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Die Schulen haben wieder den Regelbetrieb aufgenommen. Viele Eltern sind deswegen besorgt.

© dpa/Peter Kneffel

„Nicht gleich Katastrophe herbeiorakeln“: Kindermediziner warnt vor Panikmache wegen Delta-Variante

In Deutschland wird gelockert. Wegen der Ausbreitung der Delta-Variante sind jetzt vor allem Eltern besorgt. Doch ein Experte beruhigt.

Die Inzidenzen sinken weiter, die Impfkampagne schreitet voran, vielerorts wird gelockert. Es fühlt sich alles nach einer Rückkehr zur Normalität an, wäre da nicht die Delta-Variante.

Die macht aktuell vor allem Großbritannien zu schaffen. Die Regierung wird wohl wegen der rasanten Ausbreitung die geplante Aufhebung der letzten Corona-Beschränkungen um vier Wochen verschieben - auch wenn Premierminister Boris Johnson nach derzeitigem Stand „zuversichtlich“ bleibt, „dass wir nicht mehr als vier Wochen brauchen und nicht über den 19. Juli hinausgehen werden“.

Das Risiko, die Menschen im eigenen Haushalt anzustecken, sei bei Delta schätzungsweise 60 Prozent höher als bei Alpha, teilte die englische Gesundheitsbehörde Public Health England in der vergangenen Woche mit. Auch in den USA liegt der Anteil der Delta-Variante inzwischen bei rund 20 Prozent.

Obwohl die Delta-Variante in Deutschland laut RKI bislang erst bei etwa drei Prozent liegt, zeigt sich SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wegen dieser Entwicklungen besorgt: Im RBB und auf Twitter warnte er vor einem „perfekten Sturm für den Herbst“. Insbesondere für Kinder stelle die Delta-Variante eine große Bedrohung dar.

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Er bezog sich dabei auf eine Studie aus Großbritannien, derzufolge ein Prozent der an der Delta-Variante erkrankten Kinder im Krankenhaus behandelt werden mussten.

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Tatsächlich sind in Deutschland Kinder zwischen fünf und 14 Jahren aktuell am meisten von Corona betroffen. Eine Empfehlung zur Impfung von Kindern schloss die Ständige Impfkommission (Stiko) für Kinder ohne Vorerkrankungen dennoch aus.

In mehreren Einrichtungen für Kinder in Dresden sind nun Kinder positiv auf die Delta-Variante des Coronavirus getestet worden, ebenso in einer Schule im niedersächsischen Hildesheim. Laut dem Südwestdeutschen Rundfunk ist im baden-württembergischen Waiblingen die größte Kita wegen des Verdachts auf die Delta-Variante geschlossen worden.

Kinder aktuell am meisten von Corona betroffen

Reinhard Berner, Leiter der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum in Dresden hält Panik jedoch für unangebracht: Ein erhöhtes Risiko bei Kindern sehe ich bislang nicht“, sagt der Kinderarzt dem Tagesspiegel. In der Vergangenheit hat sich meist bewährt, den jeweiligen Lagen Zeit zu geben und nicht immer gleich Katastrophen herbeizuorakeln.“

Die britische Variante B 1.1.7. sei im Verlauf ebenfalls anders bewertet worden als am Anfang. Es sei zwar noch unklar, was im Herbst passiere. Eine Überlastung des Gesundheitssystems sei aus den jetzigen Erkenntnissen jedoch erst einmal nicht ableitbar.

Die Zahlen aus Großbritannien erachtet Berner bisher nicht als besorgniserregend. „Was wir wissen ist, dass in Deutschland innerhalb eines Jahres rund 1500 Kinder im Krankenhaus wegen Corona behandelt worden sind. Davon ist ein größerer Teil sogar aus anderen Gründen im Krankenhaus gewesen.“

Auch wegen der B.1.1.7-Variante habe es in der Weihnachtszeit viel Aufregung wegen einer höheren Infektiösität für Kinder gegeben. „Da hat sich inzwischen einiges relativiert, Kinder sind nicht mehr betroffen als Erwachsene.“

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Reinhard Berner teilt die Ansicht der Stiko hinsichtlich der Impfungen bei Kindern. Er nennt drei Aspekte, die die Entscheidung untermauern. „Die Impfempfehlung ist gerechtfertigt für Kinder ab 12 Jahren mit Grunderkrankungen und einem annehmbar erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf.

Die Datenlage bei Kindern ist bisher nicht ausreichend, um sie allen gesunden Kindern zu empfehlen. Denn wir wissen, dass der Verlauf bei Kindern in der Regel milde ist.“ In der aktuellen Situation stehe dies in keiner vernünftigen und begründbaren Relation.

Darüber hinaus sei es moralisch nicht vertretbar, die bislang weiterhin nur knapp verfügbaren Impfdosen an Kinder zu verimpfen, solange noch nicht einmal die Menschen versorgt sind, denen ein schwerer Verlauf drohe.

[Lesen Sie hier: Diese Gefahr geht von der Delta-Variante aus (T+)]

Auch aus globaler Weltgesundheitssicht seien Impfungen bei Kindern hierzulande nicht tragbar: „Es gibt Regionen auf der Welt, in denen Menschen sterben, weil sie keine Impfung erhalten. Da geht es nicht an, dass der Impfstoff hier aus Übereifer an Kinder verimpft wird. Denn die meisten von ihnen würden diese eine Corona-Infektion unkompliziert oder gar asymptomatisch durchmachen.“

Dass jetzt wieder ein normaler Schulalltag beginne, sei kein Grund zur Sorge, sondern vielmehr ein notwendiger Schritt. Berner: „Ich habe da wirklich gar keine Sorgen. Nur in einzelnen Situationen, in denen schwere Grunderkrankungen vorliegen oder die höhere Gefährdung eines Familienmitglieds wird es individuelle Lösungen geben müssen.“

Der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung müsse sich wegen des Coronavirus keine Sorgen um seine Kinder machen - und um sich selbst auch nicht, wenn die Impfangebote angenommen werden.

„Ein gelassenerer und rationalerer Blick auf die Schulen“

Bei den aktuellen Fallzahlen hält Berner auch eine Maskenpflicht bei den unter 10-jährigen Schulkindern nicht für sinnvoll. „Masken schützen, wenn sie richtig getragen werden. Bei Erstklässlern und 30 Grad im Klassenraum halte ich das für eher unwahrscheinlich. Es ist wie mit den Schnelltests in Schulen, vieles passiert, um Handeln zu demonstrieren. Ob das auch wirklich sinnvoll ist, muss wissenschaftlich bewertet werden, und da fällt manches Urteil anders aus.“

Berners Appell an Eltern und Politik: Ein gelassenerer und rationalerer Blick auf die Schulen als in der Vergangenheit. „Jetzt wird man sich bis zum Ende des Schuljahres irgendwie durchhangeln. Das wird auch gutgehen, weil die epidemiologische Lage günstig ist. Für das kommende Schuljahr wünsche ich mir, dass offene Schulen oberste Priorität haben.“

Den Kindern sei genug zugemutet worden, die Kontakte in der Schule seien elementar. Auch hier gelte es, abzuwägen zwischen reinem Infektionsschutz und anderen Gesichtspunkten der Kindergesundheit.„Und man muss sich vorbereiten und die Zeit über den Sommer nutzen, dafür tragfähige Konzepte zu entwickeln.“

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