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Der Max-Planck-Campus in Potsdam-Golm wurde in den 1990er Jahren gegründet.

© MPI-MP, Foto: sevens[+]maltry

Ambivalenter Rückblick: Max-Planck in der Nachwendezeit

Die Max-Planck-Gesellschaft hat ihre eigene Geschichte in einem Forschungsprogramm kritisch aufgearbeitet. Auch für die Wissenschaft stellte der Aufbau Ost eine Herausforderung dar – und eine Chance.

Von Lili Wolf

Es ist seit Jahren das gleiche Bild: Ostdeutsche verdienen im Schnitt 13,7 Prozent weniger Gehalt als Westdeutsche, auch in politischen Spitzenpositionen sind sie deutlich unterrepräsentiert. Aber in der Wissenschaft scheint Ostdeutschland von der Wiedervereinigung profitiert zu haben – und zwar auf Kosten des Westens. Forschungsinstitute wurden in den neuen Bundesländern ausgeweitet, während in Westdeutschland Institute geschlossen wurden.

Zu diesem Ergebnis kommt zumindest der Historiker Mitchell G. Ash in der Publikation „Die Max-Planck-Gesellschaft im Prozess der deutschen Vereinigung 1989-2002. Eine politische Wissenschaftsgeschichte“. Ash ist der Frage nachgegangen, wie sich die Wiedervereinigung ab 1989 auf die deutsche Forschungslandschaft ausgewirkt hat und wie diese an einer Neugestaltung teilgenommen hat. Er untersucht dies anhand der Max-Planck-Gesellschaft: mit mehr als 23.000 Mitarbeiter:innen in 85 Instituten, fünf davon im Ausland, ist die MPG eine der wichtigsten deutschen Wissenschaftsorganisationen. Sie kann daher beispielhaft für die Entwicklung der Wissenschaft in der deutschen Geschichte stehen.

Mehr Gelder für den Aufbau im Osten

Ash meint, der MPG sei der Aufbau Ost gelungen: Sie konnte ihre Wissenschaftsinstitute im Osten etablieren und an den westdeutschen Status anpassen. Eine Konsequenz war aber eine beispiellos hohe Zahl von Schließungen westdeutscher Max-Planck-Institute (MPIs), weil deutlich mehr Gelder in den Aufbau der MPIs im Osten flossen, die dann den westdeutschen Instituten fehlten. Das führte damals zu einem Ungleichgewicht, was Ash als „krisenhafte Situation“ bezeichnet.

Das Institut für Mikrostrukturphysik in Halle wurde 1992 als erstes Max-Planck-Institut in Ostdeutschland gegründet.

© imago/Steffen Schellhorn

Die westdeutschen Forschungsinstitutionen standen ab 1989 vor der Aufgabe, sich auch in die neuen Bundesländer zu integrieren. Ash arbeitet heraus, dass dieser Prozess ab 1992 mit den Gründungen von 18 neuen Instituten wie dem MPI für Mikrostrukturphysik in Halle begann und durch Druck der Politik beschleunigt wurde. Die Neugründungen fügen sich in eine bis heute bestehende Ost-West Kluft ein: Wie auch viele ostdeutsche Unternehmen oft von Westdeutschen geführt werden, schreibt Ash von einer „Übernahme“ der ostdeutschen Wissenschaft durch den Westen. Laut dem Historiker ein „betrüblicher Befund“, denn die neuen Institute leiteten mehrheitlich westdeutsche Wissenschaftler:innen, nicht die ostdeutschen.

Allerdings gehörte es zur Praxis, dass MPI-Direktor:innen nach Qualifikation ausgewählt, also die Besten des Faches bevorzugt wurden. Ob das zu der ungleichen Verteilung der Führungspositionen beigetragen hat, thematisiert der Autor nicht.

Trotz dieses Missstandes habe die Max-Planck-Gesellschaft in Deutschland die Umbrüche zwischen Ost und West beispiellos gemeistert. Es sei gelungen, die Verhältnisse der ostdeutschen an die westdeutschen Bundesländer im Bereich der Wissenschaft anzugleichen – und die Chance zu nutzen, zur führenden deutschen Gesellschaft für Grundlagenforschung zu werden.

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