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„Deutschland kann das“: Verteidigungsministerin fordert Führungsrolle auch im Militärischen
Christine Lambrecht proklamiert in einer Grundsatzrede einen „Kulturwechsel“ in der Sicherheitspolitik - und legt sich bei Rüstungsexporten mit den Grünen an.
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Fast zwei Stunden Zeit nimmt sich die Verteidigungsministerin an diesem Montag Zeit für ihre Grundsatzrede zur Sicherheitspolitik und auch für die Debatte, die danach auf sie wartet. Denn vor dem Publikum der traditionsreichen Deutschen Gesellschaft für Auswärtigen Politik (DGAP) in Tiergarten skizziert Christine Lambrecht (SPD) nicht nur die geistigen und finanziellen Herausforderungen für die deutsche Verteidigungs- und Rüstungspolitik nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine.
Sie stellt sich anschließend auch den Fragen von Expertinnen und Experten für Außen- und Sicherheitspolitik, die wie Claudia Major oder Christian Mölling nicht dafür bekannt sind, die Lage und die Leistung der Bundesregierung schön zu reden.
Es ist nicht weniger als ein „Kulturwechsel“, den die SPD-Politikerin in der Rede zur Nationalen Sicherheitsstrategie proklamiert. Um dieses Umdenken und Umsteuern deutlich zu machen, schlägt die Ministerin einen „Tag der nationalen Sicherheit“ vor, der jährlich im Bundestag und anderswo in der Republik begangen werden soll. Auch Symbole und Debatten sollen helfen, die neuen Antworten zu verbreiten.
Die Deutschen schwört sie auf Veränderungen ein, denn die alten Antworten reichten nicht mehr: „Allein mit Bedächtigkeit, allein mit dem Rückgriff auf bewährte bundesrepublikanische Traditionen werden wir in Zukunft nicht mehr sicher leben können“, warnt sie. Wer eine Zukunft in Frieden und Freiheit wolle, „der muss jetzt umsteuern“.
Es sind eindeutige Botschaften für eine Politikerin, die anfangs mit ihrer Aufgabe als Verteidigungsministerin zu fremdeln schien, mit Fauxpas schlechte Schlagzeilen produzierte und mit militärischen Begriffen auf Kriegsfuß zu stehen schien. Im Bundestag bestritt sie etwa, dass der Flugabwehrpanzer Gepard ein Panzer sei: „Natürlich ist beides schwer, hat beides große Rohre. Aber es ist eben kein Panzer.“
Umso sorgfältiger scheint sich Lambrecht auf ihre DGAP-Rede vorbereitet zu haben, mit dem sie die Nation mahnt, den zentralen Stellenwert der Bundeswehr für die eigene Sicherheit zu erkennen. Die Streitkräfte würden „eine wichtige Rolle in unserem politischen Denken und Handeln spielen“, sagt sie. Bei ihrer strategischen Analyse der neuen Herausforderungen und bei ihren Antworten darauf gibt sie sich keine Blöße.

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Die Härte ihrer Aussagen ist umso bemerkenswerter, als Lambrecht als Mitglied der Parlamentarischen Linken (PL) von einem Flügel der SPD kommt, der vor dem 24. Februar 2022 wenig Verständnis auch nur für die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato aufbrachte.
Nun bekennt sie sich in ihrer Grundsatzrede ausdrücklich zu diesem Ziel. Und erklärt dazu, dass der große Partner USA im Indopazifik herausgefordert ist, weshalb die Europäer „und damit ganz prominent wir Deutschen“ mehr tun müssten, um glaubhafte militärische Abschreckung zu gewährleisten.
Deutschlands Größe, seine geografische Lage, seine Wirtschaftskraft, kurz sein Gewicht, machen uns zu einer Führungsmacht, ob wir es wollen oder nicht, - auch im Militärischen.
Christine Lambrecht, Bundesverteidigungsministerin
Lambrecht verweist auf das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr, das dringend notwendig sei. Deutschland werde aber auch darüberhinaus langfristig genügend Geld bereitstellen müssen, um das Nato-Ziel zu erfüllen, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aufzuwenden.
„Wir brauchen dieses Geld, auch über das Sondervermögen hinaus“, sagt sie. Nicht die 100 Milliarden seien die Grundlagen für die Bundeswehr, sondern er reguläre Haushalt.
Ähnlich wie es SPD-Chef Lars Klingbeil jüngst getan hat, spricht die Ministerin ihrem eigenen Land eine Führungsrolle zu: „Deutschlands Größe, seine geografische Lage, seine Wirtschaftskraft, kurz sein Gewicht, machen uns zu einer Führungsmacht, ob wir es wollen oder nicht, - auch im Militärischen.“
Und es klingt fast wie ein fernes Echo von Angela Merkels „Wir schaffen das“ aus dem Flüchtlingsherbst 2015, wenn sie fortfährt: „Deutschland kann das.“ Deutschland brauche „auch keine Angst vor der neuen Rolle zu haben“.
Beim Thema Rüstungskooperation scheut die SPD-Politikerin nicht davor zurück, den grünen Kooperationspartner zu provozieren. Die Grünen wollen die Rüstungsexportrichtlinien in einem eigenen Gesetz sogar noch verschärfen. Lambrecht warnt dagegen, eine EU-weite Kooperation durch moralische deutsche Sonderregeln zu komplizieren. Nur wenn die strengen deutschen Vorgaben geändert würden, ließe sich der Rüstungszusammenarbeit in Europa „ein mächtiger Schub“ versetzen.
In der Debatte dann verweigert die Ministerin diplomatisch die Antwort auf die Frage, ob eine zweite Amtszeit Donald Trumps das Ende der Nato bedeuten würde. Und verrät, dass die Streitkräfte im Kabinett liberale Freunde haben. Auf die Frage, wie Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf ihre Forderungen nach viel mehr Geld reagiere, lobt Lambrecht: „Er ist sehr bundeswehraffin!“
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