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Landeshauptstadt: Wer zieht mehr? Kanzlerin oder Kaiser?

Heute ist Supermontag im Potsdamer Bundestagswahlkampf. SPD tritt mit Schlagerstar gegen Angela Merkel an

Stand:

Am heutigen Super-Wahlkampf-Montag in Potsdam ist der Gegner von Kanzlerin Angela Merkel nicht SPD-Chef Sigmar Gabriel. Und auch nicht SPD-Fraktionsführer Frank-Walter Steinmeier. Merkels Rivale um die Gunst des Publikums ist Schlagerstar Roland Kaiser, berühmt mit Hits wie „Santa Maria“ oder „Manchmal möchte ich schon mit dir“.

Pikanterweise fallen die Großveranstaltungen der SPD und der CDU in Potsdam auf den heutigen Montag. Merkels Veranstaltung am Bassinplatz beginnt um 18.30 Uhr, sie selbst soll 19.30 Uhr ans Rednerpult treten. Gabriel kommt ab 17.30 Uhr in den rund einen Kilometer entfernten Lustgarten. Nach der Rede des Sozialdemokraten, der von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident Dietmar Woidke unterstützt wird, geht Roland Kaiser auf die Bühne – Punkt 19.30 Uhr. Bei den Veranstaltungen werden Hunderte, vielleicht Tausende Zuschauer erwartet. Die Polizei ist nach Behördenangaben auf einen Großeinsatz eingestellt, für die Bundeskanzlerin gilt die höchste Sicherheitsstufe. Schon vorher – ab 15 Uhr – wollte Grünen-Chef Cem Özdemir nach Potsdam kommen, sagte aber am Sonntag aus Krankheitsgründen ab.

Die geballte Politprominenz lockert den bisher eher verhalten geführten Wahlkampf in Potsdam auf, während dessen heißer Phase auch einige Bundespolitiker den Weg nach Potsdam fanden. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück war nicht dabei. Dafür reiste er Ende Februar zum Auftakt einer Länderreise in die Landeshauptstadt – in die Schlagzeilen kam sein Besuch, weil er die italienischen Wahlsieger Silvio Berlusconi und Beppo Grillo öffentlich als „Clowns“ bezeichnete. Später war er noch beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow und im Juni beim großen SPD-Sommerfest im Volkspark. Die Schwergewichte anderer Parteien besuchten Potsdam später: Für die Grünen war im August Spitzenkandidat Jürgen Trittin zu Gast, für die FDP kamen Rainer Brüderle und Außenminister Guido Westerwelle. Die Besucherzahlen blieben bei den meisten Veranstaltungen überschaubar, zu den Ausnahmen gehörte das Linke-Wahlauftaktkonzert im Lustgarten mit Parteichefin Katja Kipping und der bekannten Folk-Band „Mutabor“. Andere Prominente der Linken kamen nicht.

Für die Linken bleibt das auch so – Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi tritt zur letzten Großveranstaltung der Partei in der Mark am Samstag in Brandenburg an der Havel ans Mikrofon – und nicht in der Landeshauptstadt. Nach Potsdam kommt noch am Dienstag CDU-Generalsekretär Hermann-Gröhe, der ab 20.30 Uhr eine Kneipentour absolviert, die in der „Hohlen Birne“ in der Mittelstraße beginnt. Und am Freitag veranstaltet Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring- Eckardt ab 12 Uhr noch ein Familienessen mit Potsdamern auf der Brandenburger Straße.

Derweil kämpfen die Potsdamer Direktkandidaten für die Bundestagswahl um die Gunst der Wähler. Zuweilen war das recht mühsam, bei den vereinzelten Talkrunden vor der Wahl war das Publikumsinteresse äußerst gering. Auffällig: Dabei geben sich die Parteien betont bürgernah – wie jetzt am Wochenende, als die Kandidatinnen der SPD und der Grünen, Andrea Wicklein und Annalena Baerbock, bei einem für Bürger kostenlosen Frühstück für rot-grüne Politik warben. Wicklein setzte sogar auf persönliche Hausbesuche, putzte Klinken. Und FDP-Kandidatin Jacqueline Krüger – sie ist unter den Kandidaten die einzige aus der privaten Wirtschaft und wirbt sonst mit ihrer Casting-Agentur um Teilnehmer für Shows wie „Der Bachelor“ – absolvierte bis jetzt schon mehr als 160 Termine, stellte sich unter anderem an jedem Morgen an einen Wahlkampfstand und verteilte Kaffee: schwarz, mit Milch oder Zucker, getreu ihrem Motto „Jeder nach seiner Façon!“. Linke-Kandidat Norbert Müller versuchte seine Botschaften auch mit regelmäßigen Video-Podcasts unter das Volks zu bringen – während Piraten-Aspirant Cornelius Everding bei den wenigen Podiumsdiskussionen zwar selbst die Konkurrenz durch Sachverstand beeindruckte, er aber immer noch keine Internetseite besitzt. Für den einzigen Aufreger sorgten wiederum die Linken, die bei Facebook über beschmierte CDU-Plakate lästerten. Ansonsten ist der Wahlkampf vergleichsweise fair gewesen, sagen Wahlkampfhelfer aller Parteien. Für Ärger habe aber gesorgt, dass wie berichtet, deutlich mehr Wahlplakate als bei anderen Wahlen beschädigt wurden.

Der Potsdamer Wahlkreis 61 gilt als hart umkämpft. 2009 gewann Wicklein mit einem hauchdünnen Vorsprung von 201 Stimmen gegen Rolf Kutzmutz von den Linken, CDU-Kandidatin Katherina Reiche landete auf Platz drei. In diesem Jahr läuft es dagegen auf ein Duell zwischen Wicklein und Reiche hinaus, dem 27 Jahre alten Norbert Müller wird nur der dritte Platz zugetraut. Gerade für Andrea Wicklein geht es nach elf Jahren im Bundestag um viel, weil sie bei einer Niederlage gegen Reiche nicht abgesichert wäre – wegen eines vergleichsweise ungünstigen Platzes auf der Bundestagsliste der Landes-SPD. Eine Zitterpartie wird es für Müller von den Linken, der von seiner Partei nur auf Platz sechs der Landesliste gewählt wurde. Noch geringer stehen die Chancen für Krüger von den Liberalen für ein Mandat über die Liste ihrer Partei. Erschwerend kommt für sie dazu, dass nach Aussage von Mitgliedern ihres Wahlkampfteams auch kaum Unterstützung von Teilen der Potsdamer FDP kommt. Bekanntlich hatte sich Krüger nur knapp in einer Kampfabstimmung gegen den damaligen Kreischef Marcel Yon durchgesetzt. Der hatte zuletzt öffentlich erklärt, aus wahltaktischen Gründen SPD-Kandidatin Wicklein seine Stimme zu geben – ein Affront aus Sicht einiger Liberaler.

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