zum Hauptinhalt
Die Staus an der deutsch-polnischen Grenze sind oft kilometerlang. Hier stauen die Lkw auf der Autobahn A12 in Richtung Polen etwa 10 Kilometer vor dem deutsch-polnischen Grenzübergang.

© dpa/Patrick Pleul

Wirtschaft in der Staufalle: Millionenschaden durch Kontrollen an Polens Grenze

Lkws stecken im Stau, Arbeitnehmer schaffen es nicht mehr über die Grenze zu ihrem Arbeitsplatz: Die Kontrollen zwischen Polen und Deutschland machen vor allem dem Mittelstand zu schaffen.

Stand:

Stundenlange Staus an der deutsch-polnischen Grenze: Nicht nur vier Millionen Lkw-Fahrer jährlich, auch rund 14.000 Pendler aus Region stecken täglich hier fest. Die Folgen treffen den Mittelstand, besonders schwer die Speditionen. Laut der Industrie- und Handelskammern in Brandenburg gingen im Vorjahr Exporte für 4,1 Milliarden Euro aus dem Bundesland nach Polen und wurden Waren für 4,5 Milliarden Euro von dort importiert. Den Schaden durch die Grenzkontrollen schätzt eine Studie des Allianz-Konzerns auf mehr als 100 Millionen Euro jährlich: 87 Millionen im Güterhandel, 14 Millionen im Dienstleistungsbereich.

Von Sonntagabend bis Dienstag staue es sich nach Deutschland, so Guido Noack, Referent Verkehr der IHK Ostbrandenburg, am Mittwoch auf beiden Seiten und von Donnerstag bis Samstag komme dann der Rückverkehr. Der Online-Dienst „Freight Perspectives“ zeigt die durchschnittlichen Wartezeiten bei der Einreise nach Deutschland auf, die 2024 und dieses Jahr Spitzen von bis zu fast sechs Stunden aufwiesen.

87
Millionen Euro Schaden im Güterhandel durch die Grenzkontrollen mit Polen

Die Folge: Damit die Lieferketten nicht komplett zusammenbrechen, überschreiten Fahrer die Lenk- und Ruhezeiten, riskieren den Entzug des Führerscheins. Manche weigern sich mittlerweile, diese Strecke zu fahren. „Es gibt auch Unternehmen, die solche Aufträge gar nicht mehr annehmen“, sagt Noack. In Zeiten des Personalmangels sei es da wichtiger, Fahrer nicht zu verlieren, als den Auftrag zu behalten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Viele freie Stellen

Zahlen hat der IHK-Referent keine. Man könne nicht trennen, warum genau die Konjunktur schwächelt, sagt er. Sicher sei, dass Logistik und Produktion wegen der Arbeitnehmerproblematik und der Zulieferung betroffen seien. Versorgungslücken drohten aber nicht, es treffe vielmehr die Wirtschaft selbst: Allein nach Brandenburg pendeln täglich bis zu 14.000 Menschen aus Polen. Sie würden nun oft in den kilometerlangen Staus zwischen den Lkw stecken. „Wir hatten schon Fälle, wo die Mitarbeiter deswegen lieber für weniger Geld in Polen gearbeitet haben“, sagt Noack.

Auch beim UVB, den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg, weiß man um die Probleme. „Viele Betriebe in der grenznahen Wirtschaftsregion haben polnische Mitarbeitende, die durch die Grenzkontrollen behindert werden“, sagt UVB-Geschäftsführer Sven Weickert. Das gelte auch für den grenzüberschreitenden Warenverkehr, der ausgebremst werde. „Dadurch verzögern und verteuern sich viele Produktions- und Lieferprozesse“.

Guido Noack von der IHK Ostbrandenburg.

© IHK Ostbrandenburg

Betroffen sind auch Reinigungsfirmen, die Pflege, Ärzte im Krankenhaus, aber auch Busfahrer oder Lehrerinnen, die nicht mehr pünktlich zu ihrem Dienst kommen, nennt Noack als Beispiele. „Es ist auch nicht alles dramatisch“, sagt IHK-Referent Noack. „Es könnte wesentlich schlimmer sein, man braucht nur in die Ukraine zu schauen. Aber es hat sich verschlechtert. Und wir sind dringend auf die Arbeitnehmer aus Polen angewiesen.“

Der Arbeitsmarktbericht für die Region Frankfurt (Oder) weist im August 2356 freie Jobs aus, ein Plus von vier Prozentpunkten gegenüber Juli und sogar von zwölf zu vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote ist mit 6,7 Prozent dagegen relativ konstant. „Der Fachkräftemangel ist real“, betont Noack.

Kontrollen seit zwei Jahren

Deutschland hatte im Oktober 2023 mit Kontrollen an der polnischen Grenze begonnen, um die illegale Migration einzuschränken. Schon damals sei es auf der A12 zu stundenlangen Staus gekommen, so Noack. Vier Millionen Lkw fahren hier jährlich, keine andere Autobahn in Deutschland sei so stark von Lastern befahren, sagt er. Sie sei eine wirtschaftliche Verkehrsader. Am 7. Juli dieses Jahr führte in der Folge auch Polen stichprobenartige Kontrollen zu Deutschland ein, zunächst befristet bis 5. August, dann bis 4. Oktober.

Warten müssen alle, es gibt keine getrennten Spuren für Lkw und Pkw. Und während Polen mittlerweile auf beiden Spuren kontrolliert, wird die A12 an der deutschen Seite auf nur eine Spur zusammengeführt. Mit zwei Spuren sei diese Autobahn ohnehin unterdimensioniert, sagt Noack. Das wird auch in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke-Fraktion im Bundestag bestätigt. Demnach ist der Ausbau auf sechs Fahrstreifen in dem Bereich geplant. Wann, könne aber noch nicht gesagt werden.

Auch andere Lösungen werden gesucht, wie etwa die von der Wirtschaft geforderte Kontrolle auf beiden Spuren. Hier seien „noch abzuschließende Abstimmungen“ zu baulichen Anpassungen nötig. Auch, ob der polnische Grenzkontrollpunkt Świecko von Deutschland mitgenutzt werden könnte, sei in Klärung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })