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„Wir haben Papier“: Industrie widerspricht Warnung der Bundeswahlleiterin vor frühem Termin
Die Union pocht auf Wahlen Mitte Januar, der Kanzler ist gesprächsbereit. Die verantwortliche Beamtin sieht organisatorische Probleme – dafür erfährt sie viel Kritik.
Stand:
Die Ampelkoalition ist nach dem Ausscheiden der FDP Geschichte. Die Minderheitsregierung aus SPD und Grünen will sich mit der Opposition auf wichtige Vorhaben verständigen und diese noch vor Jahresende umsetzen. Doch die Union beharrt: Erst müsse Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit der Vertrauensfrage wirklich den Weg zu Neuwahlen bereiten. Scholz will dies am 15. Januar im Bundestag tun und peilt eigentlich eine Neuwahl im März an.
Der Union ist das zu spät: Sie strebt den 19. Januar für die Bundestagswahl an – den Tag vor der Vereidigung des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Am Freitagabend zeigte sich Scholz gesprächsbereit. „Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren“, betonte der Kanzler.
Wir haben Papier. Die deutsche Papierindustrie ist sehr leistungsfähig.
Alexander von Reibnitz, Hauptgeschäftsführer des Verbands Die Papierindustrie
Bundeswahlleiterin Ruth Brand werde sich am Montag mit den Landeswahlleitern über die erforderlichen Schritte austauschen, berichteten die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) am Samstag unter Berufung auf Verwaltungskreise.
Brand hatte in einem am Freitag bekanntgewordenen Brief an Kanzler Olaf Scholz (SPD) appelliert, beim Termin für eine Neuwahl nichts zu überstürzen. Aus organisatorischen Gründen sei das riskant, schrieb sie. Probleme könne es schon bei der Beschaffung von Papier und der Beauftragung von Druckdienstleistern geben.

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Dem widersprach die Branche am Samstag deutlich. „Wir haben Papier. Die deutsche Papierindustrie ist sehr leistungsfähig“, sagte Alexander von Reibnitz, Hauptgeschäftsführer des Verbands Die Papierindustrie, dem Portal ZDFheute.de.
Auf die Frage, ob die deutsche Industrie schnell genug das notwendige Papier für Wahlunterlagen für eine Neuwahl schon im Januar liefern könne, sagte der Verband dem ZDF: „Klare Antwort: Ja. Bei rechtzeitiger Bestellung können wir das benötigte Papier für eine vorgezogene Bundestagswahl liefern.“
Brand hatte in dem Brief weiter argumentiert, dass Termine und Fristen, die in die Weihnachtszeit oder in den Zeitraum zwischen den Jahren fallen würden, den nur knappen Zeitraum von 60 Tagen maßgeblich verkürzen könnten.
„Dies könnte zu unabwägbaren Risiken auf allen Ebenen, insbesondere auf Gemeindeebene, führen und Beschaffungsmaßnahmen faktisch kaum realisierbar machen“, heißt es Medienberichten zufolge in dem Schreiben. Sie mahnte, es könne dazu kommen, dass Wahlvorschläge nicht zugelassen würden.
„Insgesamt sehe ich in diesem Fall eine hohe Gefahr, dass der Grundpfeiler der Demokratie und das Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzt werden könnte“, warnte die Wahlleiterin. Für eine ordnungsgemäße Wahl müsse der Zeitraum von 60 Tagen ab Auflösung des Bundestags voll ausgeschöpft werden.
Es ist symbolisch für das viel zitierte Deutschland-Tempo, wenn die Bundeswahlleiterin ernstlich vor zügigen Neuwahlen warnt.

Fabian Mehring, Bayerns Digital-Staatsminister (Freie Wähler)
Auch Bayerns Digital-Staatsminister Fabian Mehring (Freie Wähler) hat für Brands Argumentation kein Verständnis. „Es ist symbolisch für das viel zitierte Deutschland-Tempo, wenn die Bundeswahlleiterin ernstlich vor zügigen Neuwahlen warnt, weil sie Monate für das Beschaffen von Papier, das Drucken der Wahlzettel und die Organisation des Wahlvorgangs benötigt“, sagte Mehring der „Augsburger Allgemeinen“.
Solche Argumente kämen einer „staatsorganisatorischen Bankrotterklärung“ gleich und bestärkten das Gefühl vieler Menschen, dass Deutschland und die deutsche Verwaltung nicht mehr vernünftig funktionieren würden.
Mehring, seit einem Jahr im Amt, verwies auf Estland – in dem kleinen nordeuropäischen Land werde seit über 20 Jahren online gewählt. „Wären wir ähnlich weit, könnten wir noch dieses Jahr neu wählen und Deutschland stünde nicht länger in schwierigsten Zeiten nackt auf der Weltbühne – ohne Haushalt und ohne Regierung!“
Lässt sich ein früherer Wahltermin organisatorisch bewerkstelligen? Dem RND zufolge sind die Kommunen offen dafür. „Die Vorbereitung wird deutlich einfacher, je früher der mögliche Wahltermin bekannt ist“, zitieren die Zeitungen aus einer Stellungnahme des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB).
„Natürlich würden die Weihnachtszeit und die Feiertage nochmals eine zusätzliche Herausforderung bedeuten. Dennoch werden die Städte und Gemeinden in jedem Fall in der Lage sein, innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Fristen eine ordnungsgemäße Bundestagswahl umzusetzen“, heißt es demnach darin.
„Gerade der Versand der Briefwahlunterlagen und Wahlbenachrichtigungen muss mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf vor dem Wahltermin erfolgen“, hieß es weiter in der Erklärung.
„Hier sind die Kommunen auf die Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten durch die Parteien und die Einreichung der Wahlvorschläge angewiesen.“
Hinweis: In einer früheren Version des Textes wurde durch ein Zitat des bayerischen Digital-Staatsministers Fabian Mehring (Freie Wähler) der Eindruck erweckt, die Bundesdruckerei produziere Wahlscheine für die anstehenden Neuwahlen. Die Bundesdruckerei betont, dass dies nicht der Fall ist. Wir haben daher das betreffende Zitat entfernt.
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