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Beauden Barrett will mit Neuseeland erneut den Titel gewinnen.

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Viertelfinale der Rugby-WM in Japan: Ein Klassiker, viele Kalorien und die Angst vor dem Kontrollverlust

Die Rugby-WM geht jetzt erst so richtig los, im Viertelfinale treffen einige Titelfavoriten schon direkt aufeinander. Und dann ist da noch der Gastgeber.

Rugby-Weltmeisterschaften sind bis zum Viertelfinale in der Regel ziemlich überraschungsfreie Veranstaltungen. Von den fünf Nationen, die es bisher in ein WM-Finale geschafft haben, ist bei acht Titelkämpfen nur eine jemals in der Vorrunde ausgeschieden. Das passierte ausgerechnet England vor vier Jahren bei der Heim-WM. Australien, Neuseeland, Frankreich und Südafrika haben bisher bei all ihren Teilnahmen immer das Viertelfinale erreicht.

So ist es auch bei aktuellen Auflage in Japan, neben den großen Fünf konnten sich außerdem noch Irland, Wales und der WM-Gastgeber für die erste K.o.-Runde qualifizieren, die Japaner schafften dies zum allerersten Mal. Auch deshalb fühlte sich die erste Weltmeisterschaft auf asiatischem Boden bisher so anders an, als die Turniere in der Vergangenheit.

Trotzdem ist im Viertelfinale nun wieder alles so wie es eigentlich immer war bei einer Rugby-WM. Die Top-Nationen sind (beinahe) unter sich und so einhellig begeistert die Fachwelt bisher vom Auftritt der Japaner war, so einig sind sich die Experten in der Annahme, dass im Viertelfinale gegen Südafrika Endstation ist für das Team aus Asien. In den Vorhersagen sind „Springboks“ klarer Favorit, ein Sieg mit 15 Punkten sollte es den Analysen zufolge werden.

Normalerweise spricht tatsächlich viel für die Südafrikaner, im Vorfeld der WM gab es in einem Testspiel ein deutliches 41:7. Dass auch Fachleute irren können, bewies Japan vor vier Jahren in der Vorrunde. Damals war Südafrika sogar Favorit auf einen Erfolg mit 42 Punkten Unterschied, am Ende stand die vielleicht größte Sensation der Rugby-Geschichte. Japan siegte 34:32, schied anschließend aber dennoch in der Gruppenphase aus.

Die Südafrikaner werden allerdings nicht noch einmal den Fehler machen und überheblich in ein Spiel gegen Japan gehen. Für sie geht das Turnier jetzt erst so richtig los, während der Gegner schon mehrere Höhepunkte bei dieser WM erlebt hat. Die Siege gegen Irland und Schottland in der Vorrunde haben viel Kraft gekostet, gerade weil die Japaner viel über ihre Explosivität und Schnelligkeit kommen.

Die Flügelstürmer Kotaro Matsushima und Kenki Fukuoka haben neun der 13 Versuche für ihr Team erzielt, nun steht mit Südafrika allerdings ein körperlich enorm starkes Team gegenüber, das in der Lage ist, jede offensive Woge an sich abprallen zu lassen. „Ich denke, wir sind die Favoriten. Das macht es allerdings nicht einfacher, aber wir werden so gut vorbereitet sein, wie es nur geht“, sagte Südafrikas Trainer Rassie Erasmus vor dem Duell am Sonntag (12.15 Uhr, live bei Pro7 Maxx).

England und Australien spielen schon zum siebten Mal bei einer WM gegeneinander

Das Duell Gastgeber gegen Titelfavorit schließt die Viertelfinalrunde ab, beginnen wird sie am Samstagmorgen mit dem Klassiker England gegen Australien (9.15 Uhr, Pro7 Maxx). Bereits zum siebten Mal treffen beide Teams bei einer WM aufeinander, die Bilanz ist mit 3:3 ausgeglichen. Es ist das einzige Duell in der Runde der letzten acht, in dem zwei frühere Titelträger aufeinander treffen.

Die Engländer haben allerdings die letzten sechs Duelle für sich entschieden und bisher spazierten sie regelrecht durch das Turnier. Das lag auch daran, dass ihr letztes Match gegen Frankreich wegen des Taifuns „Hagibis“ ausfiel und die Spieler deswegen ausgeruht ins Viertelfinale gehen können.

Wenn das seine Mutter sieht. Englands Tom Curry liebt die Härte des Spiels.

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Die Australier wiederum konnten in der Vorrunde nicht überzeugen, gegen Wales gab es eine 25:29-Niederlage und deshalb nur Gruppenplatz zwei. Und dennoch trauen sie in England dem eigenen Team nicht so recht. Im „Guardian“ tippt Rugby-Journalist Michael Aylwin in seiner Vorschau auf einen Sieg der „Wallabies“, weil sie „matcherprobt und unterschätzt“ seien. Erwartet wird allgemein ein enorm physisches Match oder wie es Englands Stürmer Tom Curry ausdrückte: „Deswegen mögen wir das Spiel, auch wenn es schwer ist, dass deiner Mutter zu erklären.“

Irland möchte Titelverteidiger Neuseeland ärgern – und weiß, wie das geht

Das zweite Viertelfinale am Samstag (12.15, Pro7 Maxx) bestreiten Neuseeland und Irland. Wie die Engländer haben auch die Neuseeländer wegen „Hagibis“ nur drei Vorrundenspiele bestreiten müssen. Der 23:13-Sieg gleich zum Auftakt gegen Südafrika fiel allerdings durchaus beeindruckend aus, seither ist der amtierende Weltmeister wieder das Team, das es zu schlagen gilt.

Irland hat das in den vergangenen drei Jahren gleich zweimal geschafft, nachdem es zu vor in 28 Spielen seit 1905 dafür nie gereicht hatte. Entsprechend selbstbewusst gehen die Iren in ihr Viertelfinale: „Es ist doch nur ein weiteres Spiel, oder? Okay, wir spielen gegen den Titelverteidiger und das wird eine große Herausforderung. Aber wenn wir große Dinge erreichen möchten, müssen wir sowieso irgendwann gegen sie spielen“, sagte der irische Außendreiviertel Keith Earls.

Keith Earls (mit Ball) verlor mit Irland in der Vorrunde gegen Japan und muss deshalb jetzt schon im Viertelfinale gegen Neuseeland ran.

© Reuters

Neuseeland verfügt über ein erfahrenes Team, die 23 für das Duell mit Irland nominierten Spieler kommen zusammen auf 1075 Einsätze in der Nationalmannschaft. Mitunter kann das schiere Wissen über die der Mannschaft innewohnende Brillanz das Team allerdings auch hemmen – oder es zur Lethargie verführen.

Zentraler Spieler bei den „All Blacks“ ist Beauden Barrett, der als einer der besten, wenn nicht der beste Rugby-Spieler der Welt gilt. Von ihm hängen die Neuseeländer ab, allein schon, weil er auf seiner Position als so genannter Verbindungshalb die strategischen Entscheidungen auf dem Feld trifft. Barrett musste vor ein paar Tagen jedoch den Tod seines Großvaters verkraften, inwieweit das seine Form beeinträchtigt, dürfte eine der spannenden Fragen vor dem Spiel sein.

Wales geht mit breiter Brust ins Spiel gegen Frankreich

Das walisische Team muss sich in Japan einer besonderen Herausforderung stellen. Immerhin 31 Spielen sollen über Wochen täglich ihre 3500 Kalorien zu sich nehmen. Dass zu schaffen, erfordert besondere Fähigkeiten. Zunächst einmal beim Koch des Teams: „Ich habe noch nie ein Omelett mit Stäbchen zubereitet. Aber wenn du gelernt hast, damit umzugehen, ist es auch nichts anderes als sonst.“ Seine Spieler wirkten in der Vorrunde trotz der Künste ihres Küchenchefs noch hungrig genug und gewannen alle vier Spiele der Gruppenphase, darunter auch das Topduell gegen Australien. Nun soll gegen Frankreich (Sonntag, 12.15, Pro7 Maxx) der nächste Coup gelingen und damit auch die Revanche für die denkwürdige 8:9-Halbfinalniederlage bei der WM 2011, bei der die Waliser trotz langer Unterzahl beinahe gewonnen hätten.

Frankreichs Sofiane Guitoune will sich im Viertelfinale gegen Wales nicht wie ein Idiot aufführen.

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Wales‘ Optimismus speist sich auch aus der Tatsache, dass im Rahmen der Six Nations 2019 Frankreich in Paris 24:19 geschlagen werden konnte – nach einem 0:16-Halbzeitrückstand. Es war der erste von fünf Siegen in Spielen für die Waliser, die damit den Grand Slam in diesem Turnier schafften.

Die Franzosen konnten im Rahmen der Six Nations hingegen kein Duell mit einem der aktuellen WM-Viertelfinalisten gewinnen, in Japan ist es bisher zudem sehr ruhig um das Team geblieben. Durch die Absage des Spiels gegen England weiß eigentlich niemand so recht, was von der Mannschaft zu erwarten ist. Der Schlüssel zum Sieg für Frankreich dürfte im Kopf der Spieler zu finden, die sich teilweise abenteuerliche Aussetzer leisten und dann die Kontrolle auf dem Feld verlieren. „Wir haben darüber gesprochen, damit wir unsere Strategien überdenken können, wenn wir wieder anfangen, uns wie Idioten aufzuführen“, sagte Verteidiger Sofiane Guitoune. Sollte das tatsächlich funktionieren, wäre es auch keine Überraschung, wenn die Franzosen am Ende ins Halbfinale einziehen.

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