
© Bauwert AG/Promo
Neues Ufer: Modernes Stadtquartier am Charlottenburger Verbindungskanal geplant
In Moabit entsteht bis 2030 ein neues Quartier mit 500 Wohnungen und Gewerbeflächen. Das Projekt „Neues Ufer“ soll altes Industrieareal in einen lebendigen Stadtteil verwandeln.
Stand:
Arno Löbbecke ist ein Architekt, der Herausforderungen liebt und gerne zu neuen Ufern aufbricht. „Wir wollen die klassische Stadt zeitgemäß weiterentwickeln.“ Löbbecke, Teammitglied der Grüntuch Ernst Architekten aus Berlin, und der Projektentwickler Bauwert AG mit Hauptsitz im bayerischen Bad Kötzting wollen in den kommenden drei Jahren ein ehrgeiziges Projekt realisieren.
Dabei geht um nicht weniger als die Umwandlung eines ehemaligen Industrie- und Logistikgebietes am Charlottenburger Verbindungskanal in „ein lebendiges Stadtquartier“, so die Prospektbeschreibung. Projektname: Neues Ufer.
Wie ist der Status Quo? Am 16. September letzten Jahres ging als Ergebnis eines fünfmonatigen städtebaulichen Wettbewerbs der Entwurf des Berliner Büros Grüntuch Ernst als Sieger hervor. Im Oktober hat das Bezirksamt Mitte den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan 1–118 „Neuer Ufer“ parteiübergreifend gefasst. Die frühzeitige Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung ist seit Mitte April für das B-Plan-Verfahren abgeschlossen.
In Kraft treten könnte der B-Plan im dritten oder vierten Quartal 2026. Der voraussichtliche Baubeginn auf den Grundstücken des ehemaligen Industrieareals in Moabit Neues Ufer 13, 19 und 25: 2027. Mit der Fertigstellung ist laut dem Projektentwickler Bauwert 2030 zu rechnen.
Das klingt nach vielen „Wenn“ und „Aber“. Und wer weiß tatsächlich, was noch passiert? Dennoch haben die Verantwortlichen des Projekts die Phase der Glaskugel-Guckerei lange hinter sich. Die Planungen sind weit fortgeschritten, es gibt konkrete Informationen.
Und die haben es in sich: Auf dem Areal zwischen Huttenstraße, Wiebestraße, Kaiserin-Augusta-Allee und dem Charlottenburger Verbindungskanal sollen auf 45.000 Quadratmeter zwei markante Wohnhochhäuser mit rund 500 Objekten entstehen, davon 350 als Eigentums- und 150 als Mietwohnungen – 30 Prozent gemäß Berliner Modell als mietpreisgebundener Wohnraum. Bauwert-Vorstand Daniel Herrmann: „Damit trägt das Projekt auch zur Entlastung des Berliner Wohnungsmarktes bei.“

© Grüntuch Ernst Architekten
Hinzu kommen 35.000 Quadratmeter flexible Gewerbeflächen für Büros, Life Science und Handwerk, eine Kindertagesstätte, Einzelhandelsgeschäfte, einen Supermarkt. „Ein ausgewogenes Verhältnis“, verspricht Daniel Herrmann. „Das wird für ein lebendiges Leben in einem urbanen, autoarmen Quartier sorgen.“ Weil nicht jeder auf ein Fahrzeug verzichten will – oder kann – sollen neben 1200 Fahrradstellplätzen auch 300 Stellplätze für Autos in Tiefgaragen entstehen.
Den genauen Nutzungsmix werde man spätestens Mitte nächsten Jahres vorlegen. Dann könnten auch Wohnungsgrößen, verwendete Baumaterialien und Fassadengestaltung aufs Tapet kommen. Herrmann: „Dieses zentral gelegene Areal ist in den vergangenen Jahren links liegen gelassen worden. Wir küssen es jetzt wach.“ Und das Projekt Neues Ufer soll keine Silo-Lösung werden: „Die Einbindung der Nachbarschaft ist uns sehr wichtig.“
Erstmals 1685 besiedelt
Der von Wasser umgebene Ortsteil Moabit, erstmals 1685 besiedelt, ist jung, dicht bevölkert und international. Er ist nicht nur bei Studierenden beliebt, auch immer mehr Familien ziehen hierher. Vom Spreeufer aus sieht man Sehenswürdigkeiten wie das Haus der Kulturen der Welt und das Kanzleramt auf der anderen Seite. In den Mietskasernen im Norden werden häufig arabisch und afrikanische Sprachen gesprochen. Der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund betrug dem Landesstatistikamt zufolge 2021 knapp 53 Prozent.

© Bauwert AG/Promo
Der Projektentwickler, der die Zusammenarbeit mit den zuständigen Berliner Behörden und Ämtern bei der Planung des Quartiers lobt, ist von der städtischen Lage seines Vorhabens überzeugt, „weil sich die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft, zwei Hochschulen und der Berlinbiotechpark in der Nähe befinden“. Zudem entsteht nur einen Steinwurf entfernt gerade das neue Global-Headquarter von Siemens Energy.
Wohnungen werden hier also demnächst noch dringender gesucht als heute schon. Angesichts der bundesweit anhaltend schwierigen Situation in der Branche legt Daniel Herrmann Wert auf die Feststellung, dass Bauwert in den vergangenen 40 Jahren über 330 Projekte mit mehr als zwei Millionen Quadratmetern Nutzfläche und einem Investitionsvolumen von rund fünf Milliarden Euro realisiert hat und „solide aufgestellt“ ist. Das Projekt Neues Ufer soll, so der Vorstand, für sein Unternehmen „eine Visitenkarte“ werden.
Auch Arno Löbbecke möchte bei Fertigstellung des Projekts stolz auf das in Moabit Geschaffene sein. Gut, auf diesen Zeitpunkt muss er noch ein paar Jahre warten, aber der Blick in die Zukunft sieht rosig aus – oder besser grün. „Unsere Planung sieht eine zurückgesetzte Blockrandbebauung vor“, erklärt der Architekt.
„Dadurch öffnet sich der zentrale Grünraum zum Ufer hin. Dieser Park mit öffentlichen Zugängen bietet Anrainern, der Nachbarschaft und jedermann eine hohe Aufenthaltsqualität. Wer hier wohnt, einkauft oder spazieren geht, soll aufs Grün und den Kanal schauen.“ Klingt gut. Löbbecke: „Das muss funktionieren, denn wir wollen eine Stadt im Grünen und Wasser schaffen.“
Dieses zentral gelegene Areal ist in den vergangenen Jahren links liegen gelassen worden. Wir küssen es jetzt wach.
Daniel Herrmann, Vorstand der Bauwert AG
Am Wasser gebaut hat das Architektenbüro aus der Auguststraße in Mitte schon mehrfach. So beispielsweise die Spree-Towers Berlin-Treptow auf einem ehemaligen Industriegrundstück an der Fanny-Zobel-Straße. Die Türme, die ein skulpturales Spiel gegeneinander verschobener Kuben zeigen, werden durch zwei Brückenbauwerke zu einem zeichenhaften Landmark verbunden. Auch hier spielte vor über einem Jahrzehnt Grün schon eine wichtige Rolle: Durch die intensive Begrünung auf jeder Etage, mit eigener Terrasse und Panoramablick, haben die Apartments Penthouse-ähnliche Qualitäten.
Oder an der Charlottenburger Darwinstraße, wo ein neues Bürogebäude des Architektenbüros Grüntuch Ernst der erste Schritt zur Umnutzung und Neu-Programmierung des ehemaligen Kraftwerksgeländes Berlin-Charlottenburg ist und neue Arbeitswelten mit ökologischen und sozialen Angeboten verbinden will.
Zwei 60-Meter-Hochhäuser sollen am Charlottenburger Verbindungskanal gebaut werden. Sind Hochhäuser nicht unmodern? Nein, sagt der Architekt. Sie seien ökologisch sinnvoll, weil sie einen deutlich kleineren Fußabdruck haben als ein- oder zweigeschossige Häuser nebeneinander für 500 Familien.
Lob für die Behörden
Und die Lärmbelästigung? Wasser trägt Geräusche. Jeder, der an einem Hafen oder einer stark befahrenden Wasserstraße lebt, kann das leidvoll bestätigen. Um die Schallbelastung am Neuen Ufer zu mindern, wird geprüft, ob der Uferbereich zwischen Rampe und Wohnbebauung aufgeschüttet wird.
Dem Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksverordnetenversammlung Mitte hat der Entwurf gefallen. Auch Christian Gaebler (SPD), Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, lobt den Bebauungsplan und erhofft sich durch die angedachte Integration sozialer und kultureller Angebote eine „Erhöhung der Lebensqualität“ im einst industriell geprägten Ortsteil des Bezirks Mitte. Arno Löbbecke freut sich: „Die Behörden haben verstanden, dass Wohnungsbau in Berlin wichtig ist und eine städtebaulich-gestalterische Funktion hat.“
Für das Architektenbüro Grüntuch Ernst ist Neues Ufer ein Leuchtturmprojekt, das zeigen soll, wie in der Hauptstadt mit modernen Ansprüchen an Städtebau und Immobiliengestaltung gebaut werden kann.
„Wir wollen die Identität des Standorts stärken und seinen Charakter erhalten“, betont Arno Löbbecke. Deshalb soll ein Bestandsgebäude der Elektromotorenfirma Menzel erhalten und im Zuge des Bauvorhabens aufgestockt werden. Alt und neu im Mix. Auch Wohnen und Gewerbe im Mix. Architekt Löbbecke ist sicher: „Das wird attraktiv und lebendig.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: