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Berlin: 60 Berliner kämpfen in Athen um Gold

Keine andere deutsche Stadt schickt so viele Athleten zu den Olympischen Spielen – was nicht zuletzt an den Sportschulen liegt

Die schlimmste Anekdote? Die geht so: Ein Umschlag liegt adressiert an „Herrn Tibor Weißenborn“ im Briefkasten, er trägt das Logo der Olympischen Spiele 2004 in Athen. Weißenborn öffnet ihn und bekommt einen Schreck. „Keine Akkreditierung“. Das bedeutet: Tibor Weißenborn, der Hockey-Nationalspieler vom Berliner HC, erhält keinen Zutritt zum Olympischen Dorf in Athen. Weißenborn sagt: „Ich hatte plötzlich ein kleines Problem.“

Der Schreck war letztlich schlimmer als die Konsequenz. Der 23-Jährige hatte übersehen, dass sein Reisepass abgelaufen war, er musste nur zum Bürgeramt laufen und sich für 13 Euro einen vorläufigen Ausweis ausstellen lassen. Nun darf Weißenborn doch hinein ins Dorf.

Der Hockeyspieler ist einer von 60 Sportlern aus Berlin, die zum deutschen Olympiateam gehören. 36 Männer, 24 Frauen, aus 16 Sportarten. Keine andere Stadt schickt so viele Sportler nach Athen wie Berlin. Weißenborn reist mit drei Spielerinnen des BHC an, am Freitag wurden sie verabschiedet. Jochen Zinner, Leiter des Berliner Olympiastützpunktes, sagt: „Wir sind stolz und zeigen der Welt, dass wir noch immer eine große Sportstadt sind.“

Zum Vergleich: Hamburg stellt gemeinsam mit Schleswig-Holstein 30 Sportler für das deutsche Team, aus Bayern – zugegeben, einem Wintersportland – kommen 40, aus Köln und Leverkusen immerhin 50 Sportler. „Mit der Dimension von Berlin kann aber keine Stadt mithalten“, sagt Zinner. Nicht vergessen dürfe man, dass auch noch 25 Berliner Sportler bei den Paralympics teilnehmen werden.

Zwar werden in der Stadt Schwimmhallen geschlossen und Trainer nur mit Zeitverträgen ausgestattet, doch Berlin erhält viel Unterstützung vom für Sport zuständigen Bundesinnenminister Otto Schily. Allerdings warnt Zinner, dass „wir unseren Kredit nicht verspielen dürfen“. Für junge Talente sei es noch immer die größte Motivation, mit der Schwimmerin Franziska van Almsick im Becken zu trainieren. „Dafür muss man aber die Hallen erhalten, sonst fehlt uns bald der Nachwuchs“, sagt Zinner.

Die hohe Zahl der Berliner Athleten unter den 452 deutschen Sportlern ist auch auf das System der DDR-Sportschulen zurückzuführen. Es sind bestimmte Sportarten, in denen die Berliner besonders stark sind; manche sagen auch: preußische Sportarten. Leichtathletik, Schwimmen, Turnen. Doch gerade in diesen Sportarten ist die Zahl der Berliner Olympiateilnehmer gesunken. „Wir müssen aufpassen, sonst bekommt Berlin in vier, fünf Jahren in diesen Sportarten Probleme“, sagt Zinner.

Noch gilt der Olympiastützpunkt, dessen Filialen über die Stadt verstreut sind, als einer der besten in Deutschland. Die Anforderungen und Trainingsmethoden sind dementsprechend hart: So legte Franziska van Almsick im vergangenen Jahr mehr als 2500 Kilometer im Schwimmbecken zurück.

Jeder der 60 Berliner will in den kommenden Wochen Medaillen gewinnen, darunter befinden sich etwa die Turmspringerin Conny Schmalfuß, der Kanute Ronald Rauhe oder der Radsportler Robert Bartko. Viele der Berliner Sportler sind Studenten, exakt 23 von ihnen, darunter auch der Hockeyspieler Weißenborn. Er will nach den Spielen „schön feiern gehen“, sagt er. Der Olympiastützpunkt und die Bundesregierung überlegen gerade, wo die Party für die deutschen Sportler Ende September stattfinden soll. Mit den Betreibern des neuen Berliner Olympiastadions wird gerade verhandelt. Das wäre ein schöner Ort, denn im Olympiastadion soll 2009 auch die Leichtathletik-WM ausgetragen werden.

Hamburg und Schleswig-Holstein schicken 30 Sportler ins deutsche Team, Bayern 40, aus Berlin kommen 60,

zum Beispiel . . .

. . . die 26-jährige Spitzenschwimmerin Franziska van Almsick : Sie hält den Weltrekord über 200 Meter Freistil und war 1994 Weltmeisterin über 200 Meter Freistil sowie 1996 Olympiazweite in der gleichen Disziplin.

Und Kunstspringerin Conny Schmalfuß: Die 28-jährige Jurastudentin gewann bei der EM 2002 das Synchronspringen vom 3-Meter-Brett, 2004 wurde sie dabei Vize-Europameisterin. Außerdem hat sie 13 deutsche Meistertitel gewonnen.

André Görke

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