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Berlin: Ärzte im Bund einig – nun droht Streit in Berlin

Mediziner: Kollegen verdienen anderswo besser Neue Verhandlungen – und eventuell neue Streiks

Im Bund sind die Ärztestreiks zu Ende, Berlin stehen sie möglicherweise bevor. Die Berliner Ärzteschaft stellt sich jedenfalls auf neue Tarifverhandlungen und sogar Kampfmaßnahmen ein. Denn in Berlin gilt der Tarifvertrag nur vorläufig. „Nach der neuen Einigung im Bund verdienen die Ärzte an den Unikliniken im übrigen Bundesgebiet weit besser als ihre Kollegen in Berlin. Da gibt es weiter dringend Handlungsbedarf“, sagt Matthias Albrecht, Vorsitzender des Landesverbandes der Ärzte-Vereinigung Marburger Bund in Berlin und Brandenburg. Die Vertreter der rund 2300 im Marburger Bund organisierten Ärzte und wissenschaftlichen Mitarbeiter an den drei Standorten der Charité werden den Abschluss jetzt im Detail prüfen – und die Verhandlungen mit dem Charité-Vorstand spätestens nach den Sommerferien aufnehmen.

Die am Freitag erzielte Einigung zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder mit dem Marburger Bund könnte aber noch weitreichendere Folgen für Berlin haben. Albrecht: „Wir erwarten, dass sich auch die rund 10 000 anderen Berliner Ärzte der kommunalen Vivantes-Kliniken, aber auch bei den privaten und frei gemeinnützigen Krankenhäusern sowie das Pflegepersonal sich ermutigt fühlen. Da wird sich dieses Jahr noch einiges tun.“

Berlins Charité-Ärzte haben die Verhandlungen im Bund bis zuletzt mit Spannung verfolgt. Enthält doch der Ende April für die Charité unterzeichnete Übergangstarifvertrag, wie berichtet, die Klausel, dass in Berlin in der zweiten Jahreshälfte nachverhandelt werde, sobald sich die Tarifpartner im Bund geeinigt haben.

Seit Freitag nun schicken sich die Vertreter der Doktoren Mails und SMSen hin und her – und prüfen das bundesweite Einigungspapier. Unterm Strich kommt bei dieser Vergleichsrechnung heraus, dass die Kollegen in Weiß außerhalb Berlins mit über 4,4 Prozent mehr Gehalt nach Hause gehen, hat Oliver Peters ausgerechnet, einer der Sprecher der Ärzteinitiative an der Charité. Bei vielen Unterpunkten der Tarifeinigung – Zulagen, Überstundenabgleich, Vertragslaufzeiten – liegen die Bedingungen auf gleichem Niveau.

In einem stehen Berlins Uni-Ärzte und Wissenschaftler sogar besser da als die Kollegen: Hier müssen Mediziner in Ost (vorher 40 Stunden) und West (vorher 38,5 Stunden) jetzt gleich lang arbeiten (42 Stunden) – bekommen aber auch das gleiche Gehalt. „Absurd, dass die Menschen 17 Jahre nach der Wende im Bund immer noch ungleich behandelt werden“, sagt Matthias Albrecht vom Marburger Bund Berlin. Nachverhandlungsbedarf bestehe auch beim 24-Stunden-Bereitschaftsdienst: Bislang gehen Ärzte teils nach fast 20 Stunden noch in den OP. Allerdings werden die Dienste seit April mit 95 statt 80 Prozent des sonstigen Stundenlohns vergütet. In Berlin hätten die Uni-Ärzte dem Übergangstarifvertrag Albrecht zufolge letztlich nur deshalb zugestimmt und nicht erneut gestreikt, „weil da ja drin steht, dass in der zweiten Jahreshälfte nach der Einigung im Bund neu verhandelt wird.“ Man werde sich wieder zusammensetzen, das bestätigte am Sonntag Charité-Sprecherin Kerstin Endele.

Doch der Vertrag ist das eine – die Praxis das andere. Matthias Albrecht: „An der Charité wird die Arbeitszeit wird immer noch nicht richtig erfasst, und auch Überstunden werden längst nicht alle aufgeschrieben, weil sich Ärzte das wegen unterschwelligen Drucks nicht trauen.“

Annette Kögel

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