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Berlin: 62 Prozent der Berliner Türken wollen deutschen Pass

Der Wunsch nach der deutschen Staatsbürgerschaft ist unter den Türken in Berlin deutlich angestiegen. Etwa 62 Prozent der rund 132 000 in Berlin lebenden Türken wollen einen deutschen Pass beantragen.

Der Wunsch nach der deutschen Staatsbürgerschaft ist unter den Türken in Berlin deutlich angestiegen. Etwa 62 Prozent der rund 132 000 in Berlin lebenden Türken wollen einen deutschen Pass beantragen. Bei einer ersten Umfrage 1993 waren nur 45 Prozent dazu bereit. Die Zahlen ergeben sich aus einer repräsentativen Telefonumfrage des Meinungsforschungsinstituts Intrend GmbH. Um die Lebenssituation türkischer Bürger zu erfassen, wurden im November und Dezember 1999 insgesamt 560 türkische Berliner interviewt.

Dabei hatten knapp 350 Befragte angegeben, bereits einen Antrag auf Einbürgerung gestellt zu haben oder diesen stellen zu wollen. Bei den Befragten unter 30 Jahren befürworten sogar mehr als 75 Prozent die deutsche Staatsbürgerschaft, bei den über 60-Jährigen waren es nur 35 Prozent. Lediglich 13 Prozent sehen im neuen Staatsbürgerschaftsrecht eine Verschlechterung, ein Viertel der Befragten gaben den Ausschluss der doppelten Staatsangehörigkeit als größten Nachteil an. Für 14 Prozent war der Nachweis von Deutschkenntnissen eine deutliche Verschlechterung.

Obwohl sich die Eingliederung der Ausländer auf dem Arbeitsmarkt - nur noch 23 Prozent gaben an, 1999 einen Arbeitsplatz zu haben - verschlechtert hat, betonte die Ausländerbeauftragte Barbara John, dass die Türken sich zunehmend an der deutschen Gesellschaft orientieren. So gaben mehr als die Hälfte an, sich in Berlin wohl zu fühlen und bezeichneten ihre Zukunftsaussichten in der Stadt als gut. An religiösen und kulturellen Gewohnheiten, wie beispielsweise dem regelmäßigen Moscheebesuch, halten trotzdem viele Türken fest. Vor allem die unter 30-Jährigen (37 Prozent) gaben an, regelmäßig in die Moschee zu gehen. "Das bedeutet aber nicht, dass sie sich in ein religiöses Ghetto zurückziehen", sagte Frau John. Vielmehr versuchten viele Türken, die durch Bildung und Beruf in der deutschen Gesellschaft integriert seien, ihre Identität in ihrer Religion und Kultur zu finden.

Große Bedeutung kommt den deutschen Sprachkenntnissen zu. 54 Prozent der Befragten sehen zu geringe Deutschkenntnisse als den Hauptgrund für die Arbeitslosigkeit unter den Türken. 87 Prozent sprachen sich für eine Pflichtteilnahme an Integrations- und Sprachkursen für Neuzuwanderer oder nachziehende Familienangehörige aus. Fast 77 Prozent forderten, Deutschunterricht für Kinder bereits in den Kitas einzuführen. Nahezu alle Befragten lehnten es aber ab, Deutsch in der Familie zu sprechen. Nach Johns Ansicht ist darin der "feste Wille, die Muttersprache an die nächste Generation weiterzugeben" zu erkennen.

Obgleich die Ergebnisse offenbar überwiegend positiv ausgefallen sind, haben sie nach Meinung der Ausländerbeauftragten auch deutlich gemacht, dass die Integration der Türken in Bildung und Arbeitsmarkt noch immer mangelhaft ist. "Die Umfrage zeigt uns, dass wir neue Prioritäten setzen müssen", sagte John. So müsse der Senat mehr Intergrations- und Weiterbildungsmaßnahmen für türkische Berliner erarbeiten. Mit der kleinen Gruppe von 560 Personen ist die Befragung nach Ansicht des Intrend-Geschäftsführers Harald Weinberg nur knapp repräsentativ. "Hätten wir weniger als 550 Leute befragt, könnten wir dies nicht mehr behaupten", sagte Weinberg.

Während Barbara John die Bereitschaft zur Einbürgerung als ein positives Zeichen versteht, will CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky nicht jedem Einbürgerungswilligen ohne weiteres die deutsche Staatsbürgerschaft geben. Eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz sei bei einigen Ausländern "zwingend notwendig", sagte er gestern vor Journalisten. Dies ziele nicht auf türkische Einbürgerungswillige ab. "Vielmehr sind diese Anfragen bei irakischen und iranischen Ausländern notwendig", sagte Landowsky. Berlin sei ein Zentrum "in dem sich terroristische und fundamentalistsiche Gruppierungen sammeln". Würden solche Personen erst einmal eingebürgert, hätte die Justiz keine Möglichkeit mehr, die Betroffenen in ihre Heimat abzuschieben.

Silke Edler

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