Brandenburg: Olympia im Grünen
Fußball in Cottbus, Rudern im Beetzsee – Brandenburgs Landespolitik und der Sport grübeln über die Berliner Olympia-Bewerbung. So richtig rechnet niemand damit, dass es so weit kommt
- Thorsten Metzner
- Sabine Beikler
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Olympische Spiele 2024 oder 2028 in Berlin? Schöne Debatte, aber warum eigentlich keine gemeinsamen Spiele mit Brandenburg? Aus Potsdam ist erste Zustimmung für eine Berliner Olympia-Bewerbung zu hören, aber auch Ablehnung. Es gibt schon viele Ideen.
OLYMPIA IN COTTBUS
Aus Brandenburg gibt es erste Zustimmung für eine Berliner Olympia-Bewerbung, aber auch Widerstand. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte, wenn Berlin eine Austragung der Olympischen Spiele angehe, werde man das unterstützen. Er verwies auf die Sportinfrastruktur seines Landes. „Wir haben hervorragende Sportstätten in Brandenburg. Ich denke da an die Regattastrecke am Beetzsee, an das Fußballstadion in Cottbus.“ Allerdings sehen das die Linken, mit denen die SPD bislang regiert, anders. „Wir bräuchten erst einmal einen Flughafen“, sagte Linke-Finanzminister und Parteichef Christian Görke. Und Margitta Mächtig, Linke-Fraktionschefin im Landtag, lehnte eine Unterstützung der Brandenburger Landesregierung für eine Berliner Bewerbung rundweg ab. „Ich weiß nicht, welche Probleme Berlin nicht hat, dass es sich jetzt um so eine Bewerbung kümmert.“ Auch Brandenburg habe dringlichere Probleme, die gelöst werden müssten, sagte sie. Trotz der zustimmenden Worte von Woidke herrscht in der Landesregierung aber nach PNN-Informationen grundsätzlich Skepsis, ob Berlin überhaupt mit einer Olympia-Bewerbung Erfolg hat. Auch Hamburg bewirbt sich um die Austragung. Zudem rechnet die Landesregierung in Potsdam mit erheblichem Widerstand der Berliner und mit einem neuen, auch erfolgreichen Volksbegehren wie beim Tempelhofer Feld.
OPPOSITION LEHNT OLYMPIA AB
Skepsis kommt auch von FDP und Grünen im Landtag. FDP-Fraktionschef Andreas Büttner sagte, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sollte sich lieber darum kümmern, dass der Hauptstadtflughafen BER fertig werde. Sportler könnten nicht landen ohne funktionierenden Flughafen. Ähnlich äußerte sich Grüne-Fraktionschef Axel Vogel. ,,In erster Linie geht es bei Olympia heutzutage weniger um Sport als um Geld. Vorleistungen der Austragungsländer, Geld für die TV-Rechte und Lizenzgebühren überlagern die olympische Idee", sagte Vogel. ,,Dass die Bevölkerung am Austragungsort unterm Strich von den Spielen profitiert, ist zu bezweifeln.“ CDU-Chef Michael Schierack sagte, in Berlin müsste viel geklärt werden. „Aber es könnte ein Impuls für die Region sein.“
35 SPORTSTÄTTEN FÜR OLYMPIA
Man kann sich Olympia in Zahlen annähern. Die Spiele sind ein internationales Sportfest an 17 Tagen mit 44 Weltmeisterschaften in 28 Sportarten. Um Olympia zu veranstalten, braucht man 35 Wettkampfstätten für 2000 bis 60 000 Zuschauer und mindestens 30 Trainingsstätten. Im Olympischen Dorf müssen 16 000 Athleten sowie Offizielle untergebracht werden. Für die „Olympische Familie“ sind 42 000 Hotelzimmer notwendig.
WETTKÄMPFE IN DEN MESSEHALLEN
Das Problem ist laut BUND-Landesgeschäftsführer Tilman Heuser nicht die Zahl der Sportstätten, sondern die notwendigen Zuschauerkapazitäten. Das Olympiastadion, die O2-Arena, die Max- Schmeling-Halle, das Velodrom und das Jahn-Stadion sind für große Veranstaltungen geeignet und können von 12 000 Zuschauern (Max-Schmeling-Halle, Velodrom) über 20 000 (Jahn-Stadion oder O2-Arena) bis zu fast 76 000 Besucher im Olympiastadion aufnehmen. Ein Bedarf für weitere Stadien sei deshalb nicht zu erkennen. Peter Hahn, Stabstellenleiter Sportinfrastruktur beim Berliner Landessportbund (LSB), sagt, man könne den Jahn-Sportpark noch ausbauen, zum Beispiel für Frauen-Fußball. Für Hallensportarten könnten Teile der Messe mit City-Cube, die Hangars und das Vorfeld des Flughafengeländes Tempelhof, die Straße des 17. Juni (für Beach-Volleyball) sowie die Pferderennbahnen in Hoppegarten, Karlshorst oder Mariendorf genutzt werden.
WETTKÄMPFE AUSSERHALB BERLINS
Eine Regattastrecke gibt es am Beetzsee in der Stadt Brandenburg. Dort läuft im Juli die Europameisterschaft im Kanurennsport und in zwei Jahren die Ruder-EM. Kajak-Wildwasserstrecken sind laut Hahn in Sachsen vorhanden. Unterstützung gibt es aus Brandenburg. Andreas Gerlach, Hauptgeschäftsführer des LSB Brandenburg, schlägt für den Frauenfußball das Stadion der Freundschaft in Cottbus vor. Geeignet sind für Reitwettbewerbe die Anlagen in Neustadt/Dosse. Gerlach kann sich auch vorstellen, dass Triathlon- oder Radsport-Wettkämpfe durch Brandenburg führen. Laut Gerlach seien Wege von eineinhalb Stunden auch bei Olympischen Spielen nicht ungewöhnlich. Allerdings müsse der Ausbau der Strecken in die drei potenziellen Austragungsorte im Zuge der Bewerbung Berlins geklärt werden. Über die genannten Austragungsorte Cottbus, Brandenburg/Havel und Neustadt/Dosse hinaus sieht Gerlach keine olympiatauglichen Sportstätten, weder in Potsdam noch im Berliner Speckgürtel. Das Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion, die MBS-Arena in Potsdam oder auch die Turm Erlebniscity in Oranienburg seien von der Größe und den technischen Voraussetzungen her nicht geeignet. Gerlach betonte, das der LSB einen Neubau nie fordern würde. „Was will man in Potsdam mit einer 13000-Zuschauer-Halle“, sagte Gerlach, „das funktioniert nicht.“ Eine andere Frage sei, ob weitere Sportanlagen möglicherweise als Trainingsquartiere genutzt werden könnten wie 2006 das Potsdamer Stadion Luftschiffhafen von der ukrainischen Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft. Dies entscheide sich erfahrungsgemäß zwölf Monate vor der Veranstaltung. Für Segelwettbewerbe könne man sich eine Kooperation mit Rostock vorstellen.
OLYMPISCHES DORF
Das dürfte die größte Herausforderung für die Olympischen Spiele sein. 10 000 Athleten und 6000 Betreuer müssen untergebracht werden. Dafür werden 8000 bis 9000 Zimmer benötigt. Der BUND Berlin fordert ein sinnvolles Nachnutzungskonzept.
TOURISMUS
Eine „Touristenschwemme“ ist in Berlin nicht zu erwarten. Analog zu den Spielen in London schätzt der BUND, dass weniger Städte-Touristen in die Stadt kommen. Berlin habe bereits jetzt fast so viele Betten wie London (160 000). Außerdem gebe es in Potsdam und den Umlandgemeinden zusätzliche Kapazitäten. Das grüne Umland von Berlin würde auch touristisch von Olympischen Spielen in der Hauptstadt profitieren, heißt es bei der Landesregierung in Potsdam.
BEWERBUNG
Bis 31. August muss der Senat den Fragebogen beantwortet haben. Der DOSB entscheidet am 6. Dezember 2014, ob sich Deutschland und mit welcher Stadt – Berlin oder Hamburg – bewirbt. Die Kosten für die Bewerbung schwanken zwischen 30 und 60 Millionen Euro. Bis Herbst 2015 muss gegenüber dem IOC eine Interessenbekundung erfolgen, im Februar 2016 soll das erste Bewerbungskonzept eingereicht werden. Die Entscheidung über den Olympia-Standort ist im Herbst 2017 vorgesehen. Der BUND schlägt vor, dass nach einer Entscheidung des Abgeordnetenhauses über eine endgültige Bewerbung ein Volksentscheid initiiert wird. Sabine Beikler, Ingmar Höfgen
und Thorsten Metzner
- CDU
- Der Berliner Flughafen BER
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- Lars Klingbeil
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- Tempelhofer Feld
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