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Berlin: Ab in die Provinz

Der Bahnhof Zoo ist übersichtlich geworden Fernzug-Reisende fehlen, erste Läden machen dicht

Als der rote Doppelstockzug nach Rathenow abgefahren ist, bleibt ein menschenleerer Bahnsteig zurück, und wie zum Hohn braust in der gegenüberliegenden Halle ein ICE haltlos durch den Bahnhof Zoo. Der Mythos des Berliner Westens, mehr Symbol denn profaner Haltepunkt, ein freier Bahnsteig für freie Menschen – nicht viel ist davon geblieben. Der Bahnchef selbst hat den „Zoo“ abgehängt.

Während sich der Fernreisende aus dem Ballungsgebiet der City West murrend den Verhältnissen beugt und für die Abreise zum Hauptbahnhof oder nach Spandau fährt, geht es jenen, die in der Halle vom Bahnhof Zoologischer Garten ihre Dienste anbieten, nicht gerade rosig. Die Zahl der Reisenden ist rapide gesunken, jeder spürt das. Der Bahnhof hat gewissermaßen Normalmaß erreicht, er platzt nicht mehr aus allen Nähten, er ist übersichtlich geworden mit seinem Regionalbahn-Publikum, das nach Wünsdorf und Eisenhüttenstadt fährt statt nach Zürich oder Bonn. Dennoch: Acht Leute stehen Schlange an jedem der sechs besetzten Schalter im Fahrkartenverkauf. Es geht flott. Niemand steht dagegen in der Hotelreservation. „Zum Bäcker kommt ungefähr ein Viertel der bisher etwa 1500 Kunden“, sagt der Hotelvermittler. „So ist das Verhältnis.“ Die Angestellten der Ladenketten haben einen Maulkorb bekommen. Fleischer, Fischverkäufer, Body-Shop-Menschen und Apotheker verweisen auf die Chefs und die Pressestellen. Angst ist spürbar, dass der Gigant Deutsche Bahn sauer reagieren könnte – man braucht ihn noch. Könnte ja sein, dass er sich doch dazu herablässt, wenigstens die Mieten ein wenig zu senken. Schließlich ist die Bahn dafür verantwortlich, dass der Bahnhof Zoo nicht mehr ist, was er war . Der Fotoladen hat schon aufgegeben. „Bitte holen Sie Ihre Fotos im Bahnhof Friedrichstraße ab“, steht an der verschlossenen Tür. In der Apotheke liegen noch die gelben Unterschriftenzettel mit dem Bürgerprotest gegen die Schließung des Fernbahnhofs aus.

Beim Süßwarengeschäft Arco sehen sie schwarz wie Bitterschokolade: Der Umsatz ging ebenso zurück wie im Blumenladen, wo Petra Stenschke von 40 Prozent Einbußen spricht. Nur im WC-Center, einer europaweiten Bedürfnisanstaltskette, scheint der Arbeitsplatz sicher. Einmal Pissoir kostet 60 Cent. Der Laden läuft. Die Stammkunden, heißt es, kämen weiterhin.

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