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Landeshauptstadt: Der Mann im Hintergrund

Im Streit um den Zaun am Pfingstberg mischt Aktivist Christoph Hörstel weiter mit

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Nauener Vorstadt - Noch vor einem Monat trat Christoph Hörstel im Hauptausschuss der Potsdamer Stadtverordneten für die Bürgerinitiative „Offener Pfingstberg“ auf. „Der Zaun muss verschwinden“, rief er dort. Nicht einmal 24 Stunden später teilte er mit, er werde die Initiative verlassen. Doch nach PNN-Recherchen agiert Hörstel weiter kräftig im Hintergrund und ruft zu Spenden auf – über eine neuen Verein, dessen Ziele völlig unklar sind.

Dass Hörstel sich aus der ersten Reihe des Protests am Pfingstberg zurückzog, hatte einen Grund: Plötzlich interessierte sich die Presse für seine politischen und sonstigen Aktivitäten. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ beschrieb ihn einmal als „politisch hochbewusst kalkulierenden Lobbyisten“ von Taliban und Hamas. An anderer Stelle wird Hörstel als Holocaustrelativierer, Israelgegner und Verschwörungstheoretiker dargestellt. Einer, der die CIA in die Anschläge vom 11. September 2001 verwickelt sieht, der findet, dass Deutschland keine Verantwortung für das Existenzrecht Israels hat, die Palästina-Politik der Bundesregierung zertrümmert gehört und Israel ein „Un-Staat“ sei und ein „Gaza-Massaker“ verübt habe. Der frühere ARD-Reporter wird auch von russischen, vor allem Kreml-nahen Medien gern als Experte interviewt. Erst kürzlich berichtete der „Spiegel“, dass die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti Hörstel als „Berater der deutschen Regierung“ zitiert. Zudem habe Hörstel Bundeskanzlerin Angela Merkel eine „Politik des Hochverrats“ vorgeworfen.

Weil die Bürgerinitiaitive für einen offenen Pfingstberg damit rein gar nichts zu tun habe, zog sich Hörstel als Sprecher zurück – jedenfalls vordergründig. In einer Rundmail an die Unterstützer der Bürgerinitiative, die den PNN vorliegt, bittet deren Vorsitzende – Hörstels Ehefrau Dominika – nun um Spenden auf das Konto des in Potsdam ansässigen Vereins Erziehung und Bildung in der Politik, kurz BEP e.V., ein befreundeter „Verein in der Nachbarschaft“, wie es in der von Dominika Hörstel verschickten Mail heißt. Um Spenden für diesen Verein, der seit Anfang September gemeinnützig ist, wirbt auch Christoph Hörstel – etwa auf seiner Seite im sozialen Netzwerk Facebook. Dort ist auch das Logo des Vereins als Titelbild zu sehen. Allerdings sei er kein Vereinsmitglied, schreibt Hörstel auf Facebook.

Enge Verbindungen gibt es trotzdem. So ist die Homepage des Vereins www.bepev.de auf den Domaininhaber Christoph Hörstel registriert. Neben einem Porträtfoto von Hörstel ist dort zu lesen, dass die Seite derzeit überarbeitet wird. „Vielen Dank für Ihr Verständnis. Ihr Christoph Hörstel.“ Zudem ist die Seite optisch identisch mit Hörstels persönlicher Homepage www.hoerstel.ch. Auch waren auf der Vereinsinternetseite Hörstels Auftritte bei Facebook, Twitter und Youtube verlinkt. Wer auf Kontakt klickt, kann Hörstel direkt eine Mail schreiben.

Hat Hörstel nun einfach Strohmänner installiert? Vorsitzender des Vereins ist der Potsdamer Claas Fischer. Der selbstständige Naturführer ist ein Nachbar Hörstels in der Nauener Vorstadt. Der Verein wolle Projekte fördern, die ethisch unterstützungswürdig sind, sagte er den PNN. Das gelte auch für die Initiative „Offener Pfingstberg“. Konkrete Ideen gebe es noch nicht. Die Arbeit von Christoph Hörstel heiße man gut, sagte Fischer.

Geht es Hörstel beim Protest gegen den Zaun am Pfingstberg weniger um den ständigen öffentlichen Zugang zum Park der Villa Henkel, als um Mathias Döpfner? Der Vorstandschef des Axel-Springer-Konzerns will die völlig heruntergekommene Villa Schlieffen sanieren, dort seine private Gemäldesammlung zeigen und den Park nach historischem Vorbild wieder herrichten. Der Vorteil für die Schlösserstiftung, die Eigentümerin der Flächen ist: Das Weltkulturerbe wird hergestellt, ohne dass öffentliche Gelder dafür ausgegeben werden müssen. Nur gehört zu Springers Unternehmensgrundsätzen „die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes“ sowie die „Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft“ mit den USA. Hörstel wiederum ist alles andere als ein Freund Israels.

Die Bürgerinitiative fordert, dass der neue Zaun – eine Sicherungsmaßnahme – abgerissen wird. Bei Facebook fordert Christoph Hörstel nun, den Verein BEP zu unterstützen, um gegen den Zaun vorzugehen. Springer-Chef Döpfner habe mit der Schlösserstiftung „ein wenig (...) gekungelt, um seine neue Potsdamer Villa mit eingezäuntem Sperrgebiet zu umgeben“, schrieb Hörstel. „Die Führungskräfte des Untergangs bereiten sich auf die Früchte ihres Tuns vor. Da werden wir jetzt helfen aufzuklären.“ Und weiter: „Wir benötigen eine gute Fotokamera! Wir müssen anfangen, mit professioneller Technik zu dokumentieren.“ An anderer Stelle wirbt Hörstel um Spenden für eine „geplante Gaza-Aktion“ und für einen russischen Kameramann, dem „noch ein Tüttel an seiner Rechnung“ fehle.

Mit dem Springer-Konzern hat offenbar auch Hörstels Frau ein Problem: Einen Autoren dieses Beitrages fragte sie, ob er in der Vergangenheit für ein Medium der Springer-Gruppe gearbeitet habe. Erst anschließend wollte sie Fragen zur Verbindung zwischen Bürgerinitiative und BEP beantworten: BEP sei in der Nachbarschaft angesiedelt und helfe der Initiative für einige Wochen aus, bis der der eigene Verein handlungsfähig sei. Christoph Hörstel war per Telefon nicht erreichbar.

Unterdessen haben sich Vertreter der Bürgerinitiative und Schlösserstiftungs-Chef Hartmut Dorgerloh am vergangen Freitag erstmals persönlich getroffen. „Man redet nicht mehr nur übereinander, sondern auch miteinander“, sagte Stiftungsprecher Frank Kallensee. Allerdings habe sich die Einschätzug der Stiftung bezüglich des Zauns nicht geändert. „Der bleibt stehen“, sagte Kallensee.

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