
© dpa/Sebastian Gollnow
„Werde mich aus den sozialen Medien zurückziehen“: Englands Jessica Carter macht rassistische Anfeindungen bei EM öffentlich
Die Verlobte von Torhüterin Ann-Katrin Berger ist bei dem Turnier Diskriminierung ausgesetzt. Ihre Mitspielerinnen und der Verband stellen sich hinter sie. Es ist nicht der erste Fall dieser Art bei einem Fußballturnier.
Stand:
Wenn das englische Nationalteam am Dienstagabend im Halbfinale gegen Italien antritt, werden die Spielerinnen bei der Nationalhymne stehen und nicht wie bislang bei dem Turnier knien, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. „Es ist offensichtlich, dass wir und der Fußball einen anderen Weg finden müssen, um gegen Rassismus vorzugehen“, heißt es in einer Mitteilung der Lionesses. Grund dafür sind die rassistischen Anfeindungen gegen die Abwehrspielerin Jessica Carter.
Diese machte am vergangenen Wochenende auf Instagram öffentlich, seit Beginn des Turniers „viele rassistische Beleidigungen“ erlebt zu haben. „Ich bin zwar der Meinung, dass jeder Fan ein Recht auf seine Meinung zu Leistung und Ergebnis hat“, schrieb Carter. Dies rechtfertige aber keine rassistischen Kommentare. Sie wolle sich deshalb bis Ende der EM aus den sozialen Medien zurückziehen und auf die Spiele fokussieren.
Carter, die mit der deutschen Torhüterin Ann-Katrin Berger verlobt ist, zeigte insbesondere im Gruppenspiel gegen die Niederlande eine starke Leistung, hatte aber gegen Frankreich und Schweden Probleme und war prompt diskriminierenden Kommentaren und Anfeindungen ausgesetzt.
Niemand sollte solche abscheulichen Beschimpfungen ertragen müssen, weder im Fußball noch in irgendeinem anderen Bereich des Lebens.
Englischer Fußballverband
Ihre Teamkolleginnen und der Verband stellten sich nun hinter sie und bekräftigten ihre Solidarität. „Niemand sollte solche abscheulichen Beschimpfungen ertragen müssen, weder im Fußball noch in irgendeinem anderen Bereich des Lebens“, hieß es von Seiten des Verbandes.
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Dieser kündigte zudem an, die Polizei einzuschalten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Auch der US-Verein Gotham FC, wo Carter seit vergangenem Jahr spielt, stellte sich an die Seite seiner Spielerin und hob ihre wichtige Rolle als „Vorbild, Anführerin und wertvollen Teil des Teams“ hervor.
Spielerinnen verzichten auf Kniefall
Carters Teamkollegin Lotte Wubben-Moy, die bei Arsenal unter Vertrag steht, kritisierte zudem, dass Hasskommentare in den sozialen Medien nur allzu oft folgenlos bleiben. „Ein weiteres Turnier geht vorbei, bei dem wir die gleichen widerlichen rassistischen Beschimpfungen erleben“, schrieb sie auf Instagram. Das Problem gehe weit über den Sport hinaus, doch es werde noch zu wenig dagegen getan. „Für den Rest des Turniers werde ich nicht mehr die Plattformen füttern, die diesen Missbrauch ermöglichen, ohne dass dies Konsequenzen hat.“
Bisher hatten die Engländerinnen vor den Spielen gekniet, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen, so wie es auch in der Premier League üblich ist. Ursprünglich stammt die Geste aus den USA, wo der Footballer Colin Kaepernick auf diese Weise 2016 erstmals ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt in seinem Heimatland setzte.
Nun habe man sich aber als Team die Frage gestellt, ob diese Botschaft noch stark und aussagekräftig genug sei, erzählte die englische Nationalspielerin Lucy Bronze dem „Guardian“. „Denn wir haben das Gefühl, dass es nicht so ist, wenn unseren Spielerinnen bei den größten Turnieren ihres Lebens immer noch solche Dinge passieren.“ Gemeinsam mit dem Verband wolle das Team das Thema grundlegender angehen und gemeinsam überlegen, welche Maßnahmen getroffen werden müssten.
Mittlerweile hat sich auch Fifa-Boss Gianni Infantino eingeschaltet und betont, dass man hinter Carter und jeder Person stehe, die Rassismus erfahre. Außerdem wolle man als Verband dabei helfen, die Verantwortlichen in den sozialen Medien zur Rechenschaft zu ziehen.
Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass eine Spielerin oder ein Spieler im Rahmen eines Großturniers rassistische Anfeindungen erlebt. Ähnlich erging es beispielsweise den englischen Nationalspielern Marcus Rashford, Jadon Sancho und Bukayo Saka, nachdem sie bei der EM im Finale ihre Elfmeter verschossen hatten und den U21-Nationalspielern Youssoufa Moukoko und Jessic Ngankam bei der EM 2023. „Wenn wir gewinnen, sind wir Deutsche, und wenn wir verlieren, sind wir Schwarze“, sagte Moukoko damals. Auch Nicole Anyomi erlebte Anfeindungen nach der Niederlage Deutschlands gegen England im EM-Finale 2022.
Jessica Carter hofft, dass sich langfristig endlich etwas ändert, indem sie mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit geht. „Ich hoffe, dass ich zu positiven Veränderungen für alle beitrage, indem ich meine Stimme erhebe“, schrieb sie.
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