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Der Klimawandel werde "immer mehr zur Gefahr für Frieden und Sicherheit", sagte Maas in seiner ersten Rede im UN-Sicherheitsrat.

© dpa/ Bernd von Jutrczenka

SWP-Wissenschaftlerin im Interview: "Die Bundesregierung kann die Fäden in der Klimadebatte zusammenführen"

Die Bundesregierung will den Klimawandel auf die Agenda des UN-Sicherheitsrats setzen. Susanne Dröge über die Bedeutung von Klimaextremen für die Sicherheitspolitik.

Frau Dröge, die Bundesregierung will in den zwei Jahren der Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat die Folgen des Klimawandels thematisieren. Mit welchen Erwartungen?

Dies ist zunächst einmal ein rein außenpolitisches Anliegen. Die Bundesregierung ist sich bewusst, dass sie bei der Wahl in den UN-Sicherheitsrat auf die Stimmen von rund 20 Inselstaaten zählen konnte – weil sie diesen versprochen hatte, sich um die Risiken des Klimawandels zu kümmern. Im Klimaschutz wird Deutschland noch immer eine Vorreiterrolle zugeschrieben, gerade der Energiewende wegen und trotz der Probleme beim Kohleausstieg, die international wahrgenommen werden. Diese Glaubwürdigkeit spielt auch für den Sicherheitsratssitz eine große Rolle. Nun gilt es zu halten, was versprochen wurde.

Die Bundesregierung kann die Fäden in der Klimadebatte zusammenführen. Es führt daher kein Weg daran vorbei, mehr Klimaschutz zu betreiben, auch weil dies ein präventiver Ansatz dafür ist, künftige Konflikte aufgrund von Klimarisiken zu vermeiden.

Die Klimawandelfolgen sind ja bereits spürbar. Geht es beim Klimaschutz nicht schneller voran als bisher, werden die globalen Risiken, zum Beispiel extremes Wetter, steigende Meeresspiegel oder Versorgungsnotlagen auch für die Sicherheitspolitik immer wichtiger.

Welche Regionen dienen der Bundesregierung als Beispiel für die schwindende Sicherheit als Folge des Klimawandels?

Der Fokus der Bundesregierung liegt klar auf den afrikanischen Staaten. Ich denke etwa an die Tschadsee-Region. Die Anrainerstaaten, Niger, Nigeria, Kamerun und Tschad, haben seit Jahren mit einem Rückgang des Wasserpegels zu kämpfen. Die Folgen sind sehr weitreichend, wie Ernährungsunsicherheit, wirtschaftliche Unterentwicklung, politische Spannungen und somit ein Nährboden für Terrorismus und bewaffnete Konflikte. Auch die Spannungen in Somalia und Mali bereiten Sorgen. Jede spürbare Intensivierung der Klimawandelfolgen, kann die Lage in der Region verschärfen. Natürlich denkt die Bundesregierung dabei auch an temporäre Flucht oder dauerhafte Migration in Richtung Europa.

Die Probleme beim Kohleausstieg werden international wahrgenommen, sagt SWP-Wissenschaftlerin Dröge.
Die Probleme beim Kohleausstieg werden international wahrgenommen, sagt SWP-Wissenschaftlerin Dröge.

© dpa/ Oliver Berg

Verlust von Versorgungssicherheit, Flucht und Migration, Verlust von Teilen des Staatsgebiets – das sind bereits teilweise eingetretene Folgen des Klimawandels. Welche Vorstöße sind von der Bundesregierung in den kommenden zwei Jahren zu erwarten?

Ein Teil der Agenda besteht darin, stärker auf die Klimawandelfolgen hinzuweisen. Auch präventive Maßnahmen, die die Widerstandfähigkeit gegen Klimaextreme in den Regionen steigert, werden immer wichtiger. Zudem engagiert sich die Bundesregierung für mehr internationalen Klimaschutz im Zuge der UN-Klimaverhandlungen. Eine intensivere Vernetzung der verschiedenen UN-Gremien wie etwa dem UN-Umweltprogramm UNEP und dem Entwicklungsprogramm UNDP zu diesem Zweck ist denkbar.

Aller Voraussicht nach wird Deutschland eine Resolution voranbringen wollen, geknüpft an eine aktuelle Krisensituation. Das ist ein Prozess langwieriger Verhandlungen, denn die Resolution muss von den fünf Veto-Mächten getragen werden. Eine sogenannte Erklärung des Vorsitzes des Sicherheitsrats, ebenfalls getragen von allen Mitgliedsstaaten, wäre eine weitere Option. 2019 sind fünf europäische Staaten im Sicherheitsrat vertreten, neben Großbritannien, Frankreich und Deutschland auch Polen und Belgien. Diese Staaten sollten an einem Strang ziehen.

SWP-Wissenschaftlerin Susanne Dröge.
SWP-Wissenschaftlerin Susanne Dröge.

© promo

Immer wieder agiert der UN-Sicherheitsrat zögerlich und unentschlossen. Sind Schwierigkeiten auf diesem Weg nicht vorprogrammiert?

Ein rasches Handeln des UN-Sicherheitsrat ist durch den häufigen Gebrauch des Vetorechts fast unmöglich geworden. Gerade die Veto-Macht Russland, aber auch China, wünscht sich keine Vermengung der Klima- mit der Sicherheitspolitik. Sie interpretieren dies als Einmischung in nationale Angelegenheiten. Beide Staaten wollen keinen entsprechenden Präzedenzfall schaffen – ein Interesse, das viele Entwicklungs- und Schwellenländer in der UN-Generalversammlung teilen.

Auch die Veto-Macht USA ist seit der Präsidentschaft Donald Trumps in der Klimapolitik nicht mehr aktiv. Ein Handeln im Sinne des Klimaschutzes und der Bekämpfung des Klimawandels ist hingegen von Frankreich und Großbritannien zu erwarten. Die Bundesregierung wird mit allen Veto-Mächten ausführlich sprechen müssen.

Ab 2020 greift das Pariser Klimaabkommen. Erst vor wenigen Wochen wurde auf der Weltklimakonferenz im polnischen Kattowitz das sogenannte Regelbuch beschlossen, das die Details dieses Abkommens festlegt. Besteht gerade jetzt ein Zeitfenster, Fortschritte zu erzielen?

Die Inselstaaten wünschen sich insgesamt mehr Aktivität in der Klimapolitik, Hilfe bei der Anpassung an den Klimawandel, aber auch Ausgleich für Schäden oder für Verlust von Teilen des eigenen Staatsgebiets. Der Sicherheitsrat kann ein wichtiges Forum sein, aber eben nur ergänzend. Immer wieder verweisen seine Mitglieder die klimapolitischen Anliegen zurück an die UN-Klimarahmenkonvention. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Dynamik zugunsten einer klareren Position oder gar einer Resolution nicht vorhersehbar.

Der Erfolg dieser Agenda wird auch von noch aufkommenden Krisenherden abhängen. Immerhin, seit 2007 tragen europäische Staaten das Anliegen der betroffenen Entwicklungsländer in den Sicherheitsrat. In den vergangenen Jahren waren es die temporären Mitglieder Schweden und die Niederlande, die in Resolutionen eine Sprache installierten, die den Klimawandelfolgen für die Sicherheitslage Rechnung trägt. Darauf kann die Bundesregierung nun außenpolitisch aufbauen.

Susanne Dröge forscht zur Klima- und Energiepolitik und den Vereinten Nationen in der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

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