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Elon Musk und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r.) bei der Eröffnung der Gigafactory.

© dpa/Patrick Pleul

Unter Strom in Grünheide: Teslas E-Auto-Fabrik soll schnell wachsen - trotz Protesten

Vor einem Jahr eröffneten Tesla-Chef Elon Musk und Kanzler Olaf Scholz die deutsche Gigafactory. Es war ein Experiment. Wie ging es bisher aus?

Neulich hat Tesla in der Gigafactory Grünheide eine grellbunte Riesenrutsche installiert, just for fun - nur zum Spaß. Die Mitarbeiter können jetzt zur Arbeit rutschen, superschnell, versteht sich. Der US-Elektroautobauer, der die weltweite Umstellung auf nachhaltige Energie als Geschäftsmodell propagiert, hat das Video dazu selbst via Twitter veröffentlicht - als PR-Botschaft, wie hip und cool das Arbeiten bei Elon Musks Tesla sei.

Im krassen Gegensatz dazu zeichneten Umweltverbände am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Berlin ein Horrorbild vom neuen E-Auto-Werk, das der Region das Wasser abgrabe und ein Risiko für die Umwelt sei. Tesla polarisiert.

Wie steht es um das Werk, das auf den Tag genau vor einem einem Jahr Musk und Kanzler Olaf Scholz (SPD) eröffnet hatten? Es war im November 2019 angekündigt und im „Tesla-Tempo“ über Vorabzulassungen parallel zum Genehmigungsverfahren - ein Novum in Deutschland - an den östlichen Berliner Autobahnring geklotzt worden. Es war von Beginn an ein Experiment, ein Weckruf für die deutsche Autoindustrie, die den E-Auto-Trend lange verschlafen hatte.

10.000 Menschen und 500 Roboter am Fließband

Industriepolitisch ist die Fabrik, in die Tesla schätzungsweise vier Milliarden Euro investiert hat, ein Vorzeigeprojekt. Es ist ein High-Tech-Werk, mit 500 Robotern an den Taktstraßen, eine der modernsten Fabriken Europas. Und eine mit „Sog-Effekt“, wie Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sagt.

Auf der letzten Sitzung der „Task Force Tesla“ der Brandenburger Landesregierung unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am 24. Januar 2023 wurde der Stand so bilanziert: „Der Produktionshochlauf, die Nachfrage an Fahrzeugen und die Fachkräftegewinnung verlaufen aus Sicht von Tesla zufriedenstellend“, hieß es laut Protokoll. „Über zehntausend Arbeitsplätze hat Tesla mittlerweile in Brandenburg geschaffen.“ Das Hochfahren des Werks und der Personalaufwuchs würden „unverändert fortgesetzt“.

Wir haben gut 1400 Arbeitslose zu Tesla vermittelt.

 Jochen Freyer, der Chef der Agentur für Arbeit in Frankfurt/Oder

10.000 Industriejobs in einem Jahr, das dürfte Rekord in Deutschland sein, wobei mehr als 60 Prozent der Tesla-Werker aus Berlin nach Grünheide pendeln. Die Regios sind proppenvoll. Der US-Elektroautobauer ist aus dem Stand zum größten Industrieunternehmen der Hauptstadtregion durchgestartet.

„Wir haben gut 1400 Arbeitslose zu Tesla vermittelt“, sagt Jochen Freyer, der Chef der Agentur für Arbeit in Frankfurt/Oder. „Etwa die Hälfte war zuvor langzeitarbeitslos und hat Leistungen vom Jobcenter bezogen.“ Zwar kritisiert die IG Metall, dass die Arbeitsbedingungen etwa mit Schichtsystemen und Mehrarbeit an Wochenenden zu belastend seien und die Löhne 10 bis 15 Prozent unter Tarif lägen. Doch dieses Lohnniveau ist immer noch höher als das, was viele Unternehmen in Brandenburg zahlen, einem Land mit geringer Tarifbindung.

Arbeitsmarkt abgegrast

Inzwischen ist - die angekündigten 12.000 Jobs der ersten Ausbaustufe sind fast erreicht - der heimische Arbeitsmarkt weitgehend abgegrast, sodass Tesla neuerdings verstärkt in Polen wirbt. Gesucht wird so ziemlich alles, vom Elektriker bis zum Schichtleiter. Pro Woche rollen im Drei-Schicht-System in Grünheide mittlerweile 4000 Fahrzeuge des Mittelklasse E-SUVs Model Y (Preis rund 60.000 Euro) vom Band, was einer Jahresproduktion von 200.000 Fahrzeugen entspricht.

Das Werksgelände in Grünheide.
Das Werksgelände in Grünheide.

© dpa/Patrick Pleul

Die bisher genehmigte Kapazität beträgt 500.000 Autos pro Jahr. Und der Druck ist intern groß, gerade bei diesem Global Player, das Werk noch schneller hochzufahren und Europas größtes E-Auto-Werk zu werden. Die Batteriefabrik ist ebenfalls fertig, allerdings im Standby-Modus. Bisher werden hier noch keine Batteriezellen hergestellt, sondern Teile, die in die USA geliefert werden, wo Tesla seine Zellproduktion wegen Milliardensubventionen aktuell konzentriert.

Umweltverbände fordern Produktions- und Ausbaustopp

Für den Brandenburger Naturschutzbund, die Grüne Liga und den Verein für Natur und Landschaft (VNLB) aus der Region ist das Werk dagegen nach wie vor der Sündenfall schlechthin, wie am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Berlin anlässlich des einjährigen Jubiläums und des Weltwassertages bekräftigt wurde. Eine Begründung: Der Wasserverbrauch sei für die immer trockenere Region zu hoch.

Zeitlich abgestimmt zu dieser Pressekonferenz fand vorher eine Aktion linker und linksradikaler Gruppen wie „Ende Gelände“ und „Interventionistische Linke“ gegen einen Tesla-Showroom im Einkaufszentrum Mall of Berlin statt, der von Vermummten mit Farbbeuteln beworfen und Plakaten mit der Aufschrift „Driving For A Dead Planet“ beklebt wurde. Gefordert wurde: „Keinen Liter Wasser mehr für Tesla!“

Teilnehmerin an einer Demonstration gegen die Ansiedlung von Tesla.
Teilnehmerin an einer Demonstration gegen die Ansiedlung von Tesla.

© dpa/Paul Zinken

Besonders der Konflikt um das Wasser hat im ersten Jahr regelmäßig für Schlagzeilen gesorgt. Die drei Umweltorganisationen lehnen jedweden weiteren Ausbau der Fabrik kategorisch ab. Nabu und Grüne Liga gehen nach wie vor juristisch gegen die Hauptgenehmigung für das Werk vor, was mit der Wasserknappheit, ungenügenden Störfall-Vorkehrungen und anderen unzureichend berücksichtigten Umweltauswirkungen trotz der Lage im Trinkwassergebiet begründet wird.

Sie sehen nach dem ersten Jahr - mit Vorfällen von ausgelaufenen Chemikalien und einem Großbrand - ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt und werfen Brandenburgs Politik und Behörden vor, Tesla alles durchgehen zu lassen. Zuletzt hatte Tesla illegal 104 Pfähle für Solardächer über dem Großparkplatz in den Boden gerammt, was die Behörden stoppten.

Tesla darf nach der bisherigen Genehmigung 1,3 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr verbrauchen und hat Lieferverträge mit dem Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE). Der hat inzwischen die Wasserabnahme in der Region kontingentiert und legt gegen neue Wohnungs- und Gewerbeprojekte sein Veto ein.

„Tesla ist zum Entwicklungshemmnis in der Region geworden“, sagt deshalb Steffen Schorcht für die Grüne Liga und selbst Anwohner. Es seien noch nicht einmal alle Auflagen der bisherigen Genehmigung erfüllt, so dass die Produktion gestoppt werden müsse. Umweltminister Axel Vogel (Grüne) habe zwar kurz nach seinem Amtsantritt erklärt, dass Wasser der limitierende Faktor für Brandenburgs Entwicklung sei, aber „in seinen Entscheidungen kümmert es ihn nicht“, sagte Christiane Schröder, Geschäftsführerin des Naturschutzbundes.

Im Werk der Tesla Gigafactory stehen Karosserieteile aus Aluminium für das Elektrofahrzeug vom Typ Model Y.
Im Werk der Tesla Gigafactory stehen Karosserieteile aus Aluminium für das Elektrofahrzeug vom Typ Model Y.

© dpa/Patrick Pleul

Nötig sei endlich ein „Umdenken der Politik“. Zwar geht der Nabu nicht davon aus, dass das Werk wieder abgerissen wird, selbst bei einem Erfolg vor Gericht. „Doch es muss so nachgebessert werden, dass es im Einklang mit Natur und Umwelt steht“, erklärte Thorsten Deppner, der die Verbände juristisch vertritt. Weiter geht der VNLB, dessen Chefin Manu Hoyer erklärt: „Ich würde mich freuen, wenn das Werk stillgelegt wird.“

Die Sensibilität in der Region für die Wasserproblematik ist uns bewusst. Wir nehmen das ernst.

Teslas offizielles Statement zum Umgang mit Wasser in der Region

Das Unternehmen selbst sieht sich zu Unrecht am Pranger, weist die Vorwürfe zurück. „Tesla arbeitet kontinuierlich daran, den Wasserverbrauch der Gigafactory Berlin-Brandenburg zu verringern und alle Prozesse permanent zu optimieren“, erklärte Tesla gegenüber dem Tagesspiegel. „Die Sensibilität in der Region für die Wasserproblematik ist uns bewusst. Wir nehmen das ernst.“

Das sind durchaus neue Töne, nachdem Elon Musk anfangs Wasserprobleme in der Region gar nicht wahrhaben wollte, sich bei einem Werkbesuch darüber lustig machte, was nicht gut ankam. Zu Vorfällen wie den Schwarzbau-Pfählen äußert sich Tesla öffentlich nicht. Doch versicherte die Firma jüngst bei einem Krisentreffen auf Einladung von Umweltminister Vogel, dass intern die Abläufe reorganisiert wurden, um Wiederholungen auszuschließen.

Brandenburg auf dem Weg zum E-Autoland?

Der US-Elektroautobauer will die Fabrik erweitern, wieder im „Tesla-Tempo“. Nur ein Jahr nach dem Start hat Tesla vergangene Woche den Antrag für die zweite Ausbaustufe eingereicht, um mit neuen Werkhallen auf dem bisherigen Gelände die Produktionskapazität auf eine Million Autos pro Jahr zu erhöhen.

Wie viele Jobs hinzukommen, ist bisher nicht bekannt. Für den Ausbau wird kein zusätzliches Frischwasser benötigt, will man mit den bisherigen Mengen auskommen, und zwar so: „Aktueller Zustand ist, dass wir behandlungsbedürftige Prozessabwässer in der Abwasserbehandlungsanlage behandeln und dann einleiten“, erklärt Tesla. „Im Antrag auf erste Teilgenehmigung beantragen wir jetzt, diese behandlungsbedürftigen Prozessabwässer (auch der bestehenden Ausbaustufe) fortan vollständig aufzubereiten und wieder zu verwenden.“

Parallel will Tesla vom Land Brandenburg östlich des bisherigen 300 Hektar großen Werks weitere 100 Hektar Wald kaufen, um die Gigafactory zu vergrößern. Dort ist der künftige Güterbahnhof geplant. Die Gemeinde Grünheide hat dafür Ende 2022 die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans beschlossen. Auch hier sind weitere Konflikte programmiert, da die Fläche teilweise in einem Landschaftsschutzgebiet liegt.

Mit dem Werk, dieses Ziel verfolgt Brandenburgs Landesregierung nach wie vor, will Brandenburg in die Liga der großen Automobilwerk-Standorte wie Sindelfingen, Wolfsburg oder Ingolstadt vorstoßen - mit zukunftsträchtigen E-Autos statt Auslauf-Verbrennern.

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