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Wasser und Bäume! So sieht's aus in den neuen Gärten der Welt. Hier dürfen sich die Landschaftsplaner austoben. Schön oder?

© Simulation: promo

Berlin: Achtung, jetzt kommt ein Beton

Ein Hafenbecken wird es in der Europacity nicht geben – stattdessen kommt ein steinerner Platz. Das liegt im Trend in Berlin. Für Grünflächen und hübsche Stadträume haben die Bezirke kein Geld mehr. Schon die Pflege bestehender Anlagen überfordert sie.

Berlin - Pflaster statt Wasser – das Hafenbecken in Berlins wichtigstem neuen innerstädtischen Wohngebiet „Europacity“ wird nicht gebaut. Acht Millionen Euro sollte das, wie berichtet, kosten. Doch eine Investition in die Förderung der „touristischen Infrastruktur“ kann die EU wohl nicht erkennen in dem schicken Becken am Fuße der Wohnungseigentumsanlage. Jetzt entsteht an derselben Stelle ein Platz, mit reichlich viel Pflaster. Und das liegt in Berlin im Trend: Rasen, Parks und Wasserbecken will fast niemand mehr anlegen, die Stadt kann sich das einfach nicht mehr leisten.

Beschwerdebriefe verärgerter Berliner stapeln sich auf dem Schreibtisch von Mittes Baustadtrat Carsten Spallek (CDU). Oft geht es darin um wild wuchernde Sträuche, Müll oder Schäden in Parks und Grünflächen. „Die Mittel sind nicht auskömmlich“, sagt Spallek. Und weil die Geldnot im Bezirk chronisch ist, greifen auch andere Ressorts schon mal in den Topf für die Grünpflege – denn eine sachgerechte Verwendung schreibt der Senat bei der Grünpflege nicht vor.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bestätigt das: „Die Mittel für die Bezirke reichen nicht aus“, so Petra Rohland. Im Tiergarten reiche das Geld für Straßenreinigung und Müllbeseitigung „zur Pflege der Grünanlagen bleibt aber nicht genügend übrig“. Schon gar nicht für den Bau neuer Plätze und Parks: „Reguläre Investitionsmittel gibt es nicht“. Außerdem wurde das für die Parkpflege verfügbare Geld wiederholt zusammengestrichen – während „ständig neue Grünflächen oder Gedenkstätten dazukommen“, sagt Spallek. Weniger Geld für mehr pflegebedürftige Fläche – das kann nur auf Kosten der Substanz gehen.

Und auf den Bezirk kommen neue Aufgabe zu. Das Mahnmal „Aktion T4“ hinter der Philharmonie, das zum Gedenken an Opfer der Euthanasie zurzeit in Bau ist. Dessen Errichtung finanzieren zwar andere, der Bezirk muss aber die Pflege später zahlen. Wie das gehen soll, weiß Spallek nicht. „Auf Kante“, sagt er, werde schon heute gewirtschaftet, die Grünanlagen „auf Verschleiß“ geführt. Und in Fachkreisen ist zu hören, dass für die Pflege des 200 Hektar großen Tiergartens 80 000 Euro jährlich bereitstehen – zwei Millionen Euro aber erforderlich seien.

Und weil sich „durch jede weitere Grünfläche unser Handlungsdruck erhöht und unsere Finanznot wächst“, wie der Bezirksstadtrat sagt, ist die Versuchung groß, neue Flächen mit Beton oder Pflaster zu versiegeln: „Da fährt die Kehrmaschine einmal rüber“ und gut ist.

Das gestrichene Hafenbecken in der Europacity zeigt auch: Die Entwicklung der Stadt richtet sich längst nicht mehr danach, was Planer, Anwohner oder politisch Verantwortliche wünschen und wollen, sondern danach, was Bund und EU finanzieren. Den statt des Hafenbeckens nunmehr in der Europacity geplanten „Schmuckplatz“ will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung überwiegend mit Geld der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) bezahlen. In dem Topf liegen laut Senatsverwaltung für Wirtschaft bundesweit gewaltige 1,2 Milliarden Euro, um strukturschwache Regionen auf die Beine zu bringen. Bedient hat sich Berlin daraus zur Gestaltung der „Gärten der Welt“ in Marzahn, zum Bau von Schönebergs „Euref-Campus“ und zur Realisierung des Archäologischen Besucherzentrums am Petriplatz.

Die Beispiele zeigen: Anlaufstellen von Touristen sind ebenso förderfähig wie lupenreine Wirtschaftsstandorte. Der Bau des Hafenbeckens in der Europacity hätte aber wohl vor allem den Bauherren gedient – und war es deshalb wohl nicht.

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