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Brandenburg: Merkels Union der Probleme

Brandenburgs frühere CDU-Landeschefin Saskia Ludwig gilt als Merkel-Kritikerin – und will jetzt in den Bundestag. Das irritiert die Bundesspitze und stört den Neuanfang ihres Nachfolgers Schierack. Heute tritt die Kanzlerin in Potsdam auf

Potsdam - Brandenburgs CDU droht eine Zerreißprobe, da es die gerade gestürzte Landesvorsitzende Saskia Ludwig in den Bundestag drängt. Die designierte neue CDU-Generalsekretärin Anja Heinrich warnt offen davor, dass der Karriereplan der im September zurückgetretenen Partei- und Fraktionschefin den Neuanfang mit dem nominierten Landeschef Michael Schierack und die Geschlossenheit in der Landespartei gefährden kann. „Wir treten schließlich für ein grundlegend neues, besseres Verhältnis zur Bundespartei und zu unserer erfolgreichen Kanzlerin an. Wir wollen wieder ernst genommen werden“, sagte Heinrich am Sonntag den PNN. „Dieses Ziel würde konterkariert, wenn für die CDU aus Brandenburg mit Ludwig eine erklärte Kritikerin der Kanzlerin in den Bundestag käme.“ Es gehe auch um die künftige Ausrichtung des Landesverbands. Das habe nichts mit einer Diskreditierung Ludwigs und ihrer Verdienste für die brandenburgische CDU zu tun. Es gehe bei der Kandidatur auch um Brandenburgs CDU. „Ich kann nur appellieren, das in die Entscheidung einfließen zu lassen.“ Wie berichtet will Ludwig zur Bundestagswahl 2013 als Direktkandidatin im bisherigen Reiche-Wahlkreis 61 (Potsdam und Umgebung) antreten. Am Freitag entscheidet eine Wahlkreiskonferenz in Werder, wer antritt, womöglich sogar unter Aussschluss der Öffentlichkeit. Erwartet wird ein knapper Ausgang.

Tatsächlich sorgt der Vorgang in der Bundes-CDU bereits für Irritationen. Die Personalie wird auf einer Regionalkonferenz für Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, die am Montagabend mit Merkel in Potsdam stattfindet, offiziell zwar keine Rolle spielen. In der Regel mischt sich das Konrad-Adenauer-Haus auch in solche Angelegenheiten der Gliederungen nicht ein. Doch soll es dem Vernehmen nach am Rande ein Gespräch von Merkel mit Schierack geben. Und nach PNN-Informationen stößt in der CDU-Bundesführung der Versuch Ludwigs auf massive Kritik, für ihre Ambitionen die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche, die als parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium der Bundesregierung angehört, aus dem Bundestag zu verdrängen. Dass Ludwig als gescheiterte Landeschefin nun Brandenburgs einzigem Regierungsmitglied das Mandat streitig mache, sei einmalig, heißt es in Berlin. Reiche habe einen „direkten Draht zu Merkel“, die Kanzlerin habe sie zur parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium gemacht, sagte ein Vertrauter der Kanzlerin gegenüber den PNN. Auch sei es kein Zufall, dass Reiche im Amt geblieben sei, als Bundesumweltminister Norbert Röttgen gehen musste. Sie mache einen guten Job, sei vernetzt, habe offenkundig auch viel für Brandenburg und ihren Wahlkreis herausgeholt. Tatsächlich hatte sich in einem Fall sogar Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) genötigt gesehen, Verdienste der Unions-Politikerin öffentlich zu loben, nämlich um das neue Bundeswehr-Stationierungskonzept, bei dem das Land von Standort-Schließungen weitgehend verschont geblieben war. Andererseits ist Reiche, die ihre Karriere im Bund – sie begann 2002 mit der damals überraschenden Aufnahme in das Schattenkabinett des Kanzlerkandidaten  Edmund Stoiber, später war sie Vize-Fraktionschefin im Bundestag – ohne große brandenburgische Unterstützung machte, im Landesverband umstritten. Das liegt auch daran, dass sie mit Ex-Generalsekretär Sven Petke verheiratet ist, der sich mittlerweile aus der Spitze der Landes-CDU unter Ludwig aber zurückgezogen hat. Wenn Ludwig ein neues Wirkungsfeld im Bund suche, so heißt es in Berlin, „würde das Brandenburgs CDU im Bund wieder abhängen.“ Sonderlich gut stand die märkische Union dort nie da, als kleinster Landesverband und nach den Wahlergebnissen seit 1990 die „schwächste CDU Deutschlands“, wie Ludwig selbst 2008 in einem Strategiepapier mit anderen Vorständlern analysiert hatte.

In den 90er Jahren war im Adenauer-Haus der von Grabenkämpfen zerrüttete Landesverband sogar schon einmal abgeschrieben. Die Unberechenbarkeit der Landes-CDU hatte selbst Angela Merkel zu spüren bekommen, als die Bonner Familienministerin unter Kanzler Helmut Kohl 1991 in Brandenburg Landesvorsitzende werden wollte, aber gegen den Gewerkschafter Ulf Fink durchfiel. Doch so belastet wie unter Ludwig war das Verhältnis zur Bundespartei nie, heißt es in Berlin. Ein Grund war die in Diskrepanz zum Leistungsvermögen der märkischen Union stehende Abgrenzungs-Strategie, die sie als Landeschefin 2011 auf einem Parteitag so formuliert hatte: „Zu unserem Selbstverständnis gehört, dass wir kein Anhängsel der Bundes-CDU sind.“ In ihrer Amtszeit nahm Ludwig, die sich als Konservative zu profilieren versuchte, mehrfach offen Gegenpositionen zum Kurs der Kanzlerin ein. Sie war bundesweit die einzige CDU-Landeschefin, die im „Berliner Kreis“ von Merkel enttäuschter Konservativer mitmachte, sie kritisierte den schwarz-gelben Atomausstieg, den Kurs zur Euro-Rettung. Auch mit ihrer Praxis, als publizistische Plattform regelmäßig das Rechts-Außen-Blatt „Junge Freiheit“ zu nutzen, war Ludwig als Landes- und Fraktionschefin bundesweit eine Ausnahme. Das alles hatte Folgen. Im Bundesvorstand der CDU ist Brandenburg derzeit nicht vertreten. Im Oktober 2011 hatte Generalsekretär Dieter Dombrowski, den Einzug knapp verfehlt. Er will jetzt, inzwischen Chef der Landtagsfraktion, bei der Wahl Ende 2012 einen neuen Anlauf machen.

Zu ihren Bundes-Ambitionen hat sich Ludwig bislang nicht öffentlich geäußert. Es gibt auch Stimmen in Brandenburgs CDU-Spitze, die ihren Wechsel auf die Bundesebene befürworten. Die Beweggründe sind unterschiedlich. Sie reichen von persönlicher Verbundenheit, dem Motiv, sie zu versorgen, dem zerrütteten Verhältnis zu Reiche bis hin zum Ansatz, sie möglichst nicht mehr in der Landtagsfraktion zu haben. Außerdem hat Ludwig mit Potsdam-Mittelmark, dem sie bislang stützenden Kreisverband, dem größten im Land, eine Hausmacht. Und die zählt, wenn es um die Vergabe der den Einzug in den Bundestag im Herbst 2013 und in den Landtag 2014 garantierenden sicheren Listenplätze geht. Da Ludwig als ehrgeizig wie überzeugungsgetrieben gilt, sie in Brandenburgs CDU-Bundestagsgruppe sofort die prägende Figur würde, wären aber neue Verwicklungen programmiert – mit der Bundespartei und mit der CDU-Landesspitze unter Schierack. Die designierte Generalsekretärin Heinrich formuliert es so: „Uns würde doch keiner mehr ernst nehmen.“

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