
© REUTERS/ALEXANDER DRAGO
„Kiew kann die gesamte Ukraine zurückerobern“: Trump nennt Russland „Papiertiger“ – der Kreml reagiert mit Spott
In einer bemerkenswerten rhetorischen Kehrtwende erklärt Trump plötzlich einen ukrainischen Erfolg gegen Russland für möglich. Und er verspricht, weiter Waffen zu liefern. Selenskyj zeigt sich überrascht.
Stand:
Die Ukraine ist nach Ansicht von US-Präsident Donald Trump in der Lage, mithilfe westlicher Verbündeter ihr Staatsgebiet von den russischen Besatzern zurückzuerobern. Mit Zeit, Geduld und finanzieller Unterstützung insbesondere der Nato seien die ursprünglichen Grenzen zum Zeitpunkt, als der Krieg begonnen hatte, eine „Option“, schrieb er am Dienstagabend MEZ auf seiner Plattform Truth Social.
Der Post stellt eine überraschende Kehrtwende in der US-Außenpolitik und der Haltung der Trump-Regierung gegenüber Kiew dar. Lange Zeit war Trump kritisch gegenüber Waffenlieferungen und beschuldigte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, einen nicht zu gewinnenden Krieg in die Länge zu ziehen. Trump erklärte mehrfach, dass Kiew die an Russland verlorenen Gebiete aufgeben müsse, um einen dauerhaften Frieden zu erreichen. Sie zurückzuerobern, sei eine Illusion.
In seinem Post stellte Trump auch weitere Waffenlieferungen an die Nato in Aussicht, um die Ukraine zu unterstützen.
Der Kreml reagierte mit Spott auf Trumps gezogenen Vergleich Russlands mit einem „Papiertiger“. Russland sei ein „Bär“ und kein „Tiger“, sagt Putins Sprecher Dmitri Peskow, „und es gibt keinen Papierbären“. Das Wortspiel funktioniert im Russischen genauso wie im Englischen und im Deutschen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich überrascht über Trumps Äußerungen und bedankte sich zugleich für die angekündigte Kehrtwende gegenüber Russland. „Mister President versteht die Situation genau und ist über alle Aspekte dieses Krieges gut informiert“, schrieb Selenskyj in der Nacht auf Mittwoch auf der Plattform X. „Wir schätzen seine Entschlossenheit sehr, zur Beendigung dieses Krieges beizutragen.“
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Dem US-Sender Fox News sagte Selenskyj, er glaube, dass Trump seine Position verändert habe – und zähle darauf, dass der US-Präsident seine Haltung zur Territorialfrage beibehalte. Er glaube auch, dass sich ihre Beziehung verbessert habe. Auf Nachfrage entgegnete Selenskyj, dass ihn Trumps Post auf Truth Social überrascht habe. Der Ukrainer sprach von „sehr positiven Signalen“, dass Amerika bis zum Ende des Krieges an der Seite seines Landes stehen werde.
Bundesaußenminister Johann Wadephul begrüßte die Äußerungen ebenfalls. Trump merke, dass seine Bemühungen um einen Frieden „bisher erfolglos waren, und daraus zieht er jetzt zurecht die richtigen Konsequenzen“, sagte Wadephul im Interview mit dem Deutschlandfunk. Wadephul sieht darin eine Kehrtwende. „Die nehme ich ernst, und das ist eine gute Entwicklung“, sagte der CDU-Politiker.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich ähnlich. „Ich freue mich, dass der amerikanische Präsident an die Fähigkeit der Ukraine glaubt, nicht nur durchzuhalten, sondern ihre Rechte mit uns geltend zu machen“, sagte Macron vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York. „Ich begrüße die Äußerungen des US-Präsidenten vor einigen Stunden, in denen er auf die fortschreitende Schwächung der russischen Wirtschaft und die Misserfolge Russlands vor Ort hingewiesen hat.“
Tatsächlich ist Russlands Wirtschaft nach mehr als drei Jahren Krieg schwer angeschlagen. Die Regierung bekommt die Inflation nicht in den Griff und aufgrund des Krieges fehlen Arbeitskräfte in nicht militärisch relevanten Branchen. Wegen ukrainischer Angriffe auf die Erdölinfrastruktur in Russland ist zuletzt auch das Benzin teurer und knapp geworden. Den Unternehmen machen zusätzlich die hohen Zinsen der Zentralbank zu schaffen, die eine Kreditaufnahme für Investitionen verteuern.
Andererseits haben die Sanktionen des Westens gegen Russland bisher keinen Zusammenbruch der russischen Wirtschaft ausgelöst, so wie am Anfang des Krieges beabsichtigt. Noch immer kaufen vor allem China und Indien, aber auch europäische Länder signifikante Mengen an russischen Rohstoffen und tragen so dazu bei, dass Russland seinen Krieg finanzieren kann.
Ob die Ukraine selbst mit stärkerer Unterstützung aus dem Westen Russland militärisch signifikant zurückdrängen kann, ist unklar. Denn neben fehlenden Waffen und finanziellen Mitteln mangelt es der ukrainischen Armee auch an Soldaten. Russland dagegen führt eine Rekrutierungswelle nach der anderen durch und brachte so Kiews Armee zuletzt immer stärker in die Defensive.
Wir haben großen Respekt für den Kampf, den die Ukraine liefert ... das ist in der Tat ziemlich beeindruckend.
Donald Trump
Zuletzt hatte sich Trump immer kritischer gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geäußert, da dieser offenbar nicht an einem Friedensschluss interessiert sei. In den vergangenen Tagen hatte Trump außerdem erklärt, dass er die Sanktionen gegen Russland deutlich verschärfen würde, wenn andere Nato-Staaten keine russischen Energieträger mehr kaufen würden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will dem bis Ende des Jahres nachkommen, erklärte sie in New York.
Am Dienstag hatte Trump sogar einen Abschuss russischer Flugzeuge befürwortet, wenn diese unrechtmäßig in den Luftraum von Nato-Staaten eindringen sollten. Auf die Frage einer Journalistin, ob er der Ansicht sei, dass Nato-Staaten russische Flugzeuge bei Verletzung ihres Luftraumes abschießen sollten, sagte er bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Rande der UN-Vollversammlung in New York: „Ja, das bin ich.“
Bei dem Treffen nannte Trump Selenskyj einen „mutigen Mann“ und sagte weiter: „Wir haben großen Respekt für den Kampf, den die Ukraine liefert ... das ist in der Tat ziemlich beeindruckend.“ Noch im Februar hatte Trump Selenskyj bei einem Treffen aus dem Weißen Haus geschmissen, weil der Ukrainer ihm nicht dankbar genug für die US-Hilfen war.
Der Präsident ist ein sehr geduldiger Mann, aber seine Geduld ist nicht unendlich.
Marco Rubio über Trumps Kehrtwende
Von diesen Animositäten war am Dienstag beim Treffen der beiden Präsidenten offensichtlich nichts mehr zu spüren. Selenskyj ging nach dem Treffen davon aus, dass Trump Kremlchef Putin zum Frieden bewegen kann. „Moskau fürchtet Amerika und schenkt ihm stets Beachtung“, sagte Selenskyj. Selenskyj sagte zu dem Treffen: „Ich habe mich gerade mit Präsident Trump getroffen und wir haben darüber gesprochen, wie wir endlich Frieden schaffen können. Wir haben einige gute Ideen diskutiert. Ich hoffe, sie werden funktionieren.“

© REUTERS/JEENAH MOON
Wie es zu Trumps Kehrtwende am Dienstagabend kam, erklärte einige Stunden nach dem Post seines Chefs der US-Außenminister Marco Rubio. Trump habe „außerordentliche Geduld“ bewiesen und auf einen diplomatischen Durchbruch gehofft, erklärte Rubio. Doch dies sei nicht nur in Stagnation gemündet, „sondern wir sind in eine Phase potenzieller Eskalation eingetreten. In den letzten Nächten und davor gab es die historisch höchste Zahl an Angriffen“, sagte Rubio. Putin habe den Friedensprozess schlicht zu lange verschleppt.
Auch Rubio drohte Moskau mit wirtschaftlichen Sanktionen und betonte, die USA könnten Kiew weiter mit Waffen helfen. Trump habe „echte Optionen“ und er werde bei fortgesetzten Aggressionen Russlands die notwendigen Schritte machen. „Der Präsident ist ein sehr geduldiger Mann. Er setzt sich sehr für den Frieden ein, aber seine Geduld ist nicht unendlich“, sagte Rubio.
Laut einem Bericht der „New York Times“ fragten sich Diplomaten in New York, die zur 80. Vollversammlung der Vereinten Nationen zusammengekommen waren, was Trump mit seiner Kursänderung bezüglich der Ukraine bezweckt und wie nachhaltig sein Unterstützungsversprechen gegenüber der Nato und der Ukraine ist. Ein Diplomat nannte die Äußerung „schwindelerregend“. In einem Treffen am Dienstag mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bekräftigte Trump seine Überzeugung, dass die Ukraine ihr gesamtes Gebiet zurückerobern könne.
Ob die USA beim Abschuss von Kampfjets und Drohnen unterstützen würden, hänge von den Umständen ab, sagte Trump weiter. Dabei wich er der Frage aus, ob er glaube, dass der russische Präsident Putin trotz der jüngsten Eskalationen zu einem Friedensschluss bereit sei, indem er erklärte: „Ich werde es Ihnen in etwa einem Monat sagen, okay?“ (mit Agenturen)
- CDU
- Donald Trump
- Emmanuel Macron
- Frankreich
- Krieg in der Ukraine
- Nato
- Russland
- Ukraine
- Ursula von der Leyen
- USA
- Wladimir Putin
- Wolodymyr Selenskyj
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: