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Lena Oberdorf (Mitte) wird mit der Europameisterschaft in der Schweiz das zweite große Turnier in ihrer Karriere verpassen.

© IMAGO/Beautiful Sports

„Eines der schwersten Jahre meines Lebens“: Was den DFB-Frauen ohne Lena Oberdorf fehlen wird

Christian Wück hoffte bis zuletzt, seine Schlüsselspielerin bei der EM auf dem Platz zu sehen. Eine Nominierung hätte allerdings nicht den Prinzipien des Bundestrainers entsprochen.

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Nur neun Tage trennten Lena Oberdorf von einem der größten Erfolge in ihrer sportlichen Karriere: die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 2024. Doch dann knallte es einmal kurz und ein großer Traum der deutschen Fußballerin zerplatzte.

Später sagte sie, dass sie in diesem Moment, damals im Juli, sofort gewusst habe, dass das Kreuzband gerissen sei. Im allerletzten Spiel vor Olympia, einem eher unwichtigen Qualifikationsspiel für die Europameisterschaft in der Schweiz und einer 4:0-Führung gegen Österreich.

Es hat eine gewisse Tragik, dass ein weiterer großer Traum Oberdorfs erneut nach einem Gruppenspiel gegen Österreich, diesmal in der Nations League, nicht wahr werden sollte: die Teilnahme an der EM in der Schweiz. Das deutsche Team hatte Anfang Juni souverän mit 6:0 gewonnen, anschließend führte Bundestrainer Christian Wück die letzten Gespräche mit Spielerinnen hinsichtlich einer Nominierung für das vom 2. bis 27. Juli stattfindende Turnier.

Einen Tag später verkündete er, dass Oberdorf nicht Teil des Kaders sein wird. Trotz einiger Trainingseinheiten bei ihrem Verein FC Bayern München und zuletzt beim Nationalteam kommt die Endrunde für die 23-Jährige zu früh.

Oberdorfs Nominierung brachte Unruhe ins deutsche Team

Ihre Personalie bestimmte wochenlang die Schlagzeilen rund um die DFB-Frauen und sorgte für eine gewisse Unruhe. Überlegungen, ob Oberdorf in den letzten beiden Spielen vor der EM, den Nations-League-Partien gegen die Niederlande (4:0) und gegen Österreich endlich wieder Spielminuten sammeln könnte, verflüchtigten sich, als bekannt wurde, dass die Spielerin selbst, der DFB und Bayern vereinbart hatten, dass Training erlaubt sei, Spiele aber nicht.

Trotz dieser Absprache hatte Wück aber mit dem Gedanken gespielt, mit der Münchnerin eine große Unbekannte mitzunehmen. Schließlich wäre fraglich gewesen, dass Oberdorf bis zur EM vollständig fit werden würde. Ob sie zusätzlich an ihr einstiges Leistungsniveau hätte anknüpfen können, ebenso. Letztlich entschied sich der Bundestrainer gegen eine Nominierung und blieb damit seiner eigenen Devise treu. Immerhin hatte er schon bei seinem Amtsantritt betont, dass ihm das Leistungsprinzip wichtig sei.

Der Bundestrainer ging damit denselben Weg wie Martina Voss-Tecklenburg bei Giulia Gwinn vor zwei Jahren. Kurz vor der Weltmeisterschaft in Neuseeland und Australien 2023 entschied sich die ehemalige Bundestrainerin dazu, das Risiko einer erneuten Verletzung bei einer verfrühten Belastung nicht eingehen zu wollen und verzichtete auf die Außenverteidigerin, die sich im Oktober 2022 einen Kreuzbandriss zugezogen hatte. Es habe sich dabei um eine „gemeinsame Vernunftsentscheidung“ gehandelt, die womöglich „mit Blick in die Zukunft genau richtig“ gewesen sei, schrieb Gwinn damals auf Instagram.

Lena Oberdorf äußerte sich ebenfalls auf Instagram zum erneuten Verpassen eines großen Turniers: „Verdiente Pause nach einem der bisher schwersten Jahre meines Lebens. Viel gelernt, viel gelacht, aber auch viel gelitten.“ Nun wolle sie dieses Kapitel erst mal schließen und Kräfte für die nächste Saison sammeln. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagte Oberdorf im vergangenen Oktober, dass das größte Problem bei ihrer Verletzung nicht der Körper, sondern der Kopf gewesen sei. „Man vertraut dem Knie nicht mehr, dass es einen hält.“

Oberdorf war bei der EM in England eine der wichtigsten Spielerinnen

Der wohl wichtigste Grund für das lange Zögern von Bundestrainer Wück sind die fußballerischen Fähigkeiten Oberdorfs, die dem deutschen Team in der Schweiz fehlen werden. Sie bringt mit ihrer physischen Spielweise, ihrer taktischen Klasse und großen Übersicht auf dem Feld das Attribut Weltklasse in den deutschen Kader.

Dass Deutschland bei der EM 2022 in England bis ins Finale kam, lag nicht zuletzt an einer überragend aufspielenden Lena Oberdorf. Dort sorgte sie auf der Sechserposition vor allem defensiv für große Stabilität, indem sie Situationen früh antizipierte und auf diese Weise viele Bälle abfing, wodurch gefährliche Situationen gar nicht erst entstanden.

Doch nicht nur auf dem Platz ist Oberdorf wichtig, sondern auch daneben. Sie pflegt mit mehreren Spielerinnen enge Freundschaften, ist Teil des Teamrats und bekannt für ihre Meinungsstärke.

Um zumindest diesen Ausfall etwas zu kompensieren, besteht die Möglichkeit, wenigstens im Team Base Camp der deutschen Mannschaft in Zürich dabei zu sein. Schon bei Olympia war die Münchnerin vor Ort gewesen und hatte ihre Teamkolleginnen von der Tribüne aus angefeuert. Für Oberdorf dürfte das allerdings nur ein kleiner Trost sein.

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