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Saudi-Arabiens Energieminister Abdulaziz bin Salman während der Opec-Sitzung.

© AFP / VLADIMIR SIMICEK

Gegen den Willen des Westens: Öl-Staaten wollen weniger fördern

Die Opec-Ländern verringern ihre Erdöl-Fördermenge, um die Preise hoch zu treiben. Das dürfte Russland nützen und Deutschland und die USA belasten.

Die US-Regierung sieht ein „totales Desaster“ auf den Westen zukommen: Die wichtigsten Ölförder-Länder unter Führung von Saudi-Arabien und Russland haben am Mittwoch eine drastische Kürzung der Ölförderung beschlossen – das Gegenteil von dem, was Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden bei ihren Besuchen in Saudi-Arabien erreichen wollten.

Während Amerika und Europa in der Energiekrise die Ölpreise möglichst niedrig halten wollen, treibt die Öl-Führungsmacht Saudi-Arabien zu Beginn der kalten Jahreszeit auf der Nordhalbkugel den Preis hoch. Ein Nutznießer ist Russland. Verbraucher in Europa und Amerika könnten die Verlierer sein.

Beschlossen wurde die Senkung der Ölförderung bei einem Treffen der Gruppe Opec-Plus in Wien. Die Mitglieder der Gruppe – die Staaten des Ölkartells Opec und wichtige Förderländer wie Russland – beschlossen, ab November zwei Millionen Barrel (je 159 Liter) am Tag weniger fördern zu lassen als bisher, das entspricht zwei Prozent der weltweiten Produktion. Die meisten Beobachter hatten eine mildere Absenkung der Produktion erwartet.

Die Ölpreise, die in den vergangenen Tagen in der Erwartung der Entscheidung schon angezogen hatten, stiegen nach dem Wiener Beschluss auf mehr als 93 Dollar pro Barrel; das ist zwar weit niedriger als der Höchststand von mehr als 130 Dollar pro Barrel unmittelbar nach Ausbruch des Ukraine-Krieges, aber mehr als zehn Dollar höher als im September.

Damals hatten Befürchtungen, dass wichtige westliche Industrienationen in eine Rezession rutschen könnten, sowie Bedenken wegen der Auswirkungen der anhaltenden Corona-Einschränkungen auf die chinesische Wirtschaft den Preis gedrückt.

Nun kürzen die Ölproduzenten das Angebot, um den Preis hochzutreiben. Opec-Plus hatte mit dem Ende der Pandemie die Förderung zunächst schrittweise angehoben. Im September trat die Gruppe dann auf die Bremse, indem sie die Fördermenge leicht um 100.000 Barrel pro Tag reduzierte.

Jetzt geht Opec-Plus wesentlich weiter. Die „New York Times“ zitierte Analysten mit der Einschätzung, Saudi-Arabien strebe einen Ölpreis von dauerhaft mehr als 90 Dollar pro Barrel an.

Opec setzt Zusammenarbeit mit Russland fort

Der Opec-Plus-Beschluss ist eine Ohrfeige für die USA und Europa. Vor dem Wiener Treffen hatte die US-Regierung nach einem Bericht von des Nachrichtensenders CNN alles versucht, um das „totale Desaster“ abzuwenden: US-Regierungsbeamte beschworen demnach ihre Kollegen in den arabischen Golf-Staaten, auf die geplanten Kürzungen zu verzichten. Doch die amerikanischen Appelle verhallten ungehört.

Die Golf-Staaten setzen auch ihre Zusammenarbeit mit Russland in Opec-Plus ungeachtet des Ukraine-Krieges fort. Moskau braucht höhere Ölpreise, um trotz der westlichen Sanktionen noch Geld zu verdienen. Wenn die EU wie angekündigt im Dezember ihre Ölimporte aus Russland stoppt, braucht die russische Regierung umso dringender möglichst hohe Einnahmen aus den Lieferungen an andere Kunden.

Offenbar erwarteten die arabischen Öl-Staaten nach dem Wiener Treffen scharfe Kritik des Westens und bemühten sich deshalb, den Beschluss kleinzureden. Es handele sich um eine rein technische – und keine politische – Entscheidung, ließen sie in Wien verlauten.

Vor wenigen Wochen erst war Bundeskanzler Olaf Scholz in Saudi-Arabien und traf auch Thronfolger Salman al-Saud. Das diplomatische Treffen scheint nicht geholfen zu haben.
Vor wenigen Wochen erst war Bundeskanzler Olaf Scholz in Saudi-Arabien und traf auch Thronfolger Salman al-Saud. Das diplomatische Treffen scheint nicht geholfen zu haben.

© dpa/Kay Nietfeld

Damit meinten sie, dass einige Opec-Plus-Länder schon jetzt weniger produzieren, als sie nach den Regeln der Gruppe produzieren dürften. Russland zum Beispiel blieb nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur IEA im August 1,2 Millionen Barrel am Tag unter der von Opec-Plus erlaubten Höchstmenge von elf Millionen Barrel am Tag – eine Folge der westlichen Sanktionen, weil Ersatzteile fehlen.

Trotzdem war die Entscheidung aus Sicht des Westens mehr als eine Formsache zur Korrektur unrealistischer Quoten. Neuer Krach zwischen dem Westen und den Partnern am Golf zeichnet sich ab. Laut CNN war im Weißen Haus von einem „feindseligen Akt“ die Rede: Fünf Wochen vor den Kongresswahlen in den USA sind steigende Benzinpreise schlecht für Bidens Demokraten.

Der US-Präsident erklärte, er sei „enttäuscht“ und werde versuchen, die Macht von Opec-Plus über den Ölmarkt zu schwächen. Dabei hatten Biden, Scholz und andere viel politisches Kapital investiert, um Saudi-Arabien zu moderaten Preisen zu bewegen.

Der US-Präsident reiste im Juli in das Königreich und traf sich mit Thronfolger Mohammed bin Salman, obwohl er ihn für den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 verantwortlich macht. Kurz darauf empfing der französische Präsident Emmanuel Macron den Kronprinzen. Vor zwei Wochen besuchte Scholz den saudischen Thronfolger. Vergeblich.

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