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Berlin: Abitur-Versager kündigen sich früh an

Von Susanne Vieth-Entus Wer im Abitur durchfällt, hatte oft schon in der Grundschule schlechte Deutschnoten. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse der letztjährigen Abiturergebnisse.

Von Susanne Vieth-Entus

Wer im Abitur durchfällt, hatte oft schon in der Grundschule schlechte Deutschnoten. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse der letztjährigen Abiturergebnisse. Darüber hinaus ernteten einige Schulen besonders hohe Durchfallquoten, weil sie jahrelang bei der Notenvergabe oder beim Schuleschwänzen zu nachsichtig waren. Landesschulrat Hansjürgen Pokall fordert die Schulen auf, sich „über ihre Qualität Gedanken zu machen“. Kleine Oberstufen sollen abgeschafft oder zusammengelegt werden. An den Schulen geht die Angst vor dem „Ranking“ um.

Im vergangenen Jahr hatten rund 20 Schulen von sich reden gemacht, in denen ein Fünftel bis ein Drittel der Abiturienten gescheitert waren. Das Landesschulamt sprach damals spontan von „Restschulen“, was die Kollegien verärgerte. Um eine fundierte Analyse zu ermöglichen, sollten mehrere Schulen „Durchlaufbeobachtungen“ anfertigen: Sie trugen zusammen, welche Noten die gescheiterten Schüler in der sechsten und zehnten Klasse hatten und für welche Schulform sie empfohlen worden waren.

Erwartungsgemäß sind unter den „Durchfallern“ viele Schüler mit Realschulempfehlung. Allerdings betont Pokall, dass es andererseits auch viele Realschulempfohlene gibt, die „hervorragend“ zurechtkommen. Als Indikator besser zu gebrauchen sind die Zensuren beim Übergang in die Oberschule.

„Die Deutschnoten sind von höchster Relevanz“, betont Gerhard Nitschke, der im Landesschulamt seit Jahren das Abitur organisiert und auch die „Durchlaufbeobachtung“ auswertete. Ebenfalls aussagekräftig sei die Leistung in Mathematik, wogegen die Zeugnisnote in der Fremdsprache „nicht so bedeutend“ für den weiteren Schulerfolg sei. Darüberhinaus weist Nitschke darauf hin, dass auch der Schülerrückgang eine indirekte Ursache für die hohe Durchfallquote sein kann: Viele Schulen nehmen ungeeignete Schüler auf, um ihre Oberstufen aufzufüllen.

Je schlechter der Ruf einer Schule oder je sozial schwieriger ihr Einzugsgebiet, desto mehr schrumpft ihre Oberstufe. Inzwischen gibt es einige Gesamtschulen, aber auch erste Gymnasien, die mit 30 bis 50 Schülern pro Jahrgang vor sich hindümpeln. In dieser Situation sind die Schulen bereit, auch Jugendliche aufzufangen, die von anderen Schulen „geflogen“ sind. Pokall fordert die Schulen auf, mehr auf Qualität zu achten und bei schlechten Schülern ihre „Beratungspflicht“ ernst zu nehmen. Welche Folgen es haben kann, wenn man viele gescheiterte Schüler „von außen“ aufnimmt, erlebte das Neuköllner Albert-Schweitzer-Gymnasium: Von 38 Schülern waren 2001 acht durchgefallen, darunter „vier oder fünf“, die bereits an anderen Schulen gescheitert waren, berichtet Schulleiter Uwe Clauß. Seine Schule sah sich zu Unrecht an den Pranger gestellt, als es infolge der hohen Durchfallquote in die Schlagzeilen geriet. Denn ohne die fremden Schüler wäre die Quote nur halb so groß gewesen. Um nicht nochmals in solch negativem Zusamenhang in die Presse zu kommen, hat das Kollegium mit einigen anderen Schulen durchgesetzt, dass die Durchfallquoten in diesem Jahr nicht wieder unkommentiert veröffentlicht werden. Künftig sollen nur noch die besten Schulen benannt werden– so groß ist die Angst vorm „Ranking“.

Ähnlich wie bei „Albert Schweitzer“ wurde auch in der Rudower Walter-Gropius-Schule nach den Ursachen für die hohe Durchfallquote geforscht. Immerhin war hier 2001 fast jeder dritte Schüler nicht zum Ziel gekommen – Berlinrekord. Bei der Analyse kam laut Schulleiter Dieter Skrok heraus, dass die Tutoren zu großzügig mit Fehlzeiten der Schüler umgegangen waren. Dieses Jahr sei „weniger gejobbt und mehr gelernt“ worden. Darüberhinaus sieht Skrok aber noch ein generelles Problem: Die Vorschriften bei der Versetzung in die gymnasiale Oberstufe seien zu lasch.

Strenger will man künftig auch im Wilmersdorfer Curie-Gymnasium sein. Hier waren 2001 18 Prozent durchgefallen. Leiterin Regine Schürmann berichtet, dass sich in dem Jahrgang viele Realschulempfohlene befunden hätten. Eine Schlussfolgerung aus der Durchfallquote wird sein, dass das Kollegium Versetzungen in der Mittelstufe und in die 11. Klasse erschweren will. Allerdings bedauert Frau Schürmann, dass sich viele Eltern „stur“ stellten, wenn man ihnen abrate, für ihr Kind ein Gymnasium zu wählen. Das Landesschulamt will es bei seinen diesjährigen Analysen nicht belassen: Ab sofort sollen in jedem Bezirk zwei Schulen die Daten für die „Durchlaufbeoachtung“ zusammentragen. Was mit der Datenfülle passiert, steht allerdings in den Sternen. Denn allein von der Erkenntnis, dass Deutsch die entscheidende Schlüsselqualifikation ist, würden die Deutschkenntnisse nicht besser, kritisieren die Schulen. Außerdem können sie ungeeignete Schüler nicht ablehnen, da in Berlin freie Schulwahl gilt. Jobst Werner vom Philologenverband fordert, die Bedingungen für das Bestehen des Probehalbjahrs zu verschärfen, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Er hält es für falsch, dass etliche Gesamtschulen eine Oberstufe haben, obwohl gute Schüler fehlen. Dies sei ein „fürchterlicher Betrug an den Familien und am Abitur“.

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