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Auch ohne die schwierige weltwirtschaftliche Lage und das Ampel-Aus sinken die Baugenehmigungszahlen nicht nur in der Hauptstadt.

© Unsplash / josue isai ramos figueroa

Stagnierende Neubauten: Warum der Berliner Markt am Boden ist und eine weitere Verschärfung droht

Haushaltskürzungen auf Bundes- und Landesebene verschlimmern im Zusammenspiel mit hohen Zinsen und Baukosten die Wohnraumkrise in den Großstädten.

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Je angespannter die Wohnungsmärkte in den Metropolen werden, desto schwieriger wird es, sie zu ordnen. Was für Metropolen wie Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Stuttgart – die sogenannten A-Städte – gilt, trifft allemal und zuvorderst auf Berlin zu.

Mit dem neuen Jahr droht eine weitere Verschärfung der Lage: Die Grundzüge der Immobilien-, Wohnungs- und Klimaschutzpolitik einer neuen Bundesregierung sind unklar, wie auch die Folgen der von Donald Trump angekündigten „America First“-Politik unübersehbar sind. Es drohen Zölle und Vergeltungszölle aus Asien, die Waren auch in Deutschland verteuern könnten. Hinzu kommen geopolitische Risiken.

„Der Druck auf den Mietmarkt wird mit dem Wort unerträglich nur übersichtlich beschrieben“, sagt Marcus Becker, Präsidiumsmitglied in der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e.V. mit Blick auf Berlin und auf Brandenburg. Denn auch dort steigen die Preise.

Es rächt sich, dass in Berlin so wenig getan wurde

Aktuell gibt es keine Planungssicherheit für niemanden. Dies zu einem Zeitpunkt, da die Baugenehmigungszahlen nicht nur in der Hauptstadt bereits ohne perspektivisch schwierigere weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen und ohne „Ampel-Ausfälle“ im freien Fall sind.

Dass in Berlin in den vergangenen Jahren so wenig für die Eigentumsbildung getan wurde, sowohl aus Sicht der Käufer als auch aus Sicht der Investoren, könnte sich in vielerlei Hinsicht bitter rächen. „Es ist wie auf dem Aktienmarkt, es geht um das richtige Timing“, sagte dazu Ende der vergangenen Woche Michael Voigtländer. Hinterher ist man meist schlauer.

In Berlin, der viel beschworenen „Mieterstadt“, zeigen sich die Versäumnisse besonders deutlich.

Michael Voigtländer, Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte beim Institut der Deutschen Wirtschaft

Voigtländer ist als Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte beim Institut der Deutschen Wirtschaft (Köln) eine der Koryphäen unter den Immobilienexperten. Das Versäumnis der noch amtierenden Bundesregierung sei eine effektive Neubauförderung. „Man hätte mehr Impulse für die Eigentumsbildung setzen können“, sagt er. Damit meint er eine Förderkulisse vor dem Hintergrund niedriger Zinsen. In Berlin, der viel beschworenen „Mieterstadt“, zeigen sich die Versäumnisse besonders deutlich.

Alle Parteien betreiben und betrieben Klientelpolitik. Unternehmer, vor allem Investoren, sind verpönt. Und in der Tat sind Projektentwickler wie Christoph Gröner (Ex-Eigentümer des Steglitzer Kreisels und des Postbankhochhauses am Halleschen Ufer) keine Lichtgestalten der Stadtentwicklung. Fraglich zudem, was allein aus René Benkos (Signa Holding) und den Hinterlassenschaften von Gröners CG Group in Berlin wird. Zunächst einmal wohl gar nichts. Denn Berlin wird sich hier als Investor nicht exponieren, sagte Berlins Regierender Kai Wegner dem Tagesspiegel im Interview.

Hamburg macht es anders

Die Hauptstadt geht damit anders mit den von der Privatwirtschaft hinterlassenen Ruinen um als die Freie und Hansestadt Hamburg. Die kaufte vor einer Woche aus der Signa-Insolvenzmasse die Immobilie Gerhart-Hauptmann-Platz 50. Als Preis wurden 112,5 Mio. Euro vereinbart, das ist ungefähr die Hälfte dessen, wofür Signa das gut 35.000 Quadratmeter große Gebäude vor vier Jahren von der Hamburg Commercial Bank erwarb. Ein gutes Geschäft.

Dass die Förderung des Wohneigentums in der strategischen Ausrichtung der Wohnungspolitik in den vergangenen Jahren nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden hat, ist auch aus einem zweiten, dritten und vierten Grunde sehr zu bedauern. Die Teilnehmenden beim diesjährigen ifs Wohnungspolitischen Forum des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV) wiesen am 12. November 2024 im Bausparhaus in Berlin darauf hin: Die Wohneigentumsbildung ist auch im Hinblick auf eine nachhaltige Nutzung, den sozialen Zusammenhalt und die energetische Sanierung des Gebäudebestands von hoher Bedeutung.

Lage, Lage, Lage – unsere Immobilien-Videos

Ganz nebenbei wird die Vermögensgerechtigkeit erhöht und die private Altersvorsorge verbessert. Vorausgesetzt, dass sich Menschen eine Immobilie leisten können. Oder, um es mit den Worten des Maklers Daniel Ritter (Von Poll Immobilien) zu sagen: „Eine Wohnung kaufen wollen und eine Wohnung kaufen können, das ist nicht das Gleiche.“ Genau das ist das Problem.

Bei wichtigen Punkten, etwa bei einer Einigung mit den Ländern zu einer Senkung der Grunderwerbsteuer, ist die Ampel – wie schon die Vorgängerregierungen – nicht vorangekommen. Berlin und Brandenburg sind in dieser Hinsicht bundesweit „Spitze“ auf der Negativskala. In Berlin werden sechs Prozent verlangt, in Brandenburg sogar 6,5 Prozent. Die Grunderwerbsteuer ist eine der Haupteinnahmequellen der Bundesländer.

Die Miete folgt einer Marktentwicklung, die nicht regulierbar ist. Und die Politik sollte meines Erachtens aufhören, den Wohnungsmarkt regulieren zu wollen.

Marcus Becker, Vize-Präsident des Bauindustrieverbandes Ost und Geschäftsführer der Kondor Wessels Bouw Berlin GmbH

Dazu zählt auch die Grundsteuer. In den vergangenen Wochen mehrten sich die Hinweise, dass Berlin auch hier kräftig zulangt. Dies jedenfalls, wenn man eine vom Eigentümerverband Haus & Grund unter 200 Mitgliedern gezogene Stichprobe zugrundelegt: „Wir können nur sagen, im Schnitt stellen wir eine Steigerung um 73 Prozent bei der Grundsteuererhebung fest. Das ist nicht aufkommensneutral“, sagte Kai Warnecke, Präsident von „Haus & Grund“, vor rund zwei Wochen. Immerhin sagte Bürgermeister Kai Wegner dem Tagesspiegel im Interview zu, Härtefälle zu lindern.

Damit wäre nicht nur Eigentümern geholfen, sondern vor allem auch den Mietern. Denn die Grundsteuer kann auf sie umgelegt werden. Auch ohne Umlage der Grundsteuer sind die Angebotskaltmieten laut Berechnungen des Maklerhauses Von Poll Immobilien seit drei Jahren in Berlin um dreißig Prozent gestiegen: auf durchschnittlich 18 Euro pro Quadratmeter für eine Neubauwohnung. Und das ist auch gut so?

Marcus Becker gehört zu denen, die das nicht gut finden. Aber folgerichtig. Der Vize-Präsident des Bauindustrieverbandes Ost und Geschäftsführer der Kondor Wessels Bouw Berlin GmbH,  sagt: „Die Mieten werden sich nicht anders entwickeln in Berlin als in Paris und in London. Warum auch? Die Miete folgt einer Marktentwicklung, die nicht regulierbar ist. Und die Politik sollte meines Erachtens aufhören, den Wohnungsmarkt regulieren zu wollen.“

6000

Fördermöglichkeiten für Bestand und Neubau gibt es laut Makler Daniel Ritter

Andererseits steht und fälllt die Bautätigkeit in Berlin und anderenorts mit der Förderung. Nach Angaben von Makler Daniel Ritter (Von Poll Immobilien) gibt es rund 6000 Fördermöglichkeiten für den Bestand und den Neubau. Die Unsicherheiten bei der Sanierung des Bestandes infolge der Neuwahlen auf Bundesebene seien „ein Riesenproblem“, sagte Ritter Mitte November in einem Round-Table-Gespräch. Darin ging es vor allem um die veränderte Zinslandschaft.

Ein fast still gefallener Markt

„Während weitere Zinsenkungen der Europäischen Zentralbank EZB dem Markt leicht helfen werden, bleiben hohe Kosten, ein fast still gefallener Markt für Neubau und Unsicherheit hinsichtlich Regeln und Auflagen bei der Energieeffizienz eine Hürde für den Immobilienmarkt“, sagte auf derselben Veranstaltung Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank Deutschland.

Die Zahl der Baugenehmigungen in Deutschland geht seit rund zwei Jahren Monat für Monat zurück – meist im zweistelligen Prozentbereich. Grund sind gestiegene Baukosten und die zugleich hohen Zinsen. Angesichts der im September erneut gesunkenen Baugenehmigungszahlen „blicken wir mit großer Sorge auf die bevorstehenden haushaltslosen Monate“, sagte am Montag Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe.

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, sagte, am Ende gehe es nicht nur um staatliche Förderung, sondern um einen „überfälligen radikalen Einschnitt bei hemmenden und baukostentreibenden Normen und Vorgaben von Bund, Ländern und Gemeinden“.

In Berlin sollen vor allem die Landeseigenen bauen

Die Situation in Berlin ist einmal mehr speziell. Denn hier sind es vor allem die städtischen Wohnungsgesellschaften, die den Markt durch Neubau entlasten sollen. Vor allem sie sind es, die gefördert werden. Noch. Denn nach den vorläufigen Planungen für den Berliner Haushalt stehen knapp 200 Millionen Euro aus dem Etat der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen auf der Streichliste. Auf Bundesebene drohen die Fördertöpfe wegen der vorläufigen Haushaltsführung auszulaufen: Ein neuer Haushalt ist vor der Neuwahl im Februar 2025 nicht in Sicht.

Die Berliner Landesregierung hatte die Berliner Neubauförderung (WFB 2023) auf den Weg gebracht, Mit diesem Programm gelang es, den Wohnungsbau mindestens in Berlin für die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften attraktiv zu machen.

Projektentwickler und Baulobbyist Becker hält Berlins bisherige Förderpraxis dennoch für verfehlt. „Wir haben hier in Berlin zwei Welten“, sagt er: „Auf der einen Seite sind die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, sie bauen pro Jahr nur 6000 Wohnungen. Mehr schaffen sie nicht. Damit sind sie am Ende ihrer Kapazitäten. Und die Städtischen greifen auch munter auf diese Wohnungsbauförderung 2023 zu. Aber niemand anders: Keine Genossenschaft, keine privaten Investoren. Für diese greifen diese Förderbedingungen nicht. Und zwar, weil laut Mietpreisbindung zwischen 7,50 Euro und 11 Euro dranhängen. Da ist eine Miete, die in Berlin absurd ist.“

Baugeschäftsführer Becker (Kondor Wessels) sieht für die private Investoren in Berlin wenig Land: „Wir könnten uns als projektentwickelnder Baubetrieb dieser Mietpreisbindung überhaupt nicht unterwerfen und daraus irgendwie eine Rendite rechnen. Die funktioniert nicht.“

So trennen sich große Wohnungsbauunternehmen in Berlin – wie etwa Bonava – von Personal. Des einen Leid, ist des anderen Freud: „Deutschland schrumpft nicht, sondern wächst – und dies gilt vor allem für die Großstädte“, sagt Immobilienexperte Voigtländer. „Darüber hinaus verschiebt sich die Altersstruktur, insbesondere die Zahl der jungen Rentner steigt. Diese Entwicklungen bieten Wohnungsmarktinvestoren spannende Perspektiven.“ Es wird Zeit, in den Bau von Gesundheitsimmobilien zu investieren.

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