
© Manfred Thomas
Von Klaus Büstrin: Unabgestanden
Kleists „Amphitryon“ wird auf dem Q-Hof vom Poetenpack gespielt
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Theben auf dem Q-Hof. Das alte Griechenland also auf einem alten Bauernhof. Immerhin am Park Sanssouci. Aber was hat der Q-Hof in der Nähe des Kuhtores nicht schon alles gesehen? Spanien, Italien, Schweden und die Niederlande. In diese Länder führte die Theatertruppe Poetenpack bislang seine Zuschauer. In diesem Sommer nun sind die Zuschauer dorthin eingeladen, wo die Ursprünge des europäischen Theaters zu finden sind, nach Griechenland. Man spielt „Amphitryon“. Nicht das des antiken Dichters Plautus, sondern jenes, das der wohl preußischste Dichter geschrieben hat: Heinrich von Kleist. Er ließ sich von dem französischen Barockdichter Moliére zu einer Bearbeitung inspirieren. Natürlich fand er dafür viele eigene Akzente. Aber selbst nur selten fand die Komödie, die Thomas Mann als das schönste deutsche Lustspiel bezeichnete, bisher auf die Bühne des Potsdamer Stadttheaters. Das letzte Mal 1976. Für das kommende Frühjahr hat das Hans Otto Theater eine Neuproduktion von „Amphitryon“ angekündigt.
„Wir finden das sehr interessant, dass kurz hintereinander zwei Inszenierungen desselben Stückes in Potsdam zu sehen sind. Die Zuschauer können somit die Ergebnisse vergleichen“, sagt Andreas Hueck, der Chef des Poetenpacks und zugleich Darsteller des Jupiters, während eines Pressegesprächs am Donnerstag.
Vor elf Jahren gründete Hueck die freie Theatergruppe und bereichert besonders das karge kulturelle Leben der Landeshauptstadt der Sommermonate. Nicht nur Potsdam wird von den Schauspielern belebt, sondern auch andere Städte und Orte, mittlerweile in ganz Deutschland und in Österreich. Rund 70 Mal schlägt das Poetenpack seinen Thespiskarren in diesem Jahr auf. Hatten in der vergangenen Zeit die Theaterstücke William Shakespeares in der Sommerspielzeit Priorität, so reist man 2010 vor allem mit Kleist durch die Lande. Der Erfolg, den die Truppe mit dem Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ bei der Premiere vor drei Jahren ernten konnte, hält unvermindert an. Nun wollte sie sich mit einem anderen Kleist-Stück auseinandersetzen. Die Wahl fiel auf „Amphitryon“ aus dem Jahre 1805, also der Zeit, in der der Dichter besonders produktiv war. Er arbeitete damals unter anderen auch an „Michael Kohlhaas“ und „Penthesilea“.
Die Poetenpack-Premiere zu „Amphitryon“ fand bereits im Juni auf der Hundisburg in der Nähe von Magdeburg statt. Auch in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts hat die Inszenierung von Justus Carriére, der auch beim „Krug“ Regie führte, in einer Aufführungsserie großen Erfolg verbuchen können. Erstmalig wird in Potsdam am 12. August „Amphitryon“ zu sehen sein.
Aus Liebe zu Alkmene schlüpft der Gott Jupiter in die Gestalt des Amphitryon und verbringt eine leidenschaftliche Liebesnacht mit ihr, während der „echte“ Amphitryon nach erfolgreicher Schlacht gegen die Athener die Rückkehr in die thebanische Heimat vorbereitet. Jupiter wird bei seinem intriganten Spiel von Merkur, der die Gestalt des Sosias, Amphitryons Diener, annimmt, unterstützt. Als Amphitryon am nächsten Morgen auf Alkmene trifft, eskaliert der Streit: Der Ehemann wirft ihr vor, einem Betrüger aufgesessen zu sein und tadelt sie als lieblose Verräterin. Alkmene bleibt dieses Verhalten völlig unverständlich. In mehreren Dialogen wird der Konflikt über die verlorene Identität ausgetragen, bis sich Jupiter schließlich als Gott zu erkennen gibt, das Vexierspiel auflöst und Amphitryon einen Wunsch gewährt. Der gottesfürchtige Amphitryon verzeiht Jupiter seine Intrige und erbittet sich die Geburt eines Sohnes. Bevor Jupiter zum Olymp aufsteigt, prophezeit er die Geburt des mächtigen Heros Herakles.
Im Stück geht es um Liebe und Identität, göttliche Anmaßung und menschliche Ohnmacht. Wenn es unter den wenigen Komödien in deutscher Sprache eine gibt, deren geschliffene Witzigkeit und Raffinesse unabgestanden die Jahrhunderte überdauert hat, dann ist es eben „Amphitryon“.
„Wahrscheinlich ist das Stück eines der zartesten und brutalsten Seelenspiele, die es gibt, schamlos und dezent zugleich. Kein Stück entblättert das Innerste so nachhaltig wie Kleists ,Amphitryon‘“, sagt Sosias-Darsteller Teo Vadersen, der bereits als Dorfrichter Adam in „Der zerbrochene Krug“ zu sehen war. Auch die Potsdamer Schauspielerin Johanna Lesch, die ebenfalls zum Krug-Ensemble gehört, ist glücklich in dieser Inszenierung mitwirken zu können. „Kleist macht süchtig“, erklärt sie. „Das Tolle ist, dass man bei diesem Dichter ganz und gar der Sprache vertrauen kann.“ Der permanente Wortwitz auf der Oberfläche der Verse, der auch direkt darunter funkelt, ist ja einmalig. Johanna Lesch und Teo Vadersen, die das Buffo-Paar Charis und Sosias spielen, gaben auf dem Q-Hof szenisch und sprachlich einen kleinen Eindruck von Kleists „Amphitryon“. Da war bereits ein Aufblitzen zu erleben, das neugierig macht.
Die Premiere von „Amphitryon“ findet am 12. August im Q-Hof, Lennéstraße 37, um 20 Uhr statt. Es folgen sieben weitere Vorstellungen. Informationen und Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 9 79 12 91 oder im Internet unter
www.poetenpack.net
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