
© AFP/Johannes Eisele
Brandenburg: Vogel warnt vor Pleite des Flughafens
Die Politik in Berlin und im Bund ist längst darauf eingestellt, dass für den BER mal eben 300 bis 500 Millionen Euro nachgeschossen werden. In Brandenburg wird gewarnt: Die EU könnte ein Veto einlegen.
Stand:
Berlin/Potsdam - Im Land Brandenburg sind die Opposition aus CDU, Grünen und FDP, aber auch die rot-rote Regierungskoalition beunruhigt darüber, welche Nachzahlungen wegen des Desasters um den neuen Flughafen BER womöglich für den ohnehin angespannten Landeshaushalt fällig werden. Am Freitag meldete sich Grünen-Fraktionschef Axel Vogel mit einer Warnung zu Wort, wonach beim Flughafen „Willy Brandt“ womöglich im Zuge des BER-Skandals der finanzielle Super-Gau drohen könnte: Vogel warnte vor der Pleite der Flughafengesellschaft. Denn die Länder und der Bund können, so Vogel unter Berufung auf Auskünfte der EU und eine Aussage von Finanzminister Helmuth Markov (Linke), gar nicht problemlos neues Geld an die Flughafengesellschaft geben – ohne vorheriges grünes Licht der EU-Kommission in Brüssel.
Diese hatte die öffentlichen 100-Prozent-Bürgschaften für das 2,4-Milliarden-Projekt, die den Löwenanteil der 3,3 Milliarden-Finanzierung ausmachten, im Jahr 2009 genehmigt. Mittlerweile ist der Kredit und das zur Verfügung stehende Geld für den Airport bis auf knapp 100 Millionen Euro ausgegeben, verplant oder gebunden, wie die PNN bereits vorige Woche unter Bezug auf Flughafen-Dokumente berichtet hatten. „Die EU kann aus Wettbewerbsgründen eine Finanzspritze aus Steuergeldern untersagen“, warnte Vogel. „Falls auch die Banken zu weiteren Krediten Nein sagen, wäre der Flughafen pleite!“
Risiken drohen dem Flughafen aber auch durch den Widerstand der Fluglärm-Betroffenen des künftigen Willy-Brandt-Airports. Die Berliner etwa haben ab Dienstag das Wort. Dann stimmen sie in einem Volksbegehren über ein Nachtflugverbot am neuen Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) zwischen 22 Uhr und sechs Uhr morgens ab. Die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren läuft über vier Monate bis zum 28. September, wie die Landesabstimmungsleiterin von Berlin am Freitag mitteilte. Damit es zustande kommt, müssten mindestens sieben Prozent der Stimmberechtigten zustimmen, das sind 173 000 Berlinerinnen und Berliner. In Brandenburg startet ein solches Volksbegehren am 4. Juni, es wird sechs Monate dauern. Doch bis dahin ist erst mal die Politik am Zug – vor allem der Bundestag.
Denn dort wurde am Freitag auch über das Nachtflugverbot diskutiert. Allerdings nur am Rande. Die eigentliche Diskussion drehte sich um die Versäumnisse und Verantwortlichkeiten rund um die verschobene BER-Eröffnung. Eine hitzige, emotionale Debatte entwickelte sich, bei der Peter Ramsauer lieber auf Distanz gegangen ist. Die erste Reihe der Regierungsbank bleibt verwaist, der Bundesverkehrsminister sitzt lieber in der zweiten Reihe, gerade so, als wolle er das Thema und die Debatte nicht allzu nah an sich herankommen lassen. Immerhin echauffieren sich die Abgeordneten vor ihm über das, was wechselweise mit den Worten „Blamage“, „Provinzniveau“ und „Versagen“ umschrieben wird: den Flughafen BER. Und an dem ist der Bund nun mal beteiligt, Staatssekretär Rainer Bomba aus seinem Ministerium sitzt als Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft. Ramsauer aber nahm die Debatte nur zur Kenntnis, nicht regungslos, im Gegenteil: Mal lächelte er süffisant, mal verzog er grimmig das Gesicht, ab und zu rollte er mit seinem Stuhl vor und zurück. Aber viel will er mit der ganzen Sache offenbar nicht zu tun haben.
Und das hat er auch erst mal nicht, jedenfalls hier nicht. Denn vor allem auf einen fokussierte sich ein Großteil der Kritik: Klaus Wowereit, den Regierenden Bürgermeister Berlins und Aufsichtsratsvorsitzenden. Am schärfsten wurde die FDP. Martin Lindner, Chef der Berliner FDP, nutzte die Bühne, die seine Partei im Abgeordnetenhaus nicht mehr hat, um die große Keule auszupacken. Der Flughafen sei für Wowereit eine Nummer zu groß, er könne nur gut agieren, wenn der rote Teppich schon ausgerollt sei. „Deswegen fordere ich Herrn Wowereit auf, unverzüglich vom Vorsitz des Aufsichtsrates zurückzutreten und seinen Platz für einen geeigneteren Senatskollegen freizumachen“, sagte er. Den Vorsitz im Aufsichtsrat solle ein Vertreter des Bundes einnehmen. Wowereit habe mehr Energie in die Schließung Tempelhofs gesteckt als in die Eröffnung des neuen Flughafens. In der ersten Reihe der SPD-Fraktion schlagen sie sich auf die Schenkel vor Lachen. Die Unionsabgeordneten kritisieren zwar auch das Agieren des Aufsichtsrates, wohlwissend, dass auch einer der ihren, nämlich Peter Ramsauer, mit im Boot sitzt, wenn es um ein mögliches Versagen des Kontrollgremiums Aufsichtsrat geht.
Union und SPD hielten sich mit der Forderung nach personellen Konsequenzen entsprechend zurück. Stattdessen forderten die Abgeordneten der beiden Parteien in der anderthalbstündigen Debatte mehr Transparenz und Informationen. „Ich erwarte, dass die Controlling-Berichte ungekürzt und ungeschwärzt zur Verfügung gestellt werden“, sagte beispielsweise der Verkehrsexperte der Union, Heinz-Peter Wichtel. Und auch Sören Bartol, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, betonte, wie notwendig nun der Blick in diese Berichte ist.
Renate Künast forderte nicht den Rücktritt Wowereits, aber eine „tabulose Aufklärung“. Die Fraktionschefin der Grünen bezweifelt, dass der Aufsichtsrat erst am 20. April von den Brandschutzproblemen erfahren hat. Sie fordert eine Prüfung, inwieweit das Flughafenmanagement und der Aufsichtsrat in Regress genommen werden können. Am Ende zog Johannes Kahrs (SPD) ein Fazit: „Es ist viel geredet, aber nichts gesagt worden. So eine Debatte hat der Bundestag nicht nötig.“
- Brandenburg
- CDU
- Der Berliner Flughafen BER
- Deutscher Bundestag
- Die EU
- FDP
- Klaus Wowereit
- Lars Klingbeil
- SPD
- Willy Brandt
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: