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Berlin: „Absoluter Blindflug“

Peter Maffay und sein Drache Tabaluga ziehen Groß und Klein in den Bann. Am Freitag hat das neue Stück Premiere. Dabei war der Erfolg anfangs kaum abzusehen

Herr Maffay, am 4. Oktober sind Sie zum zweiten Mal Vater geworden. Und nun sind Sie bis Mitte Dezember fast ununterbrochen mit „Tabaluga“ auf Tournee. Viel Zeit für die Familie bleibt da nicht. Wie fühlen Sie sich dabei?

Wie geht es einem Seemann mitten auf dem Atlantik? Ich kann schon am Montag, wenn wir in Berlin gespielt haben, in der Nähe von München sein, wo meine Frau und das Baby sind. Ich werde ein paar Tage zu Hause verbringen, dann mache ich mich wieder auf die Socken. Das ist gar nicht so tragisch. Natürlich gibt es Augenblicke, in denen ich denke, jetzt wäre ich gerne in der Nähe. Aber es geht nun mal nicht anders.

Freitag ist Premiere. Kennen Sie nach über 30 Jahren auf der Bühne noch Lampenfieber?

Natürlich, sehr sogar. Lampenfieber ist immer der Grund für viele Fehler. Es ist aber auch ein schönes Gefühl, weil es Gleichgültigkeit nicht zulässt. Wenn man Lampenfieber vermisst oder schon nicht mehr vermisst, ist wahrscheinlich so viel Routine eingekehrt, dass es einem egal ist, wo man spielt. Und für wen man spielt.

80 Prozent der Besucher von Tabaluga sind Erwachsene. Was spricht Erwachsene an der Show so an?

Auf jeden Fall ist das sicherlich ein Thema, das sehr viele erwachsene Kinder erreicht. Es gibt das Lied „Nessaja“ auf dem ersten TabalugaAlbum „Tabaluga oder die Reise zur Vernunft“: Nessaja ist Tabalugas Ratgeberin. Sie hat immer ein Auge auf ihn. Am Ende seiner Reise sagt sie etwas Wunderbares zu ihm: Bleibe so lange du kannst ein Kind. Das ist das Vernünftigste, was du machen kannst. Das ist auch das Lied, das ich ganz am Ende der Show noch einmal singe.

Gilt das auch für Sie persönlich, sich die Kindlichkeit bewahren zu wollen?

Ja, absolut. Es ist ein sehr wertvolles Gefühl und ein wertvoller Motor, es treibt wahnsinnig viel an, wenn man spielerisch an Dinge herangeht. Diese Unbekümmertheit, die kleine Kinder haben und die Erwachsene mehr und mehr verlieren. Wenn ich mir davon ein bisschen retten kann in der heutigen Zeit, in der Hektik, in der wir leben, ist das eine wichtige Geschichte.

Tabaluga verschenkt in der neuesten Geschichte seine ganzen Sachen an bedürftige Freunde. Sollten die Deutschen das Abgeben lernen?

Es geht nicht um die Deutschen. Für uns ist Deutschland vielleicht sehr wichtig, aber letztlich betrifft es alle Menschen auf der Welt. Es ist doch so, dass man heute die Bedürfnisse der Leute, die rechts und links v on einem leben, oft nicht wahrnimmt. Sie gehen frühmorgens in der Großstadt die Straße entlang, nur ein Mensch kommt Ihnen entgegen, und Sie sagen „Guten Morgen“, und der weicht entsetzt zurück und denkt: „Was will der von mir?“

Was fehlt?

Das kann eine einfache Geste sein. Der Beweis, dass man jemanden wahrnimmt. Natürlich kann man das Thema vom verschenkten Glück auch übertragen: Gib jemand anderem etwas ab, der es nötig hat, wenn Du zu viel oder genügend hast. Wenn man etwas aus freiem Herzen heraus tut, ohne zu sehr darüber nachzudenken, ob es einem nützt oder nicht, kann es passieren, dass dieses ehrliche Angebot als Reflektion irgendwann zu einem zurückkommt. Eigentlich ist das eine sehr einfache Geschichte.

Diesmal wird auch Udo Lindenberg bei Tabaluga auf der Bühne stehen. Er spielt in Berlin und Hamburg den „Pechvogel“ .

Ich freue mich, dass der Udo mitmacht, da ich ihn sehr mag. Mir gefällt seine politische Einstellung, mir gefällt seine Fähigkeit, ganz unterschiedliche Themen anzufassen, seine Neugierde, sein Mut. Wir haben ja schon so einige Dinge zusammen gemacht. „Rock gegen Rechts“ zum Beispiel. Es gab schon immer eine Brücke zwischen seinen Unternehmungen und meinen.

Warum ist er in anderen Städten nicht dabei?

Udo ist ein viel beschäftigter Mensch, da kann ich nicht davon ausgehen, dass er sich für drei Monate die Zeit frei hält. Es sind ja auch andere namhafte Kollegen dabei, der Tobias Künzel von den Prinzen zum Beispiel, und die haben alle sehr viele Termine. Da lag es nahe, eine Rolle zu vergeben, die in jeder Stadt ein bisschen anders besetzt ist.

Konzertveranstalter Fritz Rau hat einmal erzählt, dass er „Tabaluga und Lilli“ 1994 wegen zu hoher Kosten fast nicht produziert hätte. Ihnen habe er das damals erst nach der Premiere gestanden.

Das war sogar so, dass ich einmal zu Fritz gegangen bin und gesagt habe: „Du, wenn dir das alles zu viel wird, dann bin ich dir nicht böse, wenn du nein sagst.“ Und Fritz hat dann gesagt: „Das ziehen wir durch.“ Das war beim ersten Mal ein absoluter Blindflug, denn eine solche Art von Veranstaltung war damals noch viel ungewöhnlicher als heute.

Sind eigentlich Fortsetzungsshows geplant?

Ich glaube nicht, dass wir das so schnell wieder machen. Nach dieser Show möchte ich mich erstmal wieder der Musik widmen, die ich sonst mache. Ich habe keine Ahnung, was in zehn Jahren ist. Wenn mein kleiner Bub später einmal nach einer neuen Geschichte schreit, werde ich mir vielleicht die Haare raufen, in den Keller gehen und mir überlegen, ob ich nochmal loslege.

Das Gespräch führte Viola Volland

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