zum Hauptinhalt
Zwei Migranten gehen über das Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZABH) des Landes Brandenburg.

© dpa/Patrick Pleul

Vor dem Spitzentreffen zur Migration: Wie hoch die Chance einer Zeitenwende in der Asylpolitik ist

Am Dienstag wollen Bundesregierung, Union und Bundesländer über die Migrationspolitik sprechen. Vor dem Treffen mit Innenministerin Nancy Faeser liegen die Positionen noch weit auseinander. Ein Überblick.

Stand:

Nach der Wahl in Thüringen und Sachsen ist vor dem Migrationsgipfel: An diesem Dienstag will Innenministerin Nancy Faeser (SPD) mit Vertretern der Union und der Bundesländer über eine Begrenzung der irregulären Migration reden.

Die Länder werden durch das SPD-geführte Niedersachsen und das CDU-geführte Hessen vertreten. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) erwartet dabei von der Ampelregierung nichts Geringeres als eine „Zeitenwende“ in der Migrationspolitik.  

Dennoch ist klar, dass SPD, Grüne und FDP längst nicht bei allen Forderungen der Union mitziehen werden. Zuletzt hatte die Ampel sechs Tage nach dem Anschlag von Solingen, bei dem ein mutmaßlich islamistischer Attentäter drei Menschen tötete, am vergangenen Donnerstag ein „Sicherheitspaket“ vorgelegt. Es umfasst unter anderem Vorschläge wie ein absolutes Messerverbot bei Volksfesten und bei Sportveranstaltungen.

Dieses Land zeichnet sich in schwierigen Zeiten dadurch aus, dass die Regierung und die Opposition Parteigrenzen überwinden können.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese

Zudem will die Ampelregierung präventiv gegen gewaltbereite Islamisten vorgehen. So sollen künftig biometrische Abgleiche mit Online-Daten möglich sein. „Wir wollen dieses Sicherheitspaket schnellstmöglich umsetzen“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Montag.

„Dieses Land zeichnet sich in schwierigen Zeiten dadurch aus, dass die Regierung und die Opposition Parteigrenzen überwinden können“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese dem Tagesspiegel. Er begrüße es ausdrücklich, „dass Regierung und Opposition die Probleme nun gemeinsam lösen wollen“. Dabei werde das am Donnerstag vorgelegte „Sicherheitspaket“ eines der Themen sein. „Ich würde mir wünschen, dass dieses Paket im Bundestag am Ende von einer breiten Mehrheit unterstützt wird“, sagte Wiese.

Im Fokus stehen bei dem Treffen im Innenministerium allerdings aus Sicht der Union die Vorschläge der Ampel, die auf eine Begrenzung der irregulären Migration zielen. Die Ideen der Union gehen in diesem Punkt sehr viel weiter. Man sei für Vorschläge der Union und der Länder offen und werde diese miteinander beraten, erklärte der Innenministeriumssprecher dazu.

Welche Vorschläge liegen auf dem Tisch und wozu ist die Ampel in den Gesprächen mit der Union bereit?


Vermehrte Abschiebungen

Das „Sicherheitspaket“ der Ampel sieht erleichterte Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern vor. So sind leichtere Ausweisungen von Geflüchteten vorgesehen, die Waffen eingesetzt haben. Auch sollen diejenigen ihren Schutzanspruch in Deutschland verlieren, die ohne zwingende Gründe in ihr Heimatland zurückreisen, etwa für einen Urlaub.

Darüber hinaus sind Abschiebungen von schweren Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan und Syrien geplant. Am vergangenen Freitag wurden 28 verurteilte Straftäter nach Afghanistan abgeschoben.

Der Union geht das allerdings nicht weit genug. Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) forderte, dass künftig „auch Rückführungen von ausreisepflichtigen Syrern unabhängig von Straftaten möglich werden“ müssten. 


Kürzungen von Sozialleistungen

Die Ampel schlägt Leistungskürzungen für die sogenannten Dublin-Flüchtlinge vor – sofern ihre Rückkehr in ihren Erstaufnahmestaat zugesagt wurde. Dublin-Flüchtlinge sind Migranten, die in Deutschland Asyl beantragt haben, sich aber zuvor in einem anderem EU-Staat registrieren ließen. Der mutmaßliche Attentäter von Solingen hielt sich in Bulgarien auf, bevor er nach Deutschland kam.

Die Union stellt sich hingegen vor, dass der Kreis derer, die künftig mit Einschränkungen beim Leistungsbezug rechnen müssen, deutlich größer ist. Leistungskürzungen müssten „grundsätzlich für alle Ausreisepflichtigen gelten, auch für diejenigen, die eine Duldung haben“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, der „Welt“. Deren Aufenthalt in Deutschland sei „nach wie vor rechtswidrig“. 


Zurückweisungen an der Grenze

Die Union fordert, an den deutschen Außengrenzen nicht nur schärfer zu kontrollieren, sondern Flüchtlinge notfalls auch zurückzuweisen. Dies soll für Migranten gelten, die zuvor in einem anderen EU-Staat registriert wurden.

Als Grundlage für einen solchen Schritt soll nach der Vorstellung von CDU-Chef Friedrich Merz die Erklärung einer „nationalen Notlage“ gelten. Nach Angaben der EU-Kommission wäre die Erklärung einer solchen Notlage theoretisch durchaus denkbar. Allerdings gelten innerhalb der EU klare Vorbedingungen.  So müsste sich etwa im Rat der EU-Staaten eine qualifizierte Mehrheit finden, bevor Deutschland Maßnahmen im Rahmen einer „nationalen Notlage“ ins Werk setzen kann.

Hat Forderungen zur Migrationspolitik: CDU-Chef Friedrich Merz.

© Imago/Future Image/Frederic Kern

Als Merz seine Idee vorstellte, kam umgehend Ablehnung aus den Parteien der Ampel. So sagte der Co-Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, der Vorschlag des CDU-Vorsitzenden sei wohl „nicht ernst gemeint“. Dennoch hält die Union an der Forderung fest. 


Sichere Herkunftsstaaten

Zu den Forderungen der Union gehört auch eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten. Dies sind Länder, in denen davon ausgegangen werden kann, dass dort generell keine staatliche Verfolgung zu befürchten ist. Dennoch können auch Migranten aus sicheren Herkunftsstaaten in Deutschland einen Asylantrag stellen. Aber Antragsteller, die kein Bleiberecht haben, können leichter abgeschoben werden.

Zustimmung gibt es in diesem Punkt auch aus der Ampel. Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki hat bereits erklärt, dass eine Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten „unabdingbar“ sei.


Änderung des Asylrechts

CSU-Chef Markus Söder hat eine Änderung des Asylrechts ins Gespräch gebracht. Nach seinen Worten müsse das individuelle subjektive Recht auf Asyl, das im Grundgesetz verankert ist, „umgewandelt“ werden. „Dann entscheidet Deutschland, wer in unser Land kommt – und nicht jeder Einzelne hat ein Recht dazu“, so Söder.

Vertreter der Ampelkoalition wie SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wiesen Söders Vorstoß mit deutlichen Worten zurück. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnerte am Sonntag bei einer Gedenkveranstaltung in Solingen daran, dass politisch Verfolgte in Deutschland Asylrecht genießen.

Allerdings deutete FDP-Chef Christian Lindner am Montag auch in diesem Punkt Gesprächsbereitschaft an. Denkverbote seien fehl am Platz, sagte er. Die FDP sei offen, auch über Änderungen der europäischen Gesetze oder auch des Grundgesetzes zu sprechen, so Lindner.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })