP sagen: Klimaneutralität 2050 ja, aber Ingenieure und Techniker sollten den Weg aufzeigen, nicht politische Ideologen“, sagte der CSU-Politiker.

Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss warnte vor einer Blockadehaltung der Bundesregierung. „Wenn Deutschland sich enthält, ist das Gesetz tot“, twitterte er am Mittwoch mit Blick auf die geplanten C02-Grenzwerte im Verkehrsbereich. Nach seinen Worten habe die Bundesregierung zuvor eine Zustimmung signalisiert. „Plötzlich die Position zu ändern, macht uns komplett unglaubwürdig“, kritisierte Bloss.

Zur Startseite