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Berlin: 99 Jahre U-Bahn: Menschenrechte und "Enri Enn"

Nach Paris, Brüssel, Stockholm und Lissabon hat nun auch Berlin seit einem halben Jahr einen "Menschenrechts-Bahnhof". Die U-Bahn-Station Westhafen, vielen noch unter dem Namen Putlitzstraße bekannt, war in den knapp 30 Jahren seit ihrer Eröffnung sehr heruntergekommen.

Nach Paris, Brüssel, Stockholm und Lissabon hat nun auch Berlin seit einem halben Jahr einen "Menschenrechts-Bahnhof". Die U-Bahn-Station Westhafen, vielen noch unter dem Namen Putlitzstraße bekannt, war in den knapp 30 Jahren seit ihrer Eröffnung sehr heruntergekommen. Vor ihrer Modernisierung zählte sie zu den beleuchtungsschwächsten im ganzen Netz, die Seitenwandverkleidung aus gelben Wandfliesen war seit langem desolat und durch einen Anstrich auf dem Beton ersetzt.

Bei der Neugestaltung im Herbst 2000 wurde ein Ideenkonzept der belgischen Künstlerin Francoise Schein und ihrer Mitstreiterin Barbara Reiter verwirklicht. Die 110 Meter langen und etwa 3 Meter hohen Wandflächen hinter den beiden Gleisen sind in insgesamt 20 "Kapitel" eingeteilt, von denen jedes einen Artikel der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" der Vereinten Nationen trägt. Die Texte werden aus quadratischen weißen Fliesen gebildet, die mit je einem Buchstaben versehen sind. Ohne Punkt und Komma, ohne Umlaute, obendrein grafisch gestaltet, wirken sie wie ein Sprachrätsel, das zum Auflösen reizt. Mit Geduld und Spürsinn werden Sätze aus den Buchstabenkombinationen.

In den Eingangshallen findet sich ein Zitat von Heinrich Heine, in dem der aus Deutschland verwiesene Schriftsteller beschreibt, wie in Paris sein Name einer Metamorphose unterlag. "Henri Heine" verwandelte der französische Zungenschlag - des "h" und "ei" nicht mächtig - in "Enri Enn", gleichklingend mit "un rien": ein Nichts. Immer wieder stößt der interessierte Betrachter auf diese Verwandlung von Heines Namen, tauchen auch kleine grafische Symbole zwischen den 14 000 Fliesen auf.

Die neue Gestaltung des U-Bahnhofs Westhafen stellt die Modifizierung eines Konzeptes dar, das die studierte Philosophin Schein bereits 1997 realisieren wollte, seinerzeit auf dem U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße. Doch steht diese 1928 eröffnete Station unter Denkmalschutz, was keine derartigen Veränderungen erlaubt. "Die Lage des U-Bahnhofs Westhafen", schrieb die BVG, sei "allein durch seine Geschichte der geeignete Ort, die Menschenrechte niederzuschreiben. Der Bahnhof Putlitzstraße war im Nationalsozialismus Ausgangspunkt für die erste Deportation Berliner Juden."

Jürgen Meyer-Kronthaler

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