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Das nennt man wohl „den Ball festmachen“... Abbildung eines Fußballspiels, England, 18. Jahrhundert.

© Getty Images/Hulton Archive

Wer erfand den Fußball?: England ist womöglich doch nicht die Heimat der populärsten Sportart der Welt

Als Erfinder des modernen Fußballs mit seinen Regeln, Toren und Seitenlinien gelten bisher Engländer. Ein uralter Fußballplatz und ein Fund in einer Kirche stellen das nun aber infrage.

Stand:

Am Samstag ist Champions-League-Finale in München. Stellen wir uns vor, Reinhard Marx, für die Landeshauptstadt zuständiger Kardinal, würde nun verfügen, dass ein paar starke Männer einige sehr große Steine in die Allianz-Arena rollen sollen. Diese würden sie dann quer über den Rasen platzieren, weil dieses seltsame Spiel unchristlich ist, am Vorabend des heiligen Sonntags ganz besonders.

Das wird natürlich nicht passieren, nicht nur, weil Marx bekennender Fußball-Fan ist (nicht des FC Bayern, sondern tatsächlich von Borussia Dortmund), sondern auch, weil die Kirche diese Macht heute eben nicht mehr hat.

Vor knapp 400 Jahren in Schottland war das anders. Dort gab es ein entsprechendes, durch „Steine-in-den-Weg-legen“ implementiertes Fußballverbot. Dessen Entdeckung könnte, so meinen zumindest die Entdecker, jetzt dazu führen, dass die frühe europäische Geschichte des „Beautiful Game“ neu geschrieben werden muss.

Ab 1627 ist im ländlichen Anwoth in Kirkcudbrightshire Samuel Rutherford Pastor der presbyterianischen Kirche. Der Mann wird später zu einem der wichtigsten Theologen in der Geschichte der „Church of Scotland“ werden. Jetzt, mit Mitte 20, am Anfang seiner Karriere, sieht er sich aber erst einmal gezwungen, ein bisschen für Ordnung zu sorgen.

Steine gegen den Anstoß

Rutherford, so heißt es in einem biografischen Abriss über ihn, habe nicht nur „ständig gebetet, ständig die Kranken besucht, ständig gepredigt“, sondern auch „ständig geschrieben“. Ein besonderes Schriftstück von ihm fand sich kürzlich in den Kirchendokumenten. Dort heißt es: „Auf der Mossrobin Farm gab es ein Stück Land, auf dem die Leute am Sabbat-Nachmittag Foot-Ball spielten“. Rutherford habe daraufhin angeordnet, quer über jenes Feld eine Reihe großer Steine zu platzieren.

Als der Fußballhistoriker Ged O’Brien, Gründer des „Scottish Football Museums“ in Glasgow, davon hörte, kontaktierte er ein paar Archäologen. Man reiste gemeinsam an.

Und man fand tatsächlich dort, wo jenes Feld der Mossrobin-Farm einst gewesen sein musste, eine Reihe Steine. Bodenanalysen ergaben sogar, dass sie in etwa zur Zeit Rutherfords verlegt worden sein mussten.

Nun sind Steinreihen, -wälle und -mauern in Schottland in etwa so verbreitet wie Dönerbuden in Berlin. Sie markieren etwa Feld- und Grundstücksgrenzen. Doch diese 14 Steine sind offenbar anders platziert als üblich, passen nicht ins Muster: „Das ist keine Mauer, es ist eine vorübergehende Barriere, um ein bestimmtes Ereignis zu verhindern – in diesem Fall Fußball“, zitiert der Londoner „Telegraph“, der als einer der ersten über den Fund berichtete, den Archäologen Phil Richardson, der zum Forschungsteam gehört.

Erste verbriefte Abseitsregel

Schotten spielten also offenbar – solange ihnen der Pastor keine Steine in den Weg legte – an Wochenenden schon vor etwa 400 Jahren „Foot-Ball“. Aber was für Foot-Ball?

Dies ist der Vorfahr, der Großvater des modernen Weltfußballs, und er ist schottisch!

Ged O’Brien, schottischer Fußballhistoriker

Ein ziemlich regelloses, ziemlich gewalttätiges Spiel, das heute „Mittelalter-“ oder „Mob-Fußball“ genannt wird, gab es schon deutlich früher.

Als Erfinder des modernen Fußballs mit seinen Regeln, Toren und Seitenlinien gelten bisher Engländer des frühen 19. Jahrhunderts. Als Meilensteine werden etwa die erste verbriefte Abseitsregel und das erste Regelbuch am Eton College 1815 angeführt. Dort, also in England, soll bereits zu Rutherfords Zeiten eine Art Fußball gespielt worden sein. Berichte gibt es aber auch unter anderem aus Aberdeen, also Schottland, aus etwa der gleichen Zeit.

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Aber eine Kombination aus höchstgeistlicher Dokumentation und archäologischem Nachweis eines konkreten Fußballplatzes hat nur Anwoth zu bieten. Der natürlich alles andere als neutrale schottische Fußballhistoriker O‘Brien reklamiert deshalb für seine Nation nun, die Heimat des modernen Fußballs zu sein.

Denn Mob-Football wurde in Anwoth seiner Meinung nach nicht gespielt. Schließlich, so O’Brien gegenüber dem „Telegraph“, hätten die Männer, wenn sie jeden Sonntag kickten, vereinbarte Regeln gebraucht. Und eine gewalttätige Version sei auch unwahrscheinlich, weil sie am Montag ja unverletzt zur Arbeit gehen können mussten. „Dies ist der Vorfahr, der Großvater des modernen Weltfußballs, und er ist schottisch!“

Warum das für Mittelalter-Fußballer nicht gegolten haben soll, die ja auch arbeiten mussten, hat er nicht erklärt. Und die Rivalen aus England ließen sich auch nicht lange um einen Kommentar bitten: Es sei möglich, dass der Mossrobin-Farm-Fußball „keinerlei Verbindung zum modernen Verbandsfußball“ habe, so Steve Wood vom „Sheffield Home of Football“ gegenüber der New York Times. In Sheffield ist der älteste Fußballverein der Welt zu Hause, 1857 gegründet.

Den ältesten bekannten Fußballplatz der Welt haben die Schotten aber erst einmal sicher.

Bleibt die Frage, ob die Steine dem gottlosen Treiben auch wirklich ein Ende bereiteten. Vielleicht hat Rutherford auch das aufgeschrieben und man findet dieses Dokument noch irgendwo im Archiv der „Old Kirk“. Dass er sich aber für das Spiel interessierte und die Zeit nahm, Details zu Regeln, Spielerzahl, Schiedsrichter und ähnlichem niederzuschreiben, ist aufgrund der Umstände leider unwahrscheinlich.

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