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Die Mindestlohnkommission.

© dpa/Michael Kappeler

Erhöhung in zwei Schritten: Mindestlohn soll bis 2027 auf 14,60 Euro steigen

Zunächst soll die Lohnuntergrenze Anfang 2026 auf 13,90 Euro steigen, bis zum 1. Januar 2027 dann auf 14,60 Euro pro Stunde. Das gab die Mindestlohnkommission am Freitagmorgen bekannt.

Stand:

Nach tage- und nächtelangen Verhandlungen haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer am Freitagmorgen auf eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns in zwei Schritten geeinigt. Die Lohnuntergrenze von derzeit 12,82 Euro soll zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro und ein Jahr später auf 14,60 Euro pro Stunde steigen. Das teilten Vertreter der Mindestlohnkommission am Freitag in der Bundespressekonferenz mit. Das Gremium habe einstimmig entschieden, sagte die Vorsitzende Christiane Schönefeld.

Der Beschluss stand erst 50 Minuten vor der geplanten Verkündung in Berlin fest. Schönefeld sprach von „sehr schwierigen Gesprächen“, die durch in der Öffentlichkeit geäußerte Erwartungen zusätzlich erschwert worden seien. Sie betonte die Unabhängigkeit der Kommission als Grundvoraussetzung für ihre Arbeit. „Versuche der politischen Einflussnahme sind damit nicht vereinbar.“

Ähnlich äußerte sich Arbeitgeber-Vertreter Steffen Kampeter. „Die größte Schwierigkeit war der große politische und mediale Druck“, sagte er. „Man konnte kaum noch aus dem Haus gehen, ohne dass einen irgendeine Empfehlung zu einer bestimmten Höhe des Ergebnisses ereilte.“ Die Politik müsse endlich die Unabhängigkeit der Kommission begreifen, sonst werde es schwierig, die Arbeit fortzusetzen. Dieses Mal ist es der Kommission noch einmal gelungen. „Das ist ein Wert an sich.“

SPD wollte 15 Euro unbedingt

Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD noch zur Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission bekannt. Die Formulierung zur Höhe lautete: „Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.“ Schon wenige Wochen später leiteten vor allem Sozialdemokraten daraus die Forderung ab, die Erhöhung müsse so kommen, unter Umständen unter politischem Druck.

Die 15 Euro waren einer Kernforderung der SPD im Wahlkampf. „Das ist ein gesetzlicher Mindestlohn – und der Gesetzgeber ist der Deutsche Bundestag“, sagte Fraktionschef Matthias Miersch noch am Donnerstag. Auch SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf bekräftige die Erwartung, dass der Mindestlohn schon 2026 die 15-Euro-Marke erreicht. „Wenn er knapp drunter ist, würden wir kein Gesetzgebungsverfahren da anschließen“, sagte er gegenüber Politico. Nun liegt er allerdings ganze 1,10 Euro darunter. Auf dem am Freitag beginnenden Parteitag sind daher auch zu diesem Thema intensive Debatten zu erwarten.

Doch nicht nur die SPD mischt bei dem Thema mit. Zwar stellte die Union stets heraus, dass es keinen Automatismus für eine Erhöhung gebe. Agrarminister Alois Rainer (CSU) forderte diese Woche allerdings, eine Ausnahme des gesetzlichen Lohnanspruchs für Saisonarbeitskräfte. Als Begründung nannte Rainer die finanzielle Lage der Bauern. Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) erteilte Rainer umgehend eine Absage. Auch Schönefeld stellte am Freitag klar, das Gesetz sehe „keinerlei Ausnahmeregelung“ vor.

Bas begrüßt Entscheidung

Normalerweise macht die Bundesregierung den Vorschlag der Mindestlohnkommission nur noch per Rechtsverordnung verbindlich. Genau das hat die Arbeitsministerin am Freitagvormittag umgehend angekündigt. Die SPD-Politikerin sprach von einer „ordentlichen Lohnsteigerung“ und kündigte an, der Regierung vorzuschlagen, der Empfehlung der Kommission zu folgen. Schwarz-Rot könnte allerdings per Gesetz auch einen anderen Mindestlohn festlegen.

„Das gemeinsame Ergebnis begrüße ich ausdrücklich“, sagte Bas. Sie zollte Gewerkschaften und Arbeitervertretern Respekt. „Ich weiß, dass um den aktuellen Kompromiss hart gerungen wurde.“ Das Ergebnis zeige, dass die Sozialpartnerschaft funktioniere.

Mehr als sechs Millionen Beschäftige in Deutschland erhalten den gesetzlichen Mindestlohn. Sie bekommen nun eine Lohnerhöhung von 8,4 Prozent im ersten sowie 5,0 Prozent im zweiten Jahr. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell – er vertritt in der Kommission die Arbeitnehmerseite – rechnete vor, dass Vollzeitkräfte ab 2026 jeden Monat rund 190 Euro brutto mehr sowie ab 2027 310 Euro mehr als heute in der Tasche hätten.

Kritik von Opposition und Verbänden

Vertreter aus Politik und Wirtschaft reagierten gespalten auf den Beschluss der Kommission. Die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt gestand ein, sich eine stärkere Erhöhung gewünscht zu haben. Allerdings sei das Ergebnis Abbild der wirtschaftlichen Lage. Andere Sozialdemokraten äüßerten sich ähnlich. Aus der Opposition kamen deutlich kritischere Stimmen. Die Linken-Parteivorsitzende Ines Schwerdtner nannte den Anstieg ein „Armutszeugnis“, die frühere Grünen-Parteichefin Ricarda Lang „eine krasse Enttäuschung“. Sie forderte die SPD auf zu handeln, sonst begehe sie „Wortbruch“.

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Auch der Ökonom Marcel Fratzscher nannte den Beschluss „eine verpasste Chance“. „Ein höherer Mindestlohn würde nicht nur Millionen Beschäftigten helfen, sondern auch die Produktivität steigern, faire Wettbewerbsbedingungen fördern und den Arbeitsmarkt attraktiver machen“, sagte Fratzscher.

Die Präsidenten des Lobbyverbandes „Die Familienunternehmer“ sprach dagegen von einer „kräftigen Erhöhung“. „Es ist zu befürchten, dass einigen Unternehmen turbulente Zeiten bevorstehen“, sagte Marie-Christine Ostermann. Schon vorher hätten solche Zuschläge beim Mindestlohn „schmerzhafte Preissteigerungen“ zur Folge gehabt. Davor warnte auch der Bauernverband. Der Handelsverband sowie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sehen dadurch Arbeitsplätze gefährdet. Empirisch gibt es dafür allerdings keine Belege.

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